Der etwas andere Abschied
Doch zuvor gibt es warme Worte für Rupert Kubon. Er nimmt in der ersten Reihe Platz. Amt- und Würdenträger, vom ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel über den Landrat Sven Hinterseh bis hin zu Bürgermeistern, Bundestagsabgeordneten und Unternehmern, sitzen ebenfalls da. Von den 662 Gästen, die zugesagt haben, sind über 500 gekommen. Die neue Neckarhalle ist also nicht "bis auf den letzten Platz gefüllt", wie Bührer in seiner Rede feststellen will. Doch dass für Kubon in den Stunden des Abschieds Qualität ohnehin wichtiger ist als Quantität, wird schon an der Programmgestaltung deutlich. Man sucht sie vergeblich, die nicht enden wollenden Grußworte, die Endlos-Laudatio des Bürgermeisters und die lange Liste seiner Verdienste, auch wenn es diese durchaus gegeben hätte, wie bereits bei der Verabschiedung von Gemeinderat und Verwaltung Tage zuvor deutlich geworden ist. Stattdessen gibt es Talkrunden mit Wegbegleitern und Bekannten der Hauptperson des Abends. Einen Sketch von Anselm Säger und Alexander Brüderle, die in die Rollen von "Hannes und der Bürgermeister" schlüpfen. Und schwere, wehmütige, getragene Musik von Ensembles der Musikakademie Villingen-Schwenningen, die den Abschied auch mal in Moll-Akkorde packen.
Der Höhepunkt kommt, wie so oft, zum Schluss: "Abschiedsworte von Rupert Kubon". Auch er hat sich zuvor in der Musik verloren und gibt zu: "Es geht mir wie in einem Tango, sehr ambivalent." Das berühmte lachende und weinende Auge lassen an diesem Abend in der Tat grüßen. Zum Abschied aber will Kubon nicht nur zurück-, sondern auch nach vorne blicken. So sei der Entschluss, seine Zeit als Oberbürgermeister zu beenden, "eine Entscheidung für etwas Neues" gewesen, betont Kubon mit Blick auf seine bevorstehende Ausbildung zum Ständigen Diakon. Seines Amtes überdrüssig gewesen sei er nicht.
Dabei zieht er durchaus auch selbstkritisch Bilanz, wenn er über seinen Anspruch an "gute Politik" sinniert. Drei Punkte mache sie aus: "Gute Politik hat demütig zu sein" – ein Oberbürgermeister habe in seinem Verhalten eine Vorbildfunktion, positiv oder negativ, "ob er das will oder nicht". Zum Zweiten gehe es "immer um Gerechtigkeit gegenüber jedem" – hin und wieder eine Gratwanderung. Ob der Kurs richtig ist, werde spätestens dann deutlich, "wenn das Gegenteil mehr oder minder offen praktiziert wird, wenn Vetternwirtschaft stattfindet, wenn eine Hand die andere wäscht". Ein Oberbürgermeister müsse für den Ausgleich unterschiedlichster Interessen sorgen. Und zum Dritten: "Politik muss entscheiden." Einige seiner Entscheidungen seien heftig umstritten, "manche Entscheidungen wären vielleicht auch anders besser gewesen", doch er habe seine Beschlüsse immer nach reiflicher Abwägung und oft nach vielen Gesprächen und vielfach auch mit anderen gemeinsam gefasst.
Einen Seitenhieb gestattet
Er blickt zufrieden auf seine OB-Bilanz: "Das, was in den letzten Jahren entstanden ist, was sich verändert hat und gerade verändert, bereitet mir durchgehend Freude." Ganz kurz nur streift er auch Projekte, die noch in die Zukunft reichen – etwa die Sanierung des Deutenberg-Gymnasiums, die Umgestaltung des Areals im Brühl, früher Mangin, – "eine Chance (...), die wir uns nicht entgehen lassen dürfen". Nur einen klitzekleinen Seitenhieb auf die Wahlkampfdebatten gestattet sich Kubon, als er, offenbar mit Blick auf seinen Nachfolger Jürgen Roth, meint: "Diese Entscheidung kann Ihnen kein Gutachten, keine Bürgerbefragung, keine noch so differenzierte Berechnung oder Planung abnehmen" – die Fördermittelgeber, welche mit zweistelligen Millionenbeträgen bereitstehen, "wollen auch erkennen, dass wir unsere Projekte wirklich ernst nehmen, sonst werden wir eines Tages nicht mehr ernst genommen".
Wie ernst er selbst seine politischen Gegner genommen hat, wird deutlich, als er der CDU-Sprecherin Renate Breuning, Kontrahentin am Ratstisch wie kaum ein anderer, einen Platz in seinen Abschiedsworten einräumt: "Sie waren immer ein Mensch, der meine Position so in Frage stellte, dass ich diese daran immer auch weiterentwickeln, profilieren und verändern konnte."
Nun verändert sich für Rupert Kubon vieles schlagartig: Er ist OB gewesen. Doch als die Geige, nachdem sie erst jammernd und seufzend im letzten musikalischen Beitrag ein Klagelied angestimmt hat, am Ende doch frohlockt und jauchzt, wird deutlich: Die stehenden Ovationen, die Rupert Kubon aus der Neckarhalle hinaus in die Zukunft tragen, gelten nicht nur anerkennend dem Geleisteten, sondern auch vielversprechend einem mutigen Neu-Anfang an anderer Stelle.
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