Zahlreiche Menschen bezogen bei der Gemeinderatssitzung am Mittwoch Position für die Aktion Stolpersteine, hatten symbolisch Steine mit Namen von jüdischen Opfern des Nazi-Regimes mitgebracht und weitere Informationen zusammengetragen. Foto: Eich

Initiatoren der Debatte über Kunstprojekt in Villingen-Schwenningen äußern Unverständnis für Gemeinderatsbeschluss.

Villingen-Schwenningen - Trauer und Enttäuschung, aber auch Wut und Empörung, das sind die Gefühle, die bei Befürwortern der Stolperstein-Aktion am Tag nach der Ablehnung im Gemeinderat herrschen. Einige sind sprachlos, müssen die knappe Entscheidung verdauen und sich überlegen, wie es weitergehen könnte. Dass das Thema damit nicht abgehakt ist, war von vielen Seiten zu hören.Mit 18 Nein-Stimmen aus den Fraktionen der CDU und der Freien Wähler hatte der Gemeinderat die von den 16 Kommunalpolitikern von SPD, Grünen und FDP begrüßte Verlegung von Stolpersteinen erneut abgeblockt.

Unverständnis herrscht gerade bei den Pfarrern aus der Doppelstadt, die in einer ökumenischen Aktion gemeinsam die Initiative für die Verlegung von Stolpersteinen zum Gedenken an die jüdischen Opfer der Nazi-Diktatur wieder ergriffen, nachdem der Gemeinderat dies 2004 verhindert hatte. Da sich am 9. November die Reichspogromnacht zum 75. Mal jährte, hätten er und seine Kollegen die Diskussion fernab von Parteigrenzen in Gang bringen wollen, betont Dekan Josef Fischer, Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Villingen.

Er habe durchaus Hoffnung gehabt und nicht damit gerechnet, wie festgefahren die Verhältnisse seien. "Es ist eine demokratische Entscheidung, die ich akzeptieren muss, aber ich bin sehr enttäuscht", gibt er zu. Zumal der Gemeinderat gar nicht selbst hätte handeln, sondern nur das Verlegen der Steine erlauben müssen. Sicher ist er sich, dass er mit seinen vier Pfarrerkollegen an dem Thema dran bleibt. In welche Richtung der Weg führe, sei noch unklar. "Ich muss erst noch Trauerarbeit leisten und die Enttäuschung verarbeiten", stellt der Dekan fest. Die Gründung einer Art Bürgerinitiative einzuleiten, sei nicht seine Rolle als Pfarrer. Aber die Verpflichtung zum Gedenken gerate nicht in Vergessenheit, das sei auch mit sein Auftrag.

Zur Menschlichkeit mahnen, erinnern und gedenken, das ist auch für Frank Banse, geschäftsführender Pfarrer an der evangelischen Stadtkirche in Schwenningen, eine ureigene Aufgabe der Kirche. "Es war ein schwarzer Tag für unsere Stadt", kommentierte er so die Entscheidung des Gemeinderats. Da sei es um etwas anderes als die Stolpersteine gegangen, ist er sich sicher. "Es ist traurig, dass nicht über Sachthemen abgestimmt wird." Denn den Argumenten der Befürworter habe sich keiner "mit klarem Kopf und offenem Herzen" verschließen können. "Ich hoffe, dass die Bürger bei der nächsten Gemeinderatswahl ihren Willen kundtun und wissen, wo sie das Kreuz machen. Denn es war klar, welche Meinung herrscht." Wie es weitergeht in Sachen Stolpersteine, lasse sich noch nicht abschätzen. "Aber wir fünf Pfarrer bleiben ein waches Gewissen unserer Stadt", unterstreicht Banse.

Das Schicksal der Opfer des Nazi-Terrors rufen jetzt Steine im Münster ins Gedächtnis: Eine Gruppe um Tobias Aldinger, Pastoralreferent der katholischen Seelsorgeeinheit, hatte für die Sitzung Steine sowohl mit den Namen von ermordeten Juden aus Villingen als auch ohne Namen stellvertretend für viele unbekannte Opfer mitgebracht und legte sie dann in der Kirche ab. "Wir wollten nicht provozieren oder demonstrieren, aber eindeutig Position beziehen", erklärt Aldinger. "Wie man trotz der vielen sinnvollen Argumente dagegen stimmen konnte, leuchtet mir nicht ein." Auch für ihn hört der Einsatz für eine Erinnerungskultur mit dem Beschluss nicht auf. Er sei da durchaus offen für Alternativen. Aber eine Stele an einem Ort ersetze nicht die Stolpersteine mit ihren vielfältigen Möglichkeiten zur Aufarbeitung der Vergangenheit. Dass der Gemeinderat dies abgelehnt habe, stimme ihn "empört und enttäuscht". Viele Gemeinderäte hätten wohl das Begehren der Bürger nicht wahrgenommen.