Engagement: Mahnwache erinnert an Fluchthilfe für Juden im Zweiten Weltkrieg

VS-Schwenningen. Der Verein "Pro Stolpersteine Villingen-Schwenningen" hält am Sonntag, 20. Januar, ab 19 Uhr eine Mahnwache auf dem Muslenplatz in Schwenningen ab. Das Thema lautet "Stille Helden: Fluchthilfe aus der evangelischen Kirchengemeinde".

Mit dieser Mahnwache will der Verein laut Mitteilung daran erinnern, dass – obwohl in der Stadt während des Zweiten Weltkriegs kaum Juden lebten – die evangelische Kirchengemeinde auf teils dramatische Weise mit den Auswirkungen der NS-Judenpolitik konfrontiert wurde. Ein Zeitzeuge berichtet, wie sich die Kirche an Hilfsaktionen zur Rettung untergetauchter Juden beteiligte.

Eine relativ kleine Gruppe der evangelischen Kirchengemeinde Schwenningen hatte sich 1942 bis 1944 entschlossen, Menschen jüdischer Abstammung, die durch den Nationalsozialismus in ihrer Heimat Berlin bedroht waren, auf ihrem vorgesehenen Fluchtweg Richtung Schweiz zu helfen. Die Bitte dafür kam von einer evangelischen Kirchengemeinde aus Berlin, wie es weiter heißt.

Schwenninger Familien gehen hohes Risiko ein

Unter anderem halfen die Familien Pfäffle, Linsenmaier, Strohm, Müller, Benzing, Kaiser und Doktor Kohle, sowie Pfarrer Schäfer (Pauluskirche) und die damalige Vikarin Margarete Hoffer zusammen mit Pfarrfrau Liselotte Kurz (Johanneskirche). Dabei wurde es zuerst einmal nötig, die Flüchtlinge in Schwenningen unterzubringen und zwar so, dass niemand etwas davon erfuhr. Zu groß war die Gefahr, erwischt zu werden. Aus diesem Grund benutzte die Helfergruppe keine Namen, sondern nur verschlüsselte Hausnummern. So wurde etwa die Hegelstraße 72 als "6723" bezeichnet.

Die jüdischen Flüchtlinge kamen einzeln, wenn überhaupt, in Schwenningen oder an einem Bahnhof in der Nähe an. In der Stadt wurden sie in die jeweiligen zuvor bestimmten Helferfamilien aufgenommen. Dies war jeweils immer nur wenige Tage möglich. In Ausnahmefällen fanden sie eine längere Unterkunft nur im Gemeindehaus der Johanneskirche. An der Schweizer Grenze wurde nach Wegen gesucht, um unkontrolliert hinüber zu gelangen. Die Grenzen wurden scharf kontrolliert, es bestand höchstes Risiko. Bei "Familienwanderungen" wurde nach Schlupflöchern gesucht.

Schmuggel im Lastwagen mit Schuhlieferung

Eine Ausnahmemöglichkeit gab es noch, Flüchtlinge ab und an auf einem Lastwagen zu schmuggeln, der mit Schuhen beladen wurde, die aus Schwenningen in die Schweiz geliefert wurden. Da es sich bei der Lieferung um Polizei-und Militärschuhen handelte, war die Gefahr einer Kontrolle nicht so groß wie üblich.