Die Sparkassenvorstände Arendt Gruben (links) und Florian Klausmann (rechts), begrüßen in der vollbesetzten Neuen Tonhalle in ­Villingen den Glücksforscher Bernd Raffelhüschen (Zweiter von links) und Oberbürgermeister Jürgen Roth. Foto: Heinig Foto: Schwarzwälder Bote

Gesellschaft: Bernd Raffelhüschen spricht auf Einladung der Sparkasse Schwarzwald-Baar über das Glück

Seit 2011 erscheint jährlich der deutsche "Glücksatlas". Bernd Raffelhüschen, norddeutscher Forscher an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, ermittelt dafür empirisch, wie zufrieden die Deutschen leben. Und er räumt mit einem Vorurteil auf: Trotz "Krisen" ging es uns noch nie so gut wie heute.

VS-Villingen. Raffelhüschen nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er für die Sparkasse Schwarzwald-Baar in der mit 900 Zuhörern voll besetzten Neuen Tonhalle in Villingen über die vier "Gs" spricht, über Erschwinglichkeitsindikatoren, Damenfrisuren und davon, dass die zur Zeit beklagten Kostenexplosionen in manchen Bereichen "völliger Blödsinn" sind.

Über die Damenfrisur

Doch der Reihe nach: Ökonomen rechnen das "Glück" schon seit 300 Jahren aus und verbanden es lange Zeit mit der Höhe des Bruttoinlandsproduktes. Das hat sich in Gesamtdeutschland seit 1990 fast verdoppelt. Es stehe in jedem statistischen Jahrbuch, sagt Raffelhüschen: Uns ging es noch nie so gut wie heute. Gemessen an der Zeit, die ein Mensch aufwenden muss, um ein Produkt zu erwerben, dem sogenannten Erschwinglichkeitsindikator, gebe es unter Berücksichtigung der Preis- und Lohnveränderungen kein einziges, für das man heute länger arbeiten müsse. Nur ein einziges sei ähnlich teuer wie in den 1960er-Jahren: die Damenfrisur.

Die Medien machte Raffelhüschen verantwortlich für die gleichwohl herrschende Krisenstimmung. Was nach dem Zweiten Weltkrieg als "Wirtschaftswunder" gefeiert wurde, wiederholte sich um 2008, hieß da aber "Finanzkrise", rüffelte er. Vor 50 Jahren gab der Durchschnittsdeutsche ein Drittel seines Nettomonatseinkommens für Miete aus. Laut statistischem Jahrbuch ist derzeit Freiburg die Stadt, in der die Menschen 31,4 Prozent ihres Lohnes für das Wohnen bezahlen – der Spitzenwert. In Osterode im Harz sind es gerade einmal acht Prozent, im deutschen Durchschnitt rund 20. Gesprochen werde aber von einer "Mietpreisexplosion", wundert sich Raffelhüschen.

Über die vier "Gs"

Materiell gesehen geht es den Menschen heute besser denn je. Sind sie deshalb aber glücklicher? Nein. Daher mussten andere, nicht materialistisch orientierte Messungen her. 40 000 repräsentativ ausgewählte Menschen beantworten den Glücksforschern seit 1983 alljährlich mehr als 400 Fragen. Daraus ergaben sich die vier "Gs", die Themenblöcke, mit der sich laut Forschung Glück definieren lässt und auf deren Mischung es ankommt: Gesundheit, Gemeinschaft, Geld und die genetische Disposition.

Fundament für das Glücklichsein sei die Gesundheit, die subjektive, denn auch kranke Menschen können mit ihrem Zustand zufrieden sein, hat Raffelhüschen festgestellt. G wie Gemeinschaft – Partner, Familie, Freunde – führen zur Zufriedenheit. Die höchste empfinden laut Statistik noch vor den Verheirateten Verwitwete mit neuem Partner.

Macht Geld glücklich?

Die Aussage der Großeltern, Geld mache nicht glücklich, "stimmt nicht", sagt der Forscher. Je mehr man davon habe, desto geringer werde durch einen Zuwachs allerdings der Nutzen für das Glück.

Bleibt die genetische Disposition, jene unerklärbare Restgröße, die die Forscher auch das "weiße Rauschen" nennen. Seit Erscheinen des Glücksatlas liegen die Schleswig-Holsteiner unangefochten an erster Stelle. Im europäischen Vergleich sind es seit vielen Jahren die Dänen. Die räumliche Nähe der beiden Volksgruppen weckt in den Forschern den Verdacht einer Mentalitätsverwandschaft. In seiner norddeutschen Heimat mache man es sich gerne schön, sagt er und sehe ein halb leeres Glas als halbvoll an. In Dänemark werden Freunde mit einer Floskel verabschiedet, die so viel bedeutet wie "Mach es dir gemütlich".

Übrigens: 2018 lagen die Badener im Glücksatlas auf Rang sechs, die Württemberger nahmen den elften Platz auf der Zufriedenheitsskala der Bundesländer ein.