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Porträt / Gerhard Schempp lebt mit und für die Musik

Er liebt ursprüngliche und wahrhaftige Musik, er widmet sich dem Musizieren im dritten Lebensabschnitt und er hat mit seinen 68 Jahren noch viele Pläne: Gerhard Schempp ist ein leidenschaftlicher Gitarrist und mittlerweile auch Veeh-Harfenspieler mit Visionen.

Villingen-Schwenningen. Der gebürtige Reutlinger ist in Esslingen aufgewachsen und hat schon als Zwölfjähriger sein Herz an die Gitarre verloren. Zunächst Autodidakt, fand er in seiner Bundeswehrzeit den Kontakt zu einem Lehrer in Ulm, der ihm aufgrund seines Talentes dringend riet, dieses Instrument zu studieren.

Gesagt, getan – Gerhard Schempp ging an die Musikhochschule in Trossingen, schloss als Diplom-Musiklehrer ab und setzte vier Semester künstlerischer Ausbildung obenauf. Er war Mitbegründer der Jugendmusikschule in Trossingen, dort fand er auch seine erste Anstellung und wurde Fachbereichsleiter. 1977 kehrte er Trossingen den Rücken und eröffnete zusammen mit Peter Merz und seiner Frau Gaby Schatz-Schempp, eine Pianistin, die Villinger Gitarrenschule in der Färberstraße.

Fünf Jahre später erwarben die Schempps die Rietgasse 10, wo sich bis heute die "Musikschule am Franziskaner" befindet. Gerhard und Gaby Schempp gaben Unterricht und waren als Duo für Cembalo und Gitarre so gefragt, dass in dieser Zeit ein Agent ihre Auftritte koordinierte. Eigentlich würden die Schempps in ihrer Wahlheimat Schonach heute ihren Lebensabend genießen, doch das Schicksal wollte es anders. Als seine Frau vor drei Jahren starb, entschloss sich Gerhard Schempp nicht nur, die Musikschule in überschaubarer Größe weiterzuführen, er widmete sich außerdem verstärkt einer Leidenschaft, die beide Musiker vor rund zehn Jahren neu entdeckt hatten: die Veeh-Harfe.

Das an eine Akkordzither erinnernde Instrument, das man von der bayrischen Stubenmusik her kennt, hat der Würzburger Landwirt Hermann Veeh vor 40 Jahren für seinen am Down-Syndrom erkrankten Sohn erfunden. Mit diesem mit Saiten bespannten Brett können Menschen mit Behinderung, alte Menschen und auch absolute Laien schon nach einer Stunde musizieren – ein ungekanntes Erfolgserlebnis. "Die Veeh-Harfe ist musikalisch gesehen nach der Gitarre meine zweite Liebe", sagt Gerhard Schempp. 30 Jahre lang unterrichtete er an der Musikhochschule Trossingen die Methodik der Gitarre. Danach klopfte Gerhard Wolf, Leiter der Musikakademie VS, bei ihm an für die Mitwirkung im Bereich "Musik für den dritten Lebensabschnitt". Da Gerhard Schempp damit im Heilig-Geist-Spital beim wöchentlichen Musizieren mit den Bewohnern schon gute Erfahrungen gemacht hatte, sagte er sofort zu und widmet sich seither auch hier der Veeh-Harfe.

Schon vor acht Jahren hatte er mit der Herstellerfirma Kontakt aufgenommen und eine Unterrichtsgenehmigung erworben. Dank Schempps Engagement war der "Siegeszug" dieses außergewöhnlichen Instrumentes auch in Villingen-Schwenningen nicht mehr aufzuhalten. Das "Villinger Veeh-Harfen-Ensemble" entstand. Die Schablonenblätter, die man direkt unter die Saiten schiebt und damit sein Spiel immer im Blick hat, arrangiert Gerhard Schempp bereits selbst. Zunächst gedacht für einfache Volkslieder und Weisen, ist die Veeh-Harfe somit quasi konzertreif geworden. Selbst das C-Dur-Prludium von Bach lässt sich – freilich nur von Könnern wie Schempp – darauf spielen. Und das beeindruckt und begeistert den Vollblutmusiker, der trotz allem besonders die Einfachheit dieser Harfe schätzt und die Möglichkeit, die sie bietet, die Musik auch den Menschen nahe zu bringen, die sich bisher für unmusikalisch oder untalentiert hielten. "Es ist jedes Mal ergreifend", sagt er über die Momente, wenn eine kleine Gruppe Harfenisten "Der Mond ist aufgegangen" zupft und das Publikum dazu singt.

Seine neue Leidenschaft treibt Blüten. So hat er über soziale Medien eine Schriftstellerin und Veeh-Harfenistin kennengelernt, mit der er eine musikalische Lesung plant. Sehr gerne würde Gerhard Schempp – besonders nach dem großen Erfolg eines Veeh-Harfen-Wochenendes Anfang Juni, nach dem 14 neue Schüler vor seiner Tür standen – zum einen sein kleines Orchester vergrößern und zum anderen monatliche Spielnachmittage für Senioren durchführen. Vom sozialen Nutzen solcher Treffen ist der Musikpädagoge überzeugt und er hat auch schon nach einem Raum für rund 20 Harfenisten Ausschau gehalten – bisher allerdings vergeblich. Gerhard Schempp lebt in Schonach und wenn er nicht gerade musiziert, Erweiterungspläne für seine Musikschule schmiedet oder Zeit mit seinen zwei Kindern und drei Enkeln verbringt, ist er ein leidenschaftlicher Motorradfahrer. Mit seiner Frau als Sozia hat er halb Europa erkundet. Inzwischen sind die Ausfahrten mit seinem Freund allerdings kürzer geworden. "Ich muss mir schließlich nichts mehr beweisen"