Stehen hinter der Entscheidung, die Demonstrationen am verkaufsoffenen Sonntag in Villingen zu verbieten (von links): die beiden Dekane Wolfgang Rüter-Ebel und Josef Fischer, Oberbürgermeister Rupert Kubon und Landrat Sven Hinterseh. Foto: Zieglwalner Foto: Schwarzwälder-Bote

Sicherheit bei verkaufsoffenem Sonntag gefährdet. Handel froh über Entscheidung. Sbh-Gida kündigt Widerspruch an.

Villingen-Schwenningen - Ein Machtwort hat Oberbürgermeister Rupert Kubon am Donnerstag gesprochen: Wegen des verkaufsoffenen Sonntags am 19. April sind alle Demonstrationen in der Villinger Innenstadt verboten, ob die Kundgebung von Sbh-Gida auf dem Münsterplatz oder die Protestaktion des Antifaschistischen Treffens. Die Islamgegner haben derweil rechtliche Schritte gegen das Verbot angekündigt.

Die Erleichterung war gestern allen ins Gesicht geschrieben, als Kubon bei einer Pressekonferenz im Schulterschluss mit Landrat Sven Hinterseh sowie den Dekanen Josef Fischer von der katholischen Kirche und dessen evangelischem Kollegen Wolfgang Rüter-Ebel im Rathaus diese Entscheidung bekannt gab. Er habe sich den Beschluss nicht einfach gemacht, zumal es innerhalb der Verwaltung lange und kontroverse Diskussionen gegeben habe. Wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung wegen des Aufzuges unmittelbar gefährdet sei, stehe ihm nach dem Versammlungsgesetz zu, eine solche Verfügung zu erlassen, erläuterte Kubon die rechtliche Grundlage. Und dies ist für ihn der Fall, denn der mit dem Kindersonntag verbundene Aktionstag der Händler ziehe tausende von Menschen an.

Gerade auch angesichts der aufgeheizten Stimmung, die sich bei den vergangenen Aufmärschen der Pegida und den Gegendemonstrationen der Antifa aufgebaut habe, seien der Kindersonntag mit der Olympiade oder die Auftritte der Puppenbühne und des Zirkusses gefährdet. Zudem sei mit weiteren Eskalationen durch den Hauptredner Michael Stürzenberger zu rechnen, der unter anderem bei der Gruppe Hooligans gegen Salafisten aufgetreten sei. Prinzipiell befasse er sich gerade mit Kollegen aus ganz Baden-Württemberg, allen voran mit dem Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup, der ebenso wie er mit den Aufmärschen der Pegida zu kämpfen hat, inwieweit der hohe Aufwand und die Kosten durch das Versammlungsrecht gerechtfertigt seien.

Kubon bezog jedoch ebenso wie seine Mitstreiter politisch Stellung: "Pegida ist aus unserer Sicht gescheitert", lautet seine Einschätzung, da sich die Zahl von 50 bis 70 Demonstranten nie vergrößert habe und höchstens ein Drittel davon überhaupt aus der Doppelstadt stamme. Die Bewegung finde keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Villingen-Schwenningen sei seit jeher von Zuwanderung und damit von Einflüssen anderer Kulturen geprägt gewesen, auch die Hochschule mit den Studenten aus aller Herren Länder bereichere das Leben in der Stadt. "Wer mit beiden Füßen auf dem Boden steht und in seinen Wurzeln ruht, ist offen für Fremdes", nannte Kubon sein Leitmotiv.

"Pegida versucht, etwas zu schüren, was es in der Mitte der Gesellschaft nicht gibt", schilderte Hinterseh seine Beobachtung. Es sei erstaunlich, wie viele Bürger sich für die Flüchtlinge ehrenamtlich engagieren. Gerade wegen der guten Zusammenarbeit mit der Stadt bei der Unterbringung dieser Menschen stelle er sich hinter Kubon und zolle ihm Respekt für die Entscheidung. "Es ist hochanständig, seine Stimme gegen Pegida zu erheben", fand auch der Landrat klare Worte.

Die evangelische wie die katholische Kirche seien seit langem in der Arbeit mit Flüchtlingen engagiert und hätten sich auch gleich beim Aufkommen der islamfeindlichen Bewegung in der Region mit anderen im No-Pegida-Bündnis vernetzt, erklärte Rüter-Ebel, der ebenso wie Fischer die guten Kontakte zur muslimischen Gemeinschaft herausstellte. Besonders ärgert sich Fischer über die Vereinnahmung des Begriffs Abendlands, das eben nicht nur christlich, sondern über Jahrtausende hinweg im Austausch mit dem Osten gestanden sei. "Wir treten für eine offene Gesellschaft ein", unterstrich er, "wir sind jedoch nicht blind gegenüber fundamentalistischen Auswüchsen". Und es könne nicht sein, dass Gläubige wegen der Kundgebungen an einem Sonntagnachmittag nur durch drei Polizeisperren hindurch ins Münster kommen zu können. Die Erzdiözese Freiburg habe ihm Unterstützung zugesagt, den störenfreien Kirchenbesuch zu ermöglichen.

Dass durch das Verbot der verkaufsoffene Sonntag ohne Einschränkungen über die Bühne gehen kann, freute Rainer Böck und Tanja Broghammer von der Sparte Handel und Gewerbe Villingen im Gewerbeverbands Oberzentrum (GVO), die beide die Bemühungen des Oberbürgermeisters und die gute Zusammenarbeit lobten. Seit drei Monaten organisiere er den Kindersonntag, es könne nicht sein, dass ihn ein paar Chaoten verhindern, brachte es Böck auf den Punkt. "Eine Minderheit kann nicht die Mehrheit in Griff bekommen", betonte Tanja Broghammer. Ein Grund, weshalb der Handel seinen Aktionstag nicht habe absagen wollen.

Dass Sbh-Gida diesen Sonntag bewusst gewählt habe, um eine Plattform zu bekommen, stellte Kubon fest. Er habe mit den Organisatoren über örtliche und zeitliche Alternativen diskutiert, die sie abgelehnt hätten. Ihr klares Ziel sei der Münsterplatz am Sonntag gewesen. Inzwischen habe die Stadt erfahren, dass die Organisatoren beim Verwaltungsgericht Freiburg einen Eilantrag zur Aufhebung des Demonstrationsverbots mündlich angekündigt haben, teilte Pressesprecher Nicolas Lutterbach gestern am Spätnachmittag mit. Mit einer Entscheidung des Gerichts sei möglicherweise bereits heute im Laufe des Tages zu rechnen.

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