Auch wenn es vor Gericht einen Freispruch gibt, haben Beteiligte mit Folgen länger zu kämpfen. Foto: © hamKC – stock.adobe.com

"Freispruch de luxe" eher Ausnahme. Häufiger enden Verhandlungen mit Freispruch aus Mangel an Beweisen.

Villingen-Schwenningen - Wie geht es Menschen, die zu Unrecht auf der Anklagebank sitzen? Wie häufig kommt es vor, dass Vorwürfe wie Lügenblasen platzen? Richter wissen, wie oft gelogen und wie selten Angeklagte mit einem Freispruch de luxe verabschiedet werden. Meist bleibt an der weißen Weste etwas hängen.

Elf Monate lang beteuert eine alte Dame ihre Unschuld, auch im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Elf Monate lang sieht sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, eínem Kind Kratzer im Gesicht zugefügt zu haben. Noch vor der Hauptverhandlung gibt der Junge zu, dass alles gelogen war und er die Kratzer-Geschichte frei erfunden hatte. Die Sache endete vor kurzem mit einem Freispruch "de luxe" für die Frau.

Der Freispruch de luxe, das ist jedoch eher die Ausnahme als die Regel vor Gerichten. Weit häufiger enden Verhandlungen mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen. Der Grundsatz in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten – bedeutet, dass im Strafprozess ein Angeklagter nicht verurteilt werden darf, wenn Zweifel an seiner Schuld verbleiben. "Das ist im Falle eines Freispruchs eigentlich die Regel", erzählt ein mittlerweile pensionierter Richter aus der Region. Ein noch aktiver Kollege, der viele Jahre als Staatsanwalt und Strafrichter gearbeitet hat, schließt sich diesem Urteil an.

Die Prozess-Hürden

Um das juristische Prozedere mit Anklage und Strafbefehl in Gang zu setzen, so die beiden Juristen im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, reiche ein hinreichender Tatverdacht. Erst die Hauptverhandlung zeige, ob man Angeklagte überführen könne oder nicht. Zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommt es dann, wenn für das Gericht nach vorläufiger, anhand der Aktenlage erfolgter Würdigung aller Beweismittel, insbesondere der Zeugenaussagen, eine Verurteilung wahrscheinlicher als ein Freispruch erscheint.

Belastende Märchen

Wird in den ehrwürdigen Gerichtssälen wirklich so oft gelogen, dass sich die Balken biegen und damit Unschuldige an den Pranger gestellt? "Das kommt häufiger vor, als man sich das gemeinhin so vorstellt", beobachtet der langjährige Richter. Die Liste der Verfahrens-Märchen sei lang: Mal sehen sich Väter bei einem problematischen Scheidungs- und in Folge davon Sorgerechtsverfahren plötzlich Vorwürfen der Ex-Frau in spe ausgesetzt, die Kinder angeblich sexuell missbraucht zu haben; mal werden Männer zu Unrecht der Vergewaltigung bezichtigt, die sie nie begangen haben, verweist er auf eines der prominentesten Beispiele in der deutschen Justizgeschichte, den Fall Kachelmann.

Mal werden Frauen falschen Verdächtigungen ausgesetzt, um sie zu schädigen. "Gerade in solch heiklen Fällen kann ein Mensch durch solche Falschaussagen ruiniert werden, ob er später freigesprochen wird oder nicht."

Wie geht es der älteren Frau heute, die sich elf lange Monate mit dem Vorwurf der Körperverletzung konfrontiert sah? "Allmählich kapiere ich es, dass diese schreckliche Sache endlich vorbei ist." So schnell werde sie das jedoch nicht wegstecken: "Was man mit einer falschen Aussage anrichten kann...."

Hartnäckigkeit lohnt sich

Wie sehr falsche Vorwürfe an Mandanten nagen können, das weiß auch der Villinger Anwalt Hartung Schreiber nur zu genau. "Es ist belastend, wenn man unschuldig in das polizeiliche Prozedere gerät und noch dazu einige Zeit später auf der Anlagebank sitzt." Wichtig und richtig sei es gewesen, dass, Angeklagte, "die sich keiner Schuld bewusst sind, bei ihrer Aussage bleiben. Ob Freispruch de luxe oder Freispruch aus Mangel an Beweisen: Die Betroffenen stecken die Anschuldigungen nicht so leicht weg, beobachten die Juristen. Etwas bleibe immer hängen, "je nachdem wie der Prozess läuft". Es komme vor allem darauf an, wie Richter den Freispruch in ihrem Urteil formulieren. Wie man es dreht oder wendet: "An der einst so weißen Weste bleibt meist etwas hängen."

Juristisches Nachspiel

Wenn Vorwürfe vor Gericht wie Butter in der Sonne zerschmelzen: Gibt es dann ein juristisches Nachspiel für denjenigen, der die Lawine auslöst? Das Strafgesetzbuch sieht den Paragraphen 164 greifen und damit den Tatbestand der "falschen Verdächtigung".

Brenzlig wird es aber nur, wenn Erwachsene die Vorwürfe "besseres Wissens" bei Behörden wie der Polizei erheben und dadurch Unschuldige vor den Kadi gezerrt werden. Brenzlig und teuer. Dann muss der "Kläger" möglicherweise die Kosten des Verfahrens übernehmen.