Porträt: Ingrid Kappeler-Kewes textet den besten Corona-Song – und ganz viel mehr
Wenn Ingrid Kappeler-Kewes von dem erzählt, was sie liebt zu tut, dann sprudelt sie über und schnell wird dem Zuhörer klar: so viel Kreativität passt nicht in ein Leben. Sie ist Musiktherapeutin, spielt Musikkabarett, schreibt Liedtexte, Gedichte und Kurzgeschichten und würde gerne noch viel mehr tun.
VS-Pfaffenweiler. Gerade wurde ihr Text vom Kreisorchester Borken in Nordrhein-Westfalen für einen "Corona-Song" als bester ausgewählt. Am 3. Oktober 2021 wird er unter der Schirmherrschaft des ehemaligen zweiten Orchester-Vorsitzenden, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, in Borken uraufgeführt, der Erlös wird gespendet. Für Ingrid Kappeler-Kewes nicht die ersten Lorbeeren: 2013 erhielt sie als Songtexterin ein zweiwöchiges Stipendium in der Master-Class der "Celler Schule", deren Dozenten Schlagertexte auch für Helene Fischer und Andrea Berg schreiben.
Von dort bekomme sie seither immer wieder einmal Anfragen von Musikern und Sängern aller Genres, sagt die 57-Jährige. Zeit dafür gefunden habe sie trotz der Attraktivität der Aufgabe bisher aber noch nie.
Die Oberschwäbin entdeckte in der Schule zunächst ihre Liebe zur Musik. "Gesungen habe ich schon immer gern und ich hatte eine gute Klavierlehrerin". In Trossingen studierte sie Rhythmik (heute: Music and Movement) und Klavier. Danach war sie mit vollem Lehrauftrag sieben Jahre lang als Musiklehrerin an einer Gehörlosenschule in Trier tätig. 1994 folgte sie ihrem Mann nach Pfaffenweiler, wo sie bis heute wohnt. Die erste Tochter kam zur Welt, eine zweite folgte.
"Hier habe ich entdeckt, wie sehr mir das Texten Spaß macht"
Ingrid Kappeler-Kewes gab nebenher Rhythmikkurse in Kindergärten und stieß 1996 zu der Kabarett-Truppe "Die Liederspenstigen", bei der sie bis 2010 als Pianistin und musikalische Leiterin mitwirkte. "Hier habe ich entdeckt, wie sehr mir das Texten Spaß macht", erinnert sie sich an selbstkomponierte und –gedichtete Lieder. Sie spielte auf der Kleinkunstbühne von Karin Pittner beim Stück "Sekretärinnen" mit, war musikalische Leiterin beim Sommertheater 2011 ("Wochenend und Sonnenschein") und gehörte beim Sommertheater 2019 ("Wir sind mal kurz weg") bei fünf Vorstellungen zu den Instrumentalisten im Schafspelz. Zweimal schon moderierte sie die Konstanzer "Splitternacht". Seit 2016 ist Ingrid Kappeler-Kewes als Musikkabarettistin mit ihrem Soloprogramm "Vorbeischwimmer" unterwegs. Ihren nächsten Auftritt hat sie am 25. September im Café Häring in Schwenningen.
Beruflich übernahm sie 2000 für sieben Jahre die Musiktherapie im "Fischerhof", einem Heim für Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung. Danach war sie für die Musikakademie VS als Rhythmiklehrerin an verschiedenen Schulen tätig. 2011 erhielt sie den Zuschlag für die Musiktherapeutenstelle in der Schmiederklinik in Gailingen. Als das Pendeln zu anstrengend wurde, kündigte sie.
Die studierte Musikerin, die sich durch ihre Erfahrungen und Dank Fortbildungen längst zur Therapeutin entwickelt hatte, überzeugte 2017 auch das Vincenz von Paul Hospital in Rottweil. Seither arbeitet sie dort auf einer 60-Prozent-Stelle mit dementen und depressiven Senioren. "Hier bin ich am richtigen Platz", sagt sie. Unter anderem schreibt sie Lieder für die Gruppe. "Abschiednehmen – gib dir Zeit. Traurigkeit hat viele Räume – Liebe bleibt" heißt ein Vierzeiler, den man gerne gemeinsam singt.
2019 gewann Ingrid Kappeler-Kewes mit ihrer Kurzgeschichte "Zeitpflege" über Demenz den mit 1500 Euro dotierten dritten Kulturpreis Villingen-Schwenningens im Bereich Literatur. "Eigentlich würde ich gerne mehr schreiben", gibt sie zu und verweist auf einen Zettelkasten, in dem ihre Ideen schlummern. Auch Auftritte als Musikkabarettistin hätte sie gerne mehr, sieht man von den für Künstler wegen der Coronapandemie gerade schlechten Zeiten ab. Aber da ist auch der Wunsch, viele andere Ideen umzusetzen: Ein Musikprogramm speziell für die Psychiatrie zu kreieren. Einen Schlager oder Chanson zu schreiben. Als zertifizierte Singleiterin in einem "singenden Krankenhaus" einen Workshop für die Kollegen anzubieten. Ein Buch zu schreiben, auf jeden Fall aber mehr Geschichten und Gedichte.
Die kreative Doppelstädterin kann sich noch viel vorstellen
Gerade hat sie ein Lied in Mundart über die "Schwabenkinder" verfasst, jene bedauernswerten Minderjährigen, die im 19. Jahrhundert als "Saisonarbeiter" von ihren Familien aus Tirol, Vorarlberg und der Schweiz nach Oberschwaben geschickt wurden. Das möchte sie den Museen vor Ort anbieten, die sich in Ausstellungen mit dem Thema befassen und die ist dabei, gemeinsam mit einer Stuttgarter Seelsorgerin Trauerlieder zu schreiben. Ingrid Kappeler-Kewes könnte sich aber auch vorstellen, ein Café zu eröffnen oder in Süditalien Kapern zu züchten. Ihre Kreativität kennt eben keine Grenzen.