Rasse mit Vorurteilen belastet. Hundetrainer versichern: Probleme entstehen am anderen Ende der Leine.
Villingen-Schwenningen - Ein Rottweiler aus dem Oberzentrum von Villingen-Schwenningen sorgt derzeit für Aufsehen - nicht, weil er etwas getan hätte, sondern weil sein Herrchen ihn gerne ohne Leine führt. Anwohner aus der Nachbarschaft haben sogar die Stadt eingeschaltet, weil sie sich vor dem Tier fürchteten.
Sicherlich haben Hundeleinen ihre Daseinsberechtigung. Auf unserer Facebookseite wurde rege darüber diskutiert. Die Online-Debatten bezogen sich jedoch mehr auf die Frage, ob Rottweilerhunde aufgrund ihrer Rasse diskriminiert werden. Die Kommentare dazu lauteten zum Beispiel: "Diese blöden Vorurteile den Rottweilern gegenüber... Lasst die Hundebesitzer doch einfach ihren Weg gehen und ihr geht euren" oder auch: "Hier geht's doch einfach wieder um die böse Rasse Rottweiler. Da wird doch gleich wieder ROT gesehen".
Hundetrainerin und -verhaltensberaterin Carola Zilm hat Erfahrung mit der Rasse: Sie hat selbst einmal einen Rottweiler betreut und hatte in ihrer Hundeschule in Villingen-Schwenningen auch schon ein, zwei Welpen. "Rottweiler sind nicht schwerer erziehbar als andere Hunde", sagt sie. "Der Grund, warum viele Leute Angst vor ihnen haben, sind die Größe, das Aussehen und der schlechte Ruf. Es heißt oft, Rottweiler seien aggressiv."
Erziehung wichtiger als Gene
Teilweise könne das auch stimmen, der Grund sei in der Regel aber nicht das schlechte Wesen eines Tieres, sondern die Erziehung.
"Die Klientel, die sich Rottweiler zulegt, geht oft nicht mit den Tieren um, wie sie sollte", erklärt Zilm. Ein Pudel oder Spitz werden alleine wegen ihrer Optik eher liebevoll erzogen. "Aber bei einem Rottweiler denkt man, der bräuchte eine harte Hand und eine besonders strenge Erziehung. Das stimmt aber nicht", weiß sie. Ein zu hartes Training führe sogar eher zu Problemhunden.
"Natürlich spielt die genetische Komponente auch eine Rolle. Ein Schäferhund zum Beispiel hat grundsätzlich andere Wesenszüge als ein Rottweiler." Es gebe Rassen, die zum Beispiel als Familienhunde gezüchtet wurden, andere als Jagdhunde und der Rottweiler sei eher ein Wachhund. "Dennoch sind natürlich nicht alle Rottweiler gleich. Sogar in einem Wurf können Tiere mit völlig verschiedenen Charakteren sein." Der eine Welpe könne ein Draufgänger sein, während der andere kleine Rottweiler verschmust und verspielt sei.
"Zu sagen, alle Rottweiler sind aufgrund ihrer Genetik aggressiv, ist meiner Meinung nach ein Vorurteil." Auch bei anderen Rassen gebe es aggressive und weniger aggressive Tiere. "Ich habe schon erlebt, dass ein Dackel unberechenbarer und weniger freundlich war als ein Rottweiler. Neben den Genen spielen nämlich die Erlebnisse und Erfahrungen, die ein Tier gemacht hat, eine wesentliche Rolle."
Rasse mit Vorurteilen belastet
Auch Hundetrainer Matthias Mück vom Hundezentrum Schwarzwald hat von dem Vorfall in Villingen-Schwenningen gehört. "Das Thema ist emotional sehr aufgeladen", meint er. "Ich kenne viele liebe 'Rottis', aber der Typ Hund landet schnell in einer Schublade." Wenn ein Chihuahua jemanden beiße, gehe es eben auch nicht so schlecht aus, wie bei einem Rottweiler. Das heiße aber nicht, dass der Rottweiler deswegen häufiger beiße als der Chihuahua.
"Natürlich sind beim Rottweiler, wie auch bei anderen Hunderassen, typische Verhaltensmuster zu beobachten. Aber die Pauschalisierung, diese Hunde seien aggressiv, geht wohl zu weit." Für viel entscheidender hält der Hundetrainer, ebenso wie Zilm, wer am anderen Ende der Leine ist und wie derjenige mit seinem Tier umgeht.
"Keine Frage, Hunde müssen innerorts an die Leine. Deswegen gibt es da auch eine Leinenpflicht", sagt er. "Aber die gilt für alle Hunde, egal ob Pudel oder Rottweiler." Wenn alle mit Verstand und Rücksicht handeln, ließe sich viel Ärger ersparen, ist er überzeugt.