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Shoppingcenter und Bibliothek im Rössle-Areal? Gemeinderat besichtigt HBB-Projekt in Hessen. Mit Kommentar und Video

VS-Schwenningen - "Begeistert" – das waren wohl alle Teilnehmer vom Besuch des Forums Hanau. Denn das Projekt, was die hessische Stadt seit einem Jahr bereichert, soll – wenn es nach vielen Stadträten geht – auch in Schwenningen greifen: ein Einkaufscenter mit integrierter Stadtbibliothek.

Am vergangenen Samstag konnten sich Gemeinderäte – nur sieben hatten die Möglichkeit genutzt – sowie Vertreter der Verwaltung selbst davon überzeugen: HBB-Geschäftsführer Harald Ortner hatte in der Juli-Sitzung des Gemeinderats nicht zu viel versprochen, als er das Konzept für den Neubau des ’s Rössle-Areals vorstellte und beim Vorhaben, die Stadtbibliothek in das neue Einkaufscenter zu integrieren, auf das Forum Hanau verwies.

Ebenso wie künftig in Schwenningen betreibt die Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH (HBB) aus Hamburg den Komplex aus fünf miteinander verbundenen Gebäudeteilen in der hessischen Stadt – mit bisher großem Erfolg.

Das facettenreiche Bild, das sich den Teilnehmern bei Vortrag sowie Führung durch Einkaufscenter und Kulturforum bot, sollte, so der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky, nicht nur demonstrieren, wie die Themen Kultur und Einkaufen ineinander greifen. Es sollte auch ein Beispiel dafür sein, inwieweit das Einkaufen in den städtischen Kontext miteingebunden werden könne. Kaminsky sowie der Fachbereichsleiter der Hanauer Stadtentwicklung, Martin Bieberle, erläuterten dabei die notwendigen städtebaulichen Veränderungen, die das Projekt mit sich ziehen sollte: "Wir wollten Alt- und Neustadt zusammenführen", nennt der OB als ein Beispiel.

Wohnraum, öffentlicher Nahverkehr, Kino sowie mehrere öffentliche Plätze in der rund 90 000 Einwohner großen Stadt standen ebenso auf der Erneuerungs-Agenda. Warum war die Wahl beim wettbewerblichen Dialog, ein europaweites Vergabeverfahren für das Innenstadt-Projekt, dabei auf die HBB gefallen? "Sie hat am meisten begriffen, dass wir die Verbesserungen gemeinsam im Dialog anstreben wollten", begründet Kaminsky. Hohe Veränderungsbereitschaft, Verlässlichkeit und Vertrauen, das seien zudem Attribute, die bei solch einer komplexen Aufgabenstellung eine wichtige Rolle zwischen Stadt und Investor, gibt er der Stadt VS mit auf den Weg.

Inspiriert worden sei die Stadt Hanau, so Martin Bieberle, durch eine Mall im holländischen Maastricht. Sie sei keine "geschlossene Kiste", sondern auch ein Stück Stadt. "Wir waren geflasht, dass die integrierte Bibliothek zu einem Lebensraum wird", erklärt der Stadtentwickler weiter. Welches Fazit kann die Stadt nach einem Jahr Forum Hanau ziehen? Sie sei im Wettbewerb angekommen, Leerstände gebe es aber nach wie vor vereinzelt. Bis zu 30 Einzelhändler in der Kernstadt sowie außerhalb habe es getroffen, genauso viele Geschäfte seien aber bereits nachbesetzt worden, erklärt Bieberle auf Nachfragen von CDU-Stadträtin Renate Breuning. "Ein Strukturwandel ist in der Innenstadt erkennbar", sagt er.

Auch im Einkaufscenter hätten erste Inhaber gewechselt, berichtet HBB-Geschäftsführer Ortner beim anschließenden Rundgang durch das Forum, das auf rund 22 500 Quadratmetern Verkaufsfläche auf vier Etagen mehr als 90 Shops beheimatet. "Nach einem Jahr ist es üblich, dass das ein oder andere Geschäft ausgetauscht wird."

