Thomas Baumann ernährt sich seit sechs Jahren vegan und tauscht sich auf Facebook mit Gleichgesinnten aus. Foto: Müller Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Thomas Baumann tauscht sich auf Facebook mit Gleichgesinngen aus / Genuss, ohne auf etwas verzichten zu müssen

Du bist, was du isst: Immer mehr Menschen entscheiden sich dazu, nicht nur auf Fleisch, sondern auf alle tierischen Produkte zu verzichten. Dass das nicht nur eine Handvoll Sonderlinge sind, zeigt die Facebook-Gruppe "Schwarzwald-Baar vegan" mit annähernd 500 Mitglieder aus dem gesamten Kreis. Der Blumberger Thomas Baumann rief die Gruppe ins Leben und tauscht sich dort mit Gleichgesinnten über Rezepte und die Alltagshürden in einem veganen Leben aus.

Herr Baumann, was gab es bei Ihnen gestern zu Essen?

Ich hatte einen veganen Käsekuchen aus einer Art Blätterteig aus Soja. Abends gab es Brot mit Pesto, veganem Käse und Tofu.

Welche veganen Lebensmittel sind in Ihrer Küche ständig verfügbar?

Im Grunde genommen wie bei anderen auch: Brot, Nudeln, Öl, Reis, Margarine und Gemüse. Als Milchersatz habe ich Haferdrinks.

Wird man als Veganer in der Küche erfinderisch?

Als Veganer muss man nicht aufwändiger kochen als bei einer gemischten Ernährung. Die Auswahl an veganen Fertiggerichten ist mittlerweile groß. Die meisten, die auf vegane Ernährung umsteigen, lernen allerdings kulinarisch dazu. Die Schwarzwald-Baar-vegan-Gruppe in Facebook dient unter anderem dem Rezeptaustausch. Da wird aus einem Kochmuffel schnell ein begeisterter Zubereiter. Ich würde sagen, dass das Selbst- und Frischkochen bei Veganern schon überproportional ist, vor allem bei Männern.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, vegan zu leben?

Bei mir war das ein schleichender Prozess. Ich habe in der Biobranche gearbeitet, und wir waren ständig auf der Suche nach der besten Tierhaltung. Dabei merkte ich, dass es da immer einen Haken gibt. Kein Konzept wird Mensch und Tier gleich gerecht. Ich habe dann viel mit veganen Firmen zusammengearbeitet und gemerkt, dass vegan sein viele Vorteile hat. Vor sechs Jahren habe ich mit veganer Ernährung angefangen, seit fünf Jahren konsequent.

Welche Vorteile sind das? Was ist Ihre Motivation hinter einem veganen Lebensstil?

Zum einen geht es um den ethischen Aspekt: Mitgefühl mit den Tieren, ein gewaltloses Leben, es geht um den Mensch selbst, den Planet und natürlich vor allem um das Leben der Tiere. Mit einer veganen Ernährung greife ich weniger in die Natur ein, und kein Tier stirbt nun mal freiwillig. Jeder Veganer hat eine andere Motivation. Die einen sagen, es geht ihnen um die Tiere, die anderen sagen, es gehe ihnen um die Gesundheit.

Wie ernährt man sich als Veganer möglichst gesund?

Eigentlich ist das ähnlich wie bei der "normalen" Ernährung. Viel Obst und Gemüse und vollwertig. Dann habe ich als Veganer nicht im besonderen darauf zu achten, Nährstoffe zu bekommen. Proteinlieferanten gibt es in der Natur genügend. Nur das Vitamin B12, das in Fleisch vorkommt, sollte von Veganern über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden. Wenn ich mich als Veganer so gesund, ausgeglichen und vollwertig ernähre wie Mischköstler, dann glaube ich, dass der Veganer gesünder abschneidet. Alle Nährstoffe sind überall enthalten. Anfangs macht man sich viele Gedanken über Nährstoffe, aber mit zunehmendem Wissen stellte sich bei mir diese Sorge ein.

Was macht eine vegane Lebensweise mit dem Körper?

Ich selbst merkte eine Veränderungen, dass ich keine Muskelkrämpfe mehr hatte. Alles andere ist nicht erwähnenswert. Aber man kann auch sehr ungesund vegan leben. Mittlerweile gibt es so viele leckere ungesunde und fettige vegane Sachen. Würde ich nicht Marathon laufen, wäre ich sicher um einiges dicker.

Ist es in einer ländlichen Gegend nicht schwieriger als in einer Großstadt, sich leicht vegan zu ernähren?

Ich kaufe hauptsächlich in Blumberg im Supermarkt ein. Die Auswahl an veganen Lebensmittel ist mittlerweile sogar in jedem Discounter sehr gut. Dinge wie Tofu oder Seitan sind zwar lecker, braucht man eigentlich aber nicht.

Wir haben es schon angeschnitten: Sie sind der Gründer der Facebook-Gruppe Schwarzwald-Baar-vegan. Welchen Zweck verfolgt die Gruppe?

