Interview: Oberbürgermeister sieht in Sperrzeitenverlängerung eine "Lösungsmöglichkeit"

Villingen-Schwenningen. Probleme in der Färberstraße sind das Ärgerthema dieses Sommers schlechthin. Wir sprachen darüber mit Oberbürgermeister Jürgen Roth.

Herr Roth, unsere Berichterstattung über zwei Lokale in der Färberstraße schlug hohe Wellen, viele Anlieger meldeten sich zuvor und im Nachgang bei uns und fühlen sich von der Stadtverwaltung seit Jahren im Stich gelassen. Können Sie das nachvollziehen?

lch kann zwar gut nachvollziehen, dass Ruhestörungen für die Anwohner sehr belastend sind, wem würde dies nicht so ergehen? Dass der Stadtverwaltung jedoch vorgeworfen wird, man habe seit Jahren nichts getan, kann ich nicht nachvollziehen. Der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) ist im Rahmen seiner Kapazitäten sehr regelmäßig unterwegs und im gesamten Stadtgebiet sowie insbesondere in der Färberstraße präsent. Das belegen die Zahlen der durchgeführten Streifen. Darüber hinaus reagiert das Bürgeramt immer auf Beschwerden, insbesondere auf Vorkommnisberichte des Polizeireviers und des KOD. Sämtliche protokollierten Ereignisse wurden bearbeitet und wenn möglich Bußgeldverfahren eingeleitet. Dazu wurde der KOD mit regelmäßigen Kontrollen beauftragt. Nicht alle Überprüfungen des Polizeireviers oder des KOD ergaben allerdings konkrete Feststellungen. ln einigen Fällen konnten gerade keine Ruhestörungen, Sperrzeitverstöße oder ähnliches ermittelt werden. lnsofern konnten auch keine Bußgeldverfahren eröffnet werden. Dennoch gab es jedes Mal eine Ansprache an den Verantwortlichen im jeweiligen Lokal. Allein im ersten Halbjahr 2020 war der KOD 161 Mal in der Färberstraße präsent, 108 Mal nach 22 Uhr. Bei den in Ihrer Berichterstattung vom 18. Juli thematisierten Lokalen wurden in den letzten drei Jahren 81 Vorkommnisse durch den KOD und die Polizei festgestellt und 42 Bußgeldverfahren eingeleitet. Rund die Hälfte der Vorkommnisse sind nach zwei Uhr und somit nach der Dienstzeit des KOD festgestellt worden. Darüber hinaus gab es in den vergangenen knapp zwei Jahren fünf durch die Stadt VS eingeleitete Widerrufsverfahren der gaststättenrechtlichen Erlaubnis. Nach alledem sind der gegenüber der Stadt erhobene Vorwurf der Untätigkeit und auch der Vorwurf, dass das Bürgeramt vor einem angeblichen Clan kusche, falsch.

Anwohnern gegenüber soll das Ordnungsamt jedoch betont haben, dass es in der Färberstraße keine Probleme gebe und an die Stadt keine Beschwerden herangetragen würden. Auch wir haben beispielsweise bereits 2017 nach Vorkommnissen in diesem Bereich über Ausschusssitzungen berichtet, in welchen Herr Glück auf Nachfrage betonte, es gebe in der Färberstraße keine Probleme. Wie passt das zusammen?

lm Jahr 2017 war ich noch nicht Oberbürgermeister der Stadt Villingen-Schwenningen. Nach Aussage von Herrn Glück hat er in den Ausschusssitzungen, über die der Schwarzwälder Bote berichtet hatte, zur Frage der Kriminalitätsbelastung in der Färberstraße und dazu, ob man sich dort sicher fühlen könne, Stellung genommen. Hierzu fand seinerzeit unter Berücksichtigung der in der Färberstraße verzeichneten polizeilichen Einsätze ein reger Austausch des Bürgeramtes mit dem Polizeirevier statt. Das Ergebnis war, dass die Färberstraße für die Allgemeinbevölkerung sicher ist und keinen kriminellen Brennpunkt darstellt.

ln der jüngsten Gemeinderatssitzung legte die Stadtverwaltung dar, wie zahlreich Kontrollen erfolgt und Bußgelder auferlegt worden seien, trotzdem wurde man der Lage bislang nicht Herr. Welche Möglichkeiten können Sie nun noch ausschöpfen?

