Die Verschärfung der Sperrzeiten in der Färberstraße wird diskutiert. Foto: © ANGHI – stockadobe.com

Diskussion um Verschärfung der Öffnungszeiten. Gebeutelte Gastronomie erneut ausgebremst. 

Villingen-Schwenningen - Die Kneipen machen wieder früher zu und dann ist alles gut, vor allem in der seit Jahren mit Ärgernissen gepflasterten Kneipenmeile? Nicht nur Wirte sind verärgert, dass eine Verschärfung es richten soll. "Sollen wir alle wegen einzelnen, die ihren Job nicht richtig machen, abgestraft werden und leiden?", so der Tenor.

Färberstraße: Eine Bar ist erstmal zu

Kaum ist die Nachricht in den sozialen Medien und in den Lokalen der Stadt angekommen, schäumen viele. Ärger und Enttäuschung entladen sich darüber, dass die Stadt nach einem Treffen mit Anwohnern der Färberstraße an eine Verschärfung der Sperrzeiten denkt und eine entsprechende dem Gemeinderat im September vorlegen will. Für SPD-Chef Nicola Schurr ist die Nachricht von einer angedachten Verlängerung der Sperrzeiten in VS so unglaublich, dass er sich rückversichert, ob das wirklich sein könne.

Amüsiert ist anders. Kommunalpolitiker Schurr wird deutlich: "Es kann und darf nicht sein, dass durch dieses Fehlverhalten weniger die restliche Gastronomieszene der Doppelstadt, Einbußen und kürzere Öffnungszeiten hinnehmen muss." Als Gemeinderatsmitglied werde er gegen den Vorschlag stimmen. Bertold Ummenhofer (Freie Wähler) stimmt in diese Kritik mit ein, auch von ihm kommt ein klares Nein. Für Geschäftsmann Gunnar Frey ist dieser Vorstoß völlig überzogen. "Ich nehme die Anliegen der Anwohner sehr ernst, weil ich mich da aus eigener Erfahrung ganz gut reindenken kann. Aber was können denn die anderen Gastronomen dafür, die einen guten Job machen?" Der Vorschlag sei nicht nachzuvollziehen. Zurzeit ist an Wochenenden um 5 Uhr Schluss.

An der Realität vorbei

Für ordentlich Frust und Verärgerung sorgt das Thema auch hinter den Theken. Domenico Wittkopf, Chef im Ott: "Das ist eine Unverschämtheit vor dem Herrn, nur weil man zwei Kneipenbetreiber nicht in den Griff bekommt." Der Gastronom zweifelt zudem am Sinn einer Verschärfung: Ob die Leute um 2, 3 oder 5 Uhr morgens grölen, pöbeln, schlägern oder sich daneben benehmen, "das spielt doch keine Rolle. Wir haben hier zum Teil die falschen Leute in der Straße, das ist das Problem."

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Völlig an der Realität vorbei ist der Gedanke auch für Jan Christoph Uhl (Expressguthalle). Gegen 3 Uhr oder auch früher seien die Lokale noch brechend voll. "Dann die Leute nach Hause und auf die Straße schicken?" Da sei Stress nicht nur programmiert, "das macht alles noch viel schlimmer". Von einer Wettbewerbsverzerrung mal ganz abgesehen, da Kneipen und Lokale in anderen Städten länger öffnen.

Auch Michael Steiger nimmt verärgert die Nachricht auf. Der Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Schwarzwald-Baar-Kreis fragt sich: "Müssen wegen zwei Gaststätten, die aus der Reihe tanzen, die Sperrzeiten geändert werden? Ist das das einzige probate Mittel? Müssen jetzt alle leiden?" Steiger stellt einen Kompromissvorschlag zur Diskussion. Die Wirte in der Färberstraße dürfen künftig eine Stunde länger draußen bewirten und damit bis 23 Uhr. Dadurch gebe es eine Gleichbehandlung in der Stadt. Falls Änderungen der Sperrzeiten im Herbst im Fokus stehen, könnte man sich doch über mögliche Schließungs-Gleitzeiten unterhalten: Letztes Bier um 3 Uhr oder 3.30 Uhr und eine halbe Stunde später gehen dann definitiv die Lichter aus. Ähnlich argumentiert Wittkopf. Wenn an der Sperrzeitenregelung gedreht werden solle, dann auch in Bezug auf die Außenbewirtschaftung, "dass wir hier in der Färberstraße so lange draußen wirten können wie alle anderen in der Stadt".

Jeder Strohhalm recht

Wie sehr und vor allem wie lange viele Anwohner aus der Färberstraße schon unter Lärm, Stress und lautstarken Auseinandersetzungen in Teilen der Kneipenmeile leiden und wie groß der Frust mittlerweile ist, wird in vielen Gesprächen und Telefonaten deutlich. Anwohner können sich durchaus in die vielen Gastronomen hineinversetzen, die ihren Job korrekt und gut machen. "Natürlich kann eine allgemeine Bestrafung, wie es genannt wird, nicht die Lösung sein. Doch wenn dir immer nur gesagt wird, was nicht geht, dann klammerst du dich an jeden Strohhalm", schreibt Stefan E. in den sozialen Netzwerken.

Ein weiterer Anwohner sieht nur in der Sperrzeitenänderung die Lösung. Wenn um 2 Uhr Schluss sei, seien mehr personelle Kapazitäten vorhanden, um die Kontrollen zu verstärken, spielt er darauf an, dass die Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes nur bis 2.30 Uhr am Wochenende im Einsatz seien. "Es kommt doch keiner, wenn ich anrufe, wenn es wieder laut ist."

Anwohner können nicht schlafen, weil um 4 Uhr die Hölle los ist? Und keiner kommt? Diese Aussage möchte Sandra Kratzer von der Pressestelle im Polizeipräsidium so nicht stehen lassen. Sicher gebe es Nächte, an denen abzuwägen sei, ob man zu einer Schlägerei, einem Unfall fahre oder eben zu einer Ruhestörung. "Doch in der Regel gehen wir solchen Anzeigen nach." Dem ist auch von Oxana Brunner (Pressestelle der Stadt) nichts hinzuzufügen.

Kommentar: Schnellschuss

Was passiert mit Rabauken, die  im Landschulheim Regeln ignorieren? Richtig: Die werden nach Hause geschickt und nicht etwa die gesamte Schulklasse. Mit dem neuesten Vorstoß zu den Sperrzeiten würde aber genau das geschehen. Nach den Dauer-Ärgernissen in der Färberstraße sollen, so die Idee, nun alle VS-Lokale wieder früher schließen. Ganz schön ungerecht, denn durch einen solchen Beschluss im Gemeinderat würde man die meisten Wirte, die in der Stadt einen klasse Job machen, nach dem Gießkannenprinzip abstrafen. Eine solche Verschärfung wäre nicht nur unfair, sondern auch sinnlos. Wenn das Krawallvolk aus den Lokalen geworfen wird, solange noch der Bär steppt, wird es draußen sicher nicht ruhiger. Ohnehin ist es kein guter Stil, wenn die durch die Krise schwer gebeutelte Gastronomie erneut ausgebremst wird. Sensibel geht anders.