Ich habe die Gruppe Ende 2013 gegründet. Mittlerweile hat sie annähernd 500 Mitglieder. Man tauscht sich unter Gleichgesinnten aus, die Gruppe ist geschlossen und somit nur für Leute mit ernsthaftem Interesse. Als Veganer wird man oft gemobbt oder in die Ecke gedrängt. Durch den Austausch gewinnen, die die es sich noch überlegen, Austausch und dadurch Rückhalt. Es gibt auch regelmäßige Treffen zum persönlichen Austausch, egal ob vegan oder nicht vegan. Ich koche dann immer für alle. In diesen Veggi-Treffs liegt der Ursprung der Gruppe. In der Regel sind es mindestens acht Leute, damit sich der Aufwand lohnt. Darunter sind viele Blumberger, aber auch viele, die extra 50 Kilometer Weg auf sich nehmen. Oft sind es die gleichen, manchmal kommen Neue dazu.

Ist es nicht furchtbar anstrengend, im Alltag vegan zu leben, beispielsweise, wenn man essen geht oder eingeladen ist?

Vegane Ernährung erscheint schwieriger und komplizierter, als es ist. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und je mehr man sich damit beschäftigt, desto normaler wird es. Für mich ist es nicht anstrengend, ich übe keinen Verzicht und fühle mich wohl. An Weihnachten gab es bei mir beispielsweise einen Braten aus Nüssen und Hülsenfrüchte. Auch aus Seitan, also Weizenfleisch, kann man leckere Braten machen. Klar gibt es in großen Städten mehr vegane Restaurants, aber das Angebot kommt immer von Nachfrage. Die Gastronomie stellt sich auch hier immer besser drauf ein. Allein in der Villinger Innenstadt fallen mir neun Lokalitäten ein, die mindestens ein veganes Gericht im Angebot haben. Man muss aber schon etwas Bescheid wissen. Es geht ja nicht darum, ob ich etwas nicht essen darf, sondern, dass ich es einfach nicht will. Bei Familienfesten oder beim gemeinsamen Essen gehen gibt es viele Möglichkeiten. Man muss sich eben darum kümmern. Klären, ob der Koch Rücksicht nehmen kann oder ob es irgendwie möglich ist, sein eigenes Essen mitzunehmen. Normalerweise ist es für Restaurants auch kein Problem, beispielsweise Salat nur mit Essig und Öl zu servieren. Immer mehr Gastronomen stellen sich darauf ein, man muss sich einfach trauen zu fragen.

Was sind so die gängigsten Vorurteile, mit denen Veganer zu kämpfen haben?

In der Regel ist es das Gefühl, das einem vermittelt wird, man sei ein Spinner. Viele haben eine Meinung aber keine Ahnung. Ich war früher auch einer von denen, daher habe ich dafür Verständnis.

Vegansein wird teilweise als eine Art Trend verstanden. Woher denken Sie kommt diese Denkweise?

Nein es ist kein Trend. Weil die Gründe sind so belastend. Ich denke, dass es jetzt mehr Veganer gibt, hängt auch mit dem Internet zusammen, mit dem Vernetzen. Ich glaube nicht, dass Angebot nur durch Nachfrage kommt, sondern das Angebot bestimmt auch die Nachfrage. Das Thema Vegan ist größer geworden, der Begriff wurde oft gegoogelt, es befassen sich mehr Menschen damit. Ich glaube, Vegan ist kein Hype, sondern ein Trend, der wachsen wird.

Ist es möglich, vollkommen vegan zu leben?

Ich glaube, das geht nicht. Das ist ein Totschlagargument. Selbst in Autoreifen und Zigarettenfilter sind tierische Stoffe, es landen so viele Insekten auf der Windschutzscheibe oder man zertritt aus Versehen Käfer. Aber das bedeutet nicht, dass es keinen Sinn macht, was ich tue. Jeder Schritt zählt.

Viele Nicht-Veganer stören sich daran, dass Veganer gerne missionieren. Wieso ist das so?

Wenn man vegan wird, ist das wie ein Aufwachprozess. Man möchte das weitersagen, und man läuft dabei Gefahr zu missionieren. Der Lebensstil hat so viele Vorteile, dass man andere gerne teilhaben lassen möchte. Aber Verurteilung von Fleischessern, finde ich, macht uns Veganer nicht beliebt.

War es anfangs schwer, vegan zu leben?

Alles ist anfangs schwer, aber es relativiert sich. Irgendwann geht es ins Blut über. Bei mir war es ein schleichender Prozess. 2005 hatte ich einen Bioladen, ich selbst war aber kein Veganer. Es wundert mich, dass es sechs Jahre gedauert hat, bis ich mich zu einem veganen Leben entschieden hab. Tatsächlich hatte es mit einer Art Ignoranz zu tun, die ich meinem damaligen Ich unterstelle. Aber die Menschen haben eben andere Prioritäten, man folgt immer seiner Aufmerksamkeit.

Welchen Tipp können Sie denen geben, die sich überlegen oder erst dazu entschlossen haben, sich vegan zu ernähren?

Wichtig ist, sich mit denen auszutauschen, die sich bereits vegan ernähren und Erfahrung haben. Dafür bieten sich auch Internetplattformen an oder Gruppen wie unsere. Am Ende ist es wie bei vielem anderen: Der Wille zählt. Wenn man voll dahinter steht, dann geht das von heute auf morgen. Andere machen das Schritt für Schritt. Anfangs waren beispielsweise Süßigkeiten für mich eine große Entbehrung. Heute, fünf Jahre später, gibt es eine große Auswahl veganer Süßigkeiten.  Die Fragen stellte Beate Müller