Glaskuppel verbindet

"Einkaufen ist Freizeitvergnügen, das wir für unsere Kunden vielfältig gestalten wollen", erklärt Centermanager Heiner Hutmacher die Strategie des Investors. Die große Glaskuppel in der Mitte des Centers verbinde zwei Straßen und somit die Alt- und die Neustadt miteinander. "So ähnlich wollen wir das auch in VS machen", meint Hutmacher.

Den meisten Anklang bei Gemeinderat und Verwaltung fand aber die Bibliothek, die unter anderem mit Medienzentrum und Stadtarchiv in das Kulturforum integriert ist. In den ehemaligen Räumen seien es täglich zwischen 200 und 400 Bibliotheksbesucher tätig gewesen. "Jetzt sind es 1000", berichtet die stellvertretende Leiterin Angela Noe.

Beim Rundgang verschafften sich die Teilnehmer einen Eindruck von den hellen und transparenten Räumen, in denen auf 4300 Quadratmetern unter anderem geräumige Lesesäle, ein Kinderatelier- sowie Spielmöglichkeiten, ein Lesecafé, Veranstaltungsräume und eine Bühne untergebracht sind. "Der zentrale Platz und die Helligkeit sind die eindeutigen Vorteile des neuen Standorts", zieht Noe nach einem Jahr Bilanz.

"Beide Seiten haben jetzt Hausaufgaben zu erledigen", fasste Harald Ortner die Exkursion zusammen. Die HBB wird im kommenden Jahr auf den Flächen des ehemaligen ’s Rössle eine Info-Messe mit Fachbeiträgen veranstalten und das Konzept für das Forum Schwenningen nebst Stadtbibliothek weiter ausarbeiten.

Darüber muss der Gemeinderat in Villingen-Schwenningen abstimmen – und wird die Eindrücke des Paradebeispiels von Hanau in die Entscheidung einbeziehen.

Kommentar: Nur Mut

Von Mareike Bloss

Ja, es geht! Eindrucksvoll hat die Stadt Hanau durch ihre Kooperation mit der HBB bewiesen, wie ein Shopping-Center und eine Bibliothek Hand in Hand funktionieren und weitreichende Wirkung auf die städtischen Entwicklungen haben. Auch wenn nach einem Jahr nicht alles rosig ist, befindet sich die hessische Stadt – in Größe und Vorgeschichte mit VS vergleichbar – auf einem guten Weg. Jetzt gilt es für Gemeinderat und Verwaltung, daraus die richtigen Schlüsse für die Doppelstadt zu ziehen. Dass das Forum Schwenningen eine große Chance für VS darstellt, steht außer Frage. Doch viele Aspekte müssen zunächst geklärt werden, so auch der Standort der Bibliothek Villingen. Dabei dürfen die Gemeinderäte ruhig eine gute Portion Mut beweisen – besonders diejenigen, die den Neubau des ’s Rössle kritisiert haben. Schade nur, dass von ihnen bei der Exkursion niemand anwesend war.

Seite 2: Stimmen

Einheitlich angetan zeigten sich die Exkursions-Teilnehmer aus Villingen-Schwenningen vom HBB-Projekt in Hanau. Er sei beeindruckt von der Integration der sozialen Ebene ins Forum, meinte Armin Schott vom Grünflächenamt. "Die generationsübergreifende Mischung der Bereiche in der Bibliothek hat mir besonders gut gefallen", fügte er hinzu. Der Besuch sei sehr wichtig gewesen, meinte OB Rupert Kubon. Er sei zuversichtlich, dass das Konzept auch in Schwenningen Anklang finden wird. Vor allem Volker Fritz, Leiter der Bibliothek VS, war voll des Lobes über das Hanauer Pendant mit seinen Lesekojen und Glasfenstern. Für Schwenningen könne er sich das Projekt sehr gut vorstellen. Dann gelte es jedoch, für Villingen eine entsprechende Dependance zu entwickeln. "Der Besuch hat sich eindeutig gelohnt", meinten auch Renate Breuning sowie Gudrun Furtwängler von der CDU.