Villingen-Schwenningen - Eine "Erziehungsmaßnahme" für Falschparker unter den Klinikmitarbeitern sorgt für Unmut. Ganz plötzlich stehen sie vor verschlossenen Schranken – und das, obwohl sie ihre Parkgebühr bezahlt haben. Weil sie manchmal keinen anderen Ausweg sehen als Falschparken oder Heimfahren.

Die Uhr tickt. Eigentlich müsste Sabine L. (Name von der Redaktion geändert) längst an ihrem Arbeitsplatz im Schwarzwald-Baar-Klinikum sein. Stattdessen kurvt sie, wie fast täglich, seit 30 Minuten auf dem Mitarbeiterparkplatz herum. Die Suche nach einem Stellplatz scheint aussichtslos zu sein. Doch zum Parkplatzfrust gesellt sich vor allem eines: Wut. Die Klinikleitung, sagt Sabine L. nehme das Problem nicht ernst. Im Gegenteil: Anstatt weitere Parkflächen zu erschließen, sei der Belegschaft im Falle des Falschparkens in einem elektronischen Rundschreiben mit "Erziehungsmaßnahmen" gedroht worden: Parksündern werde für eine Woche der Zugang zum Mitarbeiterparkplatz verwehrt. Wiederholungstätern solle die Parkkarte sogar einen Monat lang entzogen werden.

"Ich wusste ja nicht, wohin mit meinem Auto!"

Sabine L. hat das selbst schon erlebt. Weil die Mitarbeiter des Klinikums ein "Sprechverbot" hätten und über Interna nicht mit Außenstehenden, schon gar nicht mit der Presse, sprechen dürften, ist sie nur unter dem Pseudonym bereit, ihre Geschichte zu erzählen.

Wie so oft habe sie an diesem Tag keine andere Wahl gehabt: Sie habe ihr Auto im Parkverbot auf dem Mitarbeiterparkplatz abgestellt, auf einer Durchfahrtsschleife, auf dem die Mitarbeiter im Rundkurs, ohne rückwärts fahren oder umkehren zu müssen, in die nächste Parkreihe gelangen. "Ich wusste ja nicht, wohin mit meinem Auto, ich musste zur Arbeit und es gab keinen freien Parkplatz", erklärt sie ihre Situation. Doch ein Mitarbeiter, der von der Verwaltung damit beauftragt sei, Parksünder zu fotografieren, habe sie an diesem Tag überführt. Am nächsten Tag war sie baff: Sie stand an der Schranke, diese hob sich nicht. Als Sabine L. die Klingeltaste drückte, um ihr Problem mit der Parkkarte zu melden, erklärte die Dame an der Sprechanlage, sie sei beim Falschparken erwischt worden – und dürfe nun den Mitarbeiterparkplatz eine Woche lang nicht nutzen.

"Die Erziehungsmaßnahme erfolgt ohne Ankündigung, plötzlich stehst Du da, und kannst nicht mehr parken!" Doch dann gehe der Ärger erst richtig los: Abgesehen vom für spärlich verdienende Pflegekräfte teuren Parkhaus gebe es keine Möglichkeit um sein Auto abzustellen. Im Winter, sei die Situation noch schlimmer. Viele Fahrradfahrer steigen jetzt aufs Auto um. Schneehaufen reduzieren den Platz zusätzlich – und der als Interimsparkfläche ausgewiesene Schotterparkplatz hinter dem Klinikum habe sich in eine matschige Pfützenlandschaft mit Schlaglöchern verwandelt, auf der man zeitweise Gefahr laufe, beinahe knöcheltief im Schneematsch oder Wasser zu stehen. Das aber würde Sabine L. in Kauf nehmen. Wenn sie ihr Auto nur irgendwo unterbekäme in der kritischen Zeit zwischen 10.30 Uhr und 13.30 Uhr. Dann überlappen sich viele Dienste des Schichtbetriebs und alle Verwaltungsmitarbeiter sind im Haus. "Das Parkhaus würde 35 Euro im Monat kosten. Das kann man sich von so einem Gehalt nicht leisten", sagt sie geknickt.

Die Klinikleitung sieht das offenbar anders: Im Winter werde es "zugegebenermaßen etwas enger", gibt Kliniksprecherin Sandra Adams zu. Doch: "Es gibt inzwischen rund 1000 Parkmöglichkeiten für Mitarbeiter am Klinikum, was in der Regel als ausreichend betrachtet wird." Sabine L. widerspricht: "Es gibt schlichtweg zu wenige Parkplätze für die Mitarbeiter hier!" Und um das zu untermauern, nimmt sie eine Mitarbeiterin der Redaktion des Schwarzwälder Boten an einem Vormittag mit auf ihre Parkplatztour. Der Selbstversuch spricht Bände: Kurz vor 11 Uhr beginnt die Suche. Zunächst auf dem Hauptparkplatz, dann auf dem Platz daneben, letztlich auf dem Schotterparkplatz – vorbei an dutzenden Autos, die die Durchfahrtsschleifen zuparken, waghalsig Schneehaufen erklommen haben oder auf schraffierten Flächen im Parkverbot stehen. "Die Parken alle falsch, aus purer Verzweiflung!", sagt Sabine L. und ruft nebenbei ihre Kollegen an: "Sorry, ich hätte jetzt eigentlich Dienst. Ich komme zu spät. Ich finde mal wieder keinen Parkplatz." Der Kollege lacht nur genervt. Und dann beginnt die Suche wieder von Neuem. Immer wieder. Immer erfolglos. Immer vorbei an dutzenden Parksünden.