Alle gaststättenrechtlichen Möglichkeiten wurden vom Bürgeramt vollumfänglich ausgeschöpft. Bei Vorkommnissen, die in Zusammenhang mit der Betriebsführung festgestellt wurden, wurde reagiert und Bußgeldverfahren eingeleitet. Dies wird auch künftig immer der Fall sein. Die Schwierigkeit für uns besteht darin, dass die Ordnungswidrigkeit einem Gastwirt konkret zugeordnet, vorzuwerfen sein und bewiesen werden muss. Das heißt: Der Wirt muss für den Vorfall persönlich verantwortlich sein, dieser muss nachweislich in Verbindung mit der Gaststätte stehen. Ein Beispiel: Wenn Gäste eines Lokals zum Rauchen vor die Türe gehen, sehr laut und störend sind, und dabei ihre Getränke aus dem Lokal dabeihaben, dann kann dies dem Wirt vorgeworfen werden. Ansonsten könnte es sich auch um vorbeigehende oder sich auf dem Gehweg aufhaltende Personen handeln. Sofern dies in der Vergangenheit gelungen ist, wurde jeweils reagiert; und zwar bis hin zur Einleitung von Verfahren zum Widerruf der Gaststättenerlaubnis. Problematisch wird die Situation jedoch dann, wenn ein Gastwirt seinen Betrieb von sich aus abmeldet und stattdessen eine andere Person neu anmeldet. Sofern gegen diese Person nichts vorliegt, besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis. Die Gaststätte wird dann ohne oder nahezu ohne Unterbrechung weiterbetrieben. Dies ist den Anwohnern allerdings kaum zu vermitteln. Bezüglich der sonstigen Möglichkeiten kann ich aktuell mitteilen, dass das Bürgeramt in der vergangenen Woche bereits die Schließung einer Gaststätte verfügt und die Erteilung einer neuen Erlaubnis von der Vorlage eines Nutzungskonzeptes sowie eines Lärmgutachtens abhängig gemacht hat. Dies war in diesem Einzelfall möglich und wurde auch sofort umgesetzt. Es werden auch noch weitere Verfahren bei weiteren Gaststätten eingeleitet. Über die ordnungsrechtlichen Maßnahmen hinaus, könnte auch die Verlängerung der Sperrzeiten eine Lösungsmöglichkeit sein. Dies hatte ich in der letzten Gemeinderatssitzung ja schon erwähnt und wird von mir vorgeschlagen werden.

Seit wann sind in dieser Sache welche Abteilungen der Stadt aktiv?

Die Gaststättenbehörde, der KOD und das Baurechtsamt sind ab geplanter Eröffnung, also beginnend mit den gaststättenrechtlichen beziehungsweise baurechtlichen Genehmigungen aktiv. Bei jedem neuen Gastwirt werden vor Erteilung einer endgültigen Erlaubnis eine Zuverlässigkeitsüberprüfung durchgeführt sowie die Betriebsräume mit dem Baurechtsamt, der Lebensmittelüberwachung und gegebenenfalls dem Gewerbeaufsichtsamt abgenommen und notwendige Auflagen verfügt. Das Bürgeramt wird im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens tätig, führt regelmäßige Kontrollen durch und leitet bei Verstößen Bußgeldverfahren ein.

Anwohner berichteten uns vielfach von Problemen nach Mitternacht, oft sogar nach zwei Uhr. Erfolgten auch zu dieser Zeit Kontrollen oder ist das für die Zukunft geplant?

Der KOD ist Tag und Nacht in einem Zwei-Schicht-Modell mit durchschnittlich drei Personen im Einsatz. An den Wochenenden freitags und samstags erstrecken sich dieDienstzeiten bis 2.30 Uhr. Bis zu diesem Zeitpunkt werden Kontrollen in beiden großen Stadtbezirken sowie den neun Ortschaften durchgeführt und protokolliert. Eine Ausweitung der Dienstzeiten ist mit dem vorhandenen Personal nicht möglich. lnsofern kümmern sich nach Dienstende des KOD ausschließlich die beiden Polizeireviere um die Ordnungsstörungen im Stadtgebiet. Wir stehen hier in engem Kontakt mit den Kollegen der Landespolizei.

Wie geht es jetzt weiter, was unternimmt die Stadt?

Wie der Schwarzwälder Bote in seiner Ausgabe vom 8. August bereits berichtet hat, wurden mehrere Maßnahmen ergriffen: Unter anderem ist die Moon Lounge aktuell geschlossen, die Stadt hat sich mit den Anwohnern und Eigentümern zu einem Austausch getroffen, des Weiteren wurden für Anwohner Messgeräte bestellt, damit diese Lärmprotokolle erstellen können. Außerdem, auch hierüber hatte der Schwarzwälder Bote berichtet, werden wir mit dem Gemeinderat nach der Sommerpause über eine Sperrzeitverlängerung diskutieren. Hierbei werden wir selbstverständlich die Belange aller Beteiligten und Betroffenen sorgfältig prüfen und abwägen, bevor eine Entscheidung getroffen wird.  Die Fragen stellte Cornelia Spitz