Der Werbewurf der rechten Art liegt zwar schon ein paar Tage zurück. (Symbolfoto) Foto: © Ionescu Bogdan – stock.adobe.com

Werbewurf landet im Briefkasten. Tatbestand der Volksverhetzung?

Villingen-Schwenningen - "Verteilen auch Sie Hunderte Handzettel in Briefkästen." Ein Bürger denkt ja gar nicht daran, als er das Flugblatt mit den einschlägig rechtsradikalen "Infos" aus dem Briefkasten zieht und liest. Es landet dort, wo es seiner Meinung nach hingehört: im Altpapier.

Der Werbewurf der rechten Art liegt zwar schon ein paar Tage zurück, aber der Villinger aus dem Bereich Haslach/Wöschhalde redet sich in Rage, als er mit dem Flugblatt in die Redaktion des Schwarzwälder Boten kommt. Die ersten Slogans reichen ihm: "Was Ihnen ARD, ZDF, Radio und sogenannte ›Qualitätsmedien‹ verschweigen......" oder "Migranten dürfen jetzt für immer bleiben, Grüne und Linke jubeln" und die angebliche Aussage eines SPD-Bundesministers, der die "Masseneinwanderung von Afrikanern ins deutsche Sozialsystem jedes Jahr als ›Verpflichtung‹ sehe".

Einschlägige Infos in Staccatoform

Dazu noch Kommentare zum derzeit stark diskutierten UN-Migrationspakt und die Behauptung, dass Kritik an der Masseneinwanderung künftig unter Strafe gestellt werden soll. Der Mitsechziger wirft die Flugblätter auf den Tisch und schnaubt: "Leute, die informieren wollen, verbreiten nicht solche großen Lügen."

Sein Ärger wird nicht geringer, als er noch ein angegebenes Spendenkonto entdeckt. Und dazu die genaue Betriebsanleitung dafür, wie sich die Handzettel mühelos ausdrucken lassen oder man sie sich kostenlos zuschicken lassen kann. Freilich fehlt bei den "guten" Tipps nicht der Hinweis darauf, wie man beim Weiterleiten die eigene E-Mail-Adresse anonymisieren könne. Hilfreiche Empfehlungen also, so der Villinger sarkastisch, um, wie es so schön auf dem Handzettel heiße, das Ziel zu verfolgen: "So können Sie jede Woche zu neutraler und vollständiger Berichterstattung beitragen." Und fertig sei der "Gruß aus der Nachbarschaft". Einschlägig sind auch die Quellen zu den Infos in Staccato-Form, wie beispielsweise die rechtsgerichtete "Junge Freiheit".

Inwieweit die Handzettel die Runde machen? Der erboste Rentner ist zwar nicht der einzige im Viertel, aber "es hat nicht jeder bei uns in der Nachbarschaft etwas bekommen", erzählt er. Andere Anwohner wollen einen älteren Herren dabei beobachtet haben, wie dieser gezielt Adressen angesteuert und Notizen gemacht habe, nachdem er die Flugblätter gesteckt habe. Weiß das Gemeinderatsmitglied der Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH) Jürgen Schützinger, von der Aktion? Eine Antwort kommt prompt: "Das ist mir neu." Auch mit den angebenen Kontakten könne er nichts anfangen.

Bis an die Grenze der Meinungsfreiheit

Der Anruf in Tuttlingen ist eher eine Fehl-Anzeige: Die Pressestelle im Polizeipräsidium erfährt erst über eine Anfrage des Schwarzwälder Boten von den Zetteln. "Bei uns sind noch keine Anzeigen oder Beschwerden eingegangen", reagiert Harri Frank, Pressesprecher im Präsidium, auf die Schilderungen des Villinger Bürgers. Erfüllt der Inhalt, über den sich der ältere Herr so sehr ärgert, bereits den Tatbestand der Volksverhetzung? "So etwas muss im Einzelfall behandelt werden", bemerkt Frank. Prominentes Beispiel einer Verhetzung: die Leugnung des Holocaust, die immer wieder auch in Gerichtsakten auftaucht. Doch auch das Aufstacheln zu Hass oder Gewalt könne als Volksverhetzung gedeutet werden, so Frank; aber ob es zu einer Anklage komme, entscheide die Staatsanwaltschaft.

Wie weit solche Verteiler in der freien Meinungsäußerung gehen können und wo die Grenzen zum Straftatbestand liegen, "das wissen die nur zu genau". Im aktuellen Fall sieht der Verfassungsschutz keine Basis für Ermittlungen. "Anhaltspunkte für einen Strafantrag gibt es nicht", so der Pressesprecher. "Das ist alles über das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt." Da mag sich der ältere Doppelstädter noch so sehr ärgern.