"Ein solches Verhalten kann keinesfalls toleriert werden"

Unterwegs treffen wir fünfmal auf andere Suchende, die anhalten, freudig fragen, aus welcher Parklücke wir gerade herausgefahren sind, um dann enttäuscht ihrem Ärger Luft zu machen: "Das ist zum K...! Jeden Tag dasselbe – ich hasse Spätschicht!", schimpft eine. Eine andere rauft sich am Steuer die Haare. Der nächste winkt genervt ab. Andere schütteln nur ohnmächtig den Kopf. Verständnis hat hier keiner. Und alle tun sie Eines: Sie suchen mindestens 45 Minuten vor ihrem Arbeitsbeginn schon nach einer Parklücke auf einem der Mitarbeiterparkplätze – häufig 45 Minuten lang erfolglos.

Im Laufe unserer Recherche meldet sich eine weitere Mitarbeiterin zu Wort, die sich über das Thema "fast täglich" aufregt: "Es ist nahezu unmöglich, nach 8 Uhr morgens noch einen freien Platz auf dem Mitarbeiterparkplatz zu bekommen. Er ist gnadenlos überfüllt." Auch sie berichtet von viel zu früh erscheinenden Mitarbeitern, die sich tagtäglich mit anderen um die letzten freien Parkplätze streiten. Von Autos, die auf Flächen parken, die keine Parkplätze sind, die schon am Straßenrand direkt hinter der Schranke abgestellt werden und zugeparkten Einfahrten. Und: von vielen Unfällen. In der entsprechenden Abteilung gingen pro Monat mehrere Meldungen ein zu Unfällen auf dem engen Mitarbeiterparkplatz mit Fahrerflucht, weil "schon wieder" ein Auto gestreift wurde. Die Parkplatzsituation sei schlichtweg "zum K...". Trotzdem koste ein Stellplatz den Mitarbeiter 50 Cent am Tag, 10 Euro im Monat oder 80 Euro im Jahr.

Mit ihrem Ärger fühlen sich die Mitarbeiter alleine gelassen. Sabine L. weist auf einen großen Erdhaufen, der direkt hinter dem Schotterparkplatz aufgeschüttet ist: "Man müsste nur weitere Parkplätze schaffen – der Platz wäre doch da!"

Wie Kliniksprecherin Sandra Adams erkärt, solle zumindest der Interimsparkplatz befestigt werden. "Dazu laufen momentan die Vorbereitungen." Doch an der Erziehungsmaßnahme für die Parksünder will man nicht rütteln: "Es kommt auf dem Klinikgelände vor, dass Beschäftigte auf gekennzeichneten Feuerwehrflächen, Rettungsdienstzufahrten oder auf für die Klinikversorgung wichtigen Zufahrten parken – sprich: im absoluten Halteverbot", schildert sie. Und weiter: "Ein solches Verhalten gefährdet die Sicherheit unserer Patienten und Mitarbeiter und kann deshalb keinesfalls toleriert werden." Dafür wolle man ein Bewusstsein schaffen – "in manchen Fällen auch durch den Entzug der Parkberechtigung für die Dauer einer Woche". Die 2000 Beschäftigten am Standort würden beim Erwerb von Monats- oder Jahreskarten für den ÖPNV unterstützt und wer sonst mit dem Auto komme und im Winter auf den Bus umsteige, bekomme die Monatskarten erstattet, führt Adams aus. Für eine der Krankenschwestern im Zuge unserer Recherche ein schwacher Trost: "Die sind lustig! Wie soll ich bei meinen Schichtzeiten auf den Bus umsteigen!"

Kommentar: Denkzettel

Von Cornelia Spitz

Falschparken ist nicht die feine Art. Ratzfatz hat man eine kleben – eine Verwarnung an der Windschutzscheibe. Und für die Mitarbeiter des Klinikums? Für sie bleibt einfach mal die Schranke unten. Sieben Tage lang. Sie müssen dann draußen bleiben, weil sie falsch geparkt haben. Dabei braucht man sie drinnen doch so dringend, all die Krankenschwestern und Pfleger, Röntgen-Assistenten und Hauswirtschafter... Der Pflegekräftemangel hat ja längst Einzug gehalten. Ein Blick auf die 99 Stellenangebote des Klinikums genügt als Beweis. Und noch etwas lässt sich nicht leugnen: Das Klinikum verfügt über zu wenige Mitarbeiter-Parkplätze! Ein Blick aus dem Fenster genügt, um das festzustellen. Am besten zwischen 11 und 12.30 Uhr. Da draußen ist es nämlich schon fünf nach zwölf. Nicht auszudenken, wenn hier auch noch die 99 derzeit Gesuchten parken sollten.