In gleicher Reihenfolge wie auf dem Wahlzettel sitzen die OB-Kandidaten auf dem Podium. Foto: Eich

Stadt stellt klare Spielregeln auf. Nur 400 Besucher kommen zur offiziellen Bewerbervorstellung.

Villingen-Schwenningen - Die Spielregeln waren klar, die Stopp-Uhr lief, und fünf Kandidaten versuchten, die Minuten effektiv zu nutzen, um in kurzer Zeit Wähler zu gewinnen. Bei der offiziellen Bewerbervorstellung der Stadt ging es Schlag auf Schlag.

Anfangs waren sie noch zu sechst in der Polizeihochschule: Jörg Röber, Marina Kloiber-Jung, Jürgen Roth, Gaetano Cristilli, Fridi Miller und Cem Yaziki (Jam von der Linde), doch Letztgenannter musste wegen einer starken Erkältung das Handtuch werfen, noch ehe es begann. Auf Standup-Comedy, made bei Jam von der Linde, also musste verzichtet werden. Doch Dauerkandidatin Fridi Miller gab dafür alles und sorgte ihrerseits für viele Lacher und gute Laune im Publikum.

Eine Spaßveranstaltung aber war die Kandidatenvorstellung nicht. Im Gegenteil: Ein klares, unbestechliches Regelwerk lag ihr zugrunde, von Moderator und OB Rupert Kubon eingangs im Detail erklärt. Die Spielregeln gingen sogar so weit, dass die Kandidaten hinter der Bühne, abgeschirmt warten mussten, bis die Redezeit eines jeden gekommen war – wegen des Livestreams im Internet erfolgte das unter Beobachtung. Auch die Sechs-Minuten-Vorstellung der Konkurrenz konnten sie nicht miterleben.

Wie unterschiedlich sechs Minuten ausfallen können, wurde schnell deutlich: Gemäß Reihenfolge auf dem Stimmzettel machte Jörg Röber den Anfang. Er freute sich auch angesichts der nur rund 400 Zuhörer im für 1200 Personen gestuhlten Raum, dass die Villingen-Schwenninger "so zahlreich erschienen sind, um mich kennenzulernen". Rhetorisch ausgefeilt ließ er seine Vita Revue passieren und setzte fünf Schwerpunkte: Straßen und ÖPNV, Wirtschaftsförderung, Stärkung der Innenstädte und das Zusammenleben in VS. "Wir leben in einer großartigen Stadt", dieses Potenzial wolle er heben und entwickeln.

Im krassen Gegensatz dazu zeichnete Marina Kloiber-Jung Minuten später das Bild einer Doppelstadt, in der "vieles im Argen" liege, aufgeräumt werden müsse – was sie könne. Und unter ihre Top Drei – Infrastruktur, Zeitgemäßes Umdenken in der Verwaltung und Ausbau der Marke VS – packte sie ein riesiges Füllhorn möglicher Aufgaben einer Oberbürgermeisterin.

Es menschelte auch mal auf dem Podium. Doch seine anfängliche Aufregung hatte Jürgen Roth bald im Griff. Und dann warf er vor allem seine Erfahrung in die Waagschale. "Bürgermeister kann man nicht studieren, das lernt man", so der seit 15 Jahren amtierende Bürgermeister Tuningens, der mit Know-how und seinem Netzwerk für die Aufgaben in VS von Schlaglöchern über fehlende Kita-Plätze bis hin zu einer dienstleistungsorientierten Verwaltung "attraktive Lösungen" unterbreiten will. Dann bat der von den Schwarzen unterstützte Kandidat "um Ihre Stimme, auch wenn Sie das erste Mal Roth wählen müssen".

Auf Authentizität setzte Gaetano Cristilli. Frei von der Leber weg plauderte er von seinem über 30-jährigen Wunsch, Oberbürgermeister zu werden. Er ist sicher: "Ich habe die Eigenschaften, diese Aufgabe zu meistern!"

An Selbstsicherheit mangelte es auch Fridi Miller nicht. Ein zaghaftes Lächeln, die Brille zurechtgerückt und dann wollte sie es wissen: "Was wollt Ihr? Dass unsere Welt weiter zerstört wird?" Ganz offene Seitenhiebe über Röbers Freiparkmünzen-Fauxpas und die zwischenzeitlich seitens der Staatsanwaltschaft widerlegten Mafia-Gerüchte um Roth passten so gar nicht zur flammenden Rede für eine friedliche Welt. Und Fridis Welt hatte es in sich, inklusive Freizeitpark und Schwebebahn für VS und ein Netzwerk, geknüpft aus ihren politischen Konkurrenten Cristilli, Yazici und Kloiber-Jung.

Im zweiten Teil dann der Fragenmarathon. Was Zuhörer wissen wollten, notierten sie auf bereitgelegten Karten. Jeder Kandidat durfte so viele Fragen beantworten, wie er in acht Minuten Antwortzeit schaffte, und klar war, so Kubon: "Wir werden Fragen aussortieren, die unter die Gürtellinie gehen." Als sonderlich angriffslustig erwiesen sich die Fragenden am Ende aber nicht. Nur in Nuancen wurden Kontroversen herausgekitzelt. Kloiber-Jung musste sich dem ewigen Vorurteil stellen, ob sie als junge Mutter in der Lage sei, solch ein Amt auszufüllen und konterte: "Wenn man es schon nicht hinbekommt, ein Familienmanagement zu managen, wie will man dann eine Stadtverwaltung managen?!" Cristilli besänftigte Schwenninger Gemüter, nachdem es von Jörg Röber auf dieselbe Frage zuvor eine klare Absage gegeben hatte: Er stellte den Schwenningern im Falle seiner Wahl aus Gründen der im Fusionsvertrag verankerten Gleichbehandlung ein eigenes Freibad in Aussicht. Jürgen Roth sah sich gezwungen, "mit Missverständnissen aufzuräumen" – die Fluktuation in der Tuninger Verwaltung sei vor allem einer Bürgermeisterwahl und einem gewünschten Ortswechsel geschuldet, er setze als Verwaltungschef auf Gespräche und Mitarbeiterförderung, Vertrauen und eine flache Hierarchie. Jörg Röber musste sich zu seiner Unabhängigkeit von sämtlichen Parteibüchern bekennen, betonte aber, er habe bei seiner Vorstellungsrunde bei allen Parteien die größten Schnittmengen tatsächlich bei den ihn unterstützenden Grünen und der SPD gesehen.

Und ehe man sich’s versah, waren acht Minuten Antwortzeit ausgeschöpft und die zwei bedeutendsten für jeden angebrochen: zwei Minuten für das letzte Wort an die vielleicht künftigen Wähler. "Ich kann auch Oberbürgermeister", betonte da ein Jörg Röber, und auch Marina Kloiber-Jung versprach: "Ich fange nicht von Null an!" Jürgen Roth will seinem geliebten VS wieder zu "Strahlkraft" verhelfen, "wir sind das Oberzentrum!" Gaetano Cristilli gab zu, mutig zu sein, "deshalb bin ich hier" – nun aber sollen auch die Villingen-Schwenninger, bitteschön, mutig sein und mit ihm einen Kurswechsel anpacken, "nicht immer auf das klare Sicherheitsprinzip gehen!" Und Fridi Miller, die versprach "ganz viel Herz und unkonventionelle Ideen", für eine bunte und fröhliche Wohlfühl-Stadt.

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