Das Sicherheitspersonal in Flüchtlingsunterkünften soll künftig selbst genauer durchleuchtet werden. Foto: Murat

Gruppierungen, die im Rotlichtmilieu das Sagen haben, weiten ihr Tätigkeitsgebiet auf den Flüchtlingssektor aus.

Villingen-Schwenningen/Pforzheim - Noch hat die Polizei in Villingen-Schwenningen längst nicht alle Zusammenhänge geklärt, die sich hinter dem Handgranaten-wurf auf eine Flüchtlingsunterkunft verbergen, da nimmt eine neue Debatte Fahrt auf: Sind ausgerechnet die Sicherheitsleute ein Schwachpunkt im System der Flüchtlingsbetreuung? In Villingen jedenfalls mehren sich die Anzeichen, dass rockerähnliche Gruppierung in die Tat verwickelt sein könnten. Und genau das entfacht nun eine neue Diskussion um strengere Kontrollen von Sicherheitsdiensten.

Bisher bildet der Paragraph 34a in der Gewerbeordnung die gesetzliche Grundlage, die sicherstellen soll, dass die Beschäftigten im Bewachungs- und Sicherheitsgewerbe zuverlässig sind und sich für die Tätigkeiten auch eignen. Doch das reicht offensichtlich nicht aus. Sind etwa ausgerechnet jene Personen, die für Ruhe, Ordnung und die Sicherheit anderer Menschen sorgen sollen, zwielichtige Gestalten?

Geschäft mit Schutz von Personen und Objekten ist lukrativ. Das hat die Zahl der Wettbewerber wachsen lassen

Jürgen Kappler ist sich bewusst, dass der Ruf der Sicherheits- und Überwachungsbranche in den vergangenen Monaten gelitten hat. Er hat sich vor 44 Jahren mit einem Sicherheitsunternehmen in Pforzheim selbstständig gemacht und ist in demselben auch heute noch als Geschäftsführer tätig. Früher habe es in Baden-Württemberg etwa zehn Sicherheitsfirmen gegeben – "gestandene Anbieter mit qualifizierten Mitarbeitern", sagt er. Über die Jahre hinweg habe sich dies aber zum Negativen hin gewandelt. Der Grund dafür ist einfach: Das Geschäft mit Personen-, Werk- und Objektschutz ist lukrativ. Das hat auch die Zahl der Wettbewerber wachsen lassen. Und offenbar sind nicht alle unter ihnen seriös. Was nun zum Problem zu werden droht.

Durch die Flüchtlingskrise und die in diesem Zuge geschaffenen Einrichtungen ist der Bedarf an Sicherheitsmitarbeitern abermals enorm gestiegen. Nach EU-Vergabeverordnung müssen die Betreiber der Einrichtungen, in aller Regel Regierungspräsidien oder Kommunen, die Sicherheitstätigkeit europaweit ausschreiben. Darin können sie ein Pflichtenheft wie die Zahl der einzusetzenden Mitarbeiter oder zu erbringende Zertifikate festlegen. Sind die Kriterien erfüllt, entscheidet allein der Preis. Das heißt: Der günstigste Anbieter wird ausgewählt. Und der ist nicht immer der mit den besten Mitarbeitern.

Auch rockerähnliche Gruppierungen, die bisher an Diskotüren und im Rotlichtmilieu das Sagen haben, weiten ihr Tätigkeitsgebiet jetzt offenbar auf den Flüchtlingssektor aus. Das legt nicht zuletzt der Fall von Villingen-Schwenningen nahe. Den Szenekenner wundert das nicht. Er befürchtet, dass die Probleme noch größer werden könnten. "Wer am Tor der Flüchtlingsunterkunft sitzt, hat die Möglichkeit, über die Bewohner neue illegale Geschäftsfelder zu erschließen oder auszubauen – zum Beispiel im Bereich Rauschgift", sagt er. Auch Menschenhandel sei nicht auszuschließen, warnt er.

Zwar müssen alle Security-Beschäftigten laut Gewerbeordnung ein Führungszeugnis ohne Einträge vorlegen und eine 40-Stunden-Unterrichtung bei einer Industrie- und Handelskammer (IHK) absolvieren. Doch deren Anforderungen seien nicht ausreichend, sagt Kappler, der selbst Vorsitzender der Prüfungskommission bei der IHK Pforzheim ist: "Man bräuchte für den Umgang mit Flüchtlingen eine spezielle Ausbildung, auch mit psychologischen und interkulturellen Inhalten."

Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) stimmt dem uneingeschränkt zu. Eine Sprecherin fordert strengere Vorgaben bei der Ausbildung von Wachpersonal. Für Tätigkeiten in sensiblen Bereichen wie Flüchtlingsunterkünften seien neue gesetzliche Vorgaben notwendig, sagt sie. Doch genau an diesem Punkt hakt es.

Die Landesregierung hat jetzt nach Informationen unserer Zeitung das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe beauftragt, zu prüfen, inwieweit eine landeseigene Verschärfung der Kontrollen von Sicherheitsdiensten und deren Mitarbeitern möglich ist. Das Führungszeugnis allein weist Schwächen auf. Denn darin werden weder Strafen unter drei Monaten Freiheitsstrafe noch laufende Verfahren gelistet.

Deshalb soll nun unter anderem abgeklopft werden, ob die prüfenden Behörden in Zukunft mögliche Informationen über einen angehenden Wachmann beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) abfragen dürfen. Dieser Idee stehen allerdings datenschutzrechtliche Gründe entgegen, es bedürfte einer Einwilligung der Bewerber. Und diejenigen, die einverstanden sind, müssten dann einzeln überprüft werden – ein immenser Aufwand. Gibt es dafür überhaupt genügend Personal in den Behörden? Und wo sollen die Bewerber überhaupt herkommen? "Der Markt ist leer gefegt", sagt der Pforzheimer Firmenchef Kappler, der rund 100 Mitarbeiter unter sich hat: "Ausgebildete Menschen findet man momentan nicht mehr." Mit Blick auf den anhaltenden Flüchtlingszustrom halte er die Entwicklung für "höchst bedenklich".