Am 21. Oktober soll der neue OB von Villingen-Schwenningen endgültig gewählt werden. Bis dahin verschärft sich unter den Kandidaten offenbar der Ton. Foto: Marc Eich

Im Wahlkampf ist viel Feuer drin. Fridi will zweiten Wahltermin verhindern. Wüste Beschuldigungen von unbekannt.

Villingen-Schwenningen - Es brodelt in Villingen-Schwenningen. Dass zu Wahlkampfzeiten besondere Gesetze gelten, wird umso deutlicher, je näher der zweite Wahlgang rückt.

Als friedliches Pflaster ist die 1972 geeinte Stadt schon lange nicht mehr bekannt. Doch was hinter den Kulissen abläuft, verwundert selbst jene, die mit der doppelstädtischen Kommunalpolitik vertraut sind. Seit in der Doppelstadt zum Wahlkampf aufgerufen wurde, werden bemerkenswerte Geschütze aufgefahren.

Rauer Ton

Der Ton wird rauer. Und das erkennt Otto Normalverbraucher nicht nur im Internet, wo sich die verschiedenen Lager der beiden Erstplatzierten im ersten Wahlgang, Jörg Röber und Jürgen Roth, beinahe täglich ordentlich verbal in den Haaren liegen. Auch zwischen den Kandidaten weht offenbar ein neuer, recht eisiger Wind. So lud OB-Kandidat Jörg Röber beispielsweise am Donnerstag zum Pressegespräch über die Pläne zur Verwaltungszusammenführung auf dem Mangin-Areal ein – seine Botschaft jedoch konzentrierte sich weniger auf eigene Pläne oder Zahlen, Daten und Fakten, als vielmehr darauf, dass sein ärgster Konkurrent Jürgen Roth in seinen Augen eine Positionierung zum Thema Mangin-Areal bislang vermissen lasse.

"Wenn er dahinter steht, dann soll er’s sagen", fordert Röber die Gegenseite ungeniert auf. Der wiederum betont und klingt dabei etwas genervt, er werde dann eben einmal mehr gebetsmühlenartig nochmals wiederholen, was er schon den ganzen Wahlkampf über betone: "Die Beschlüsse sind da", der Gemeinderat habe zu den Plänen mit dem Mangin-Areal längst ja gesagt, allerdings unter der Voraussetzung, dass deren Umsetzung sich am Ende finanziell auch rentiere. "Wenn die Stadt nachher mehr bezahlt als vorher, ist das irgendwie blöd", findet Jürgen Roth.

Wüste Beschuldigungen

Und wie zu Beginn des Wahlkampfs, als aus einem gegnerischen Lager heraus mafiöse Gerüchte gegen Jürgen Roth lanciert wurden, die seitens der Staatsanwaltschaft Konstanz als haltlos eingestuft worden sind, so machen auch vor dem zweiten Wahlgang wieder wüste Beschuldigungen die Runde. Wieder soll die Presse offenbar instrumentalisiert werden. Wieder ist Jürgen Roth das Ziel. Am Donnerstag beispielsweise erreichte ein Leserbrief auf dem Postweg nicht nur unsere Redaktionen in Villingen-Schwenningen und der Wochenzeitung WOM in Oberndorf, sondern auch zumindest eine weitere Zeitungsredaktion vor Ort. Der Absender: ein Name, den es so in Schwenningen, das als Wohnort angegeben wird, durchaus geben könnte – der dort aber nach Recherchen und laut Einwohnermeldebuch eben nicht vorzukommen scheint. Die Person gibt an, Mitarbeiter unter Roth gewesen zu sein und holt zum Rundumschlag von der beruflichen Tätigkeit als Chef im Rathaus bis in privateste Gefilde des Tuninger Bürgermeisters aus. Ausführliche Recherchen aber lassen davon ausgehen: Eine Person mit diesem Namen existiert hier nicht und hat auch nie im Tuninger Rathaus gearbeitet. Der "Leserbrief" wird daher nicht veröffentlicht.

Der Fridi-Faktor

Während sich die beiden Favoriten selbst in Wahlkampfthemen – naturgemäß – uneins sind, kämpft Fridi Miller an anderer Front. Sie übergoss nach dem für sie schlechten Wahlergebnis am Sonntag die anderen OB-Kandidaten oder deren Unterstützer mehrfach mit wüsten Beschimpfungen im Internet. Darüber hinaus glaubt die selbsternannte Aufdeckungspolitikerin aus Sindelfingen schon nach dem ersten Wahlgang an einen handfesten Wahlbetrug in Villingen-Schwenningen. Per Eilverfahren gegen das Land Baden-Württemberg will sie eine Verschiebung des zweiten Wahlgangs vor dem Verwaltungsgericht Freiburg erwirken.

Schon zum zweiten Mal versucht damit ein Kandidat, einen doppelstädtischen OB-Wahltermin im Vorfeld zu verhindern – beim ersten Mal war es Lars Henker, der in einer Kuchenspende bei einer Wahlveranstaltung von Marina Kloiber-Jung einen Affront und eine Ungleichbehandlung der anderen Kandidaten vermutete und sich deshalb einerseits an das Regierungspräsidium wandte, andererseits seine Kandidatur zurückzog. Im Fall Miller bestätigte die Justizbehörde nun im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten den auch neuen Vorgang.

Es ist anders als in anderen Städten. Meist macht Miller im Nachhinein mit einer Wahlanfechtung den Gewählten das Leben so schwer, dass diese zunächst als Amtsverweser ihr Dasein in den Rathäusern fristen müssen, ehe sie ihr Amt vollumfänglich ausüben können. Nun soll die Wahl am 21. Oktober gar nicht erst möglich werden, wenn es nach der Dauerkandidatin geht. Die Stadt VS als "Beigeladene" und das Regierungspräsidium dürfen sich nun zur Sache äußern, erklärte Richter Klaus Döll vom Verwaltungsgericht im Gespräch. Ob man in Villingen-Schwenningen von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, klären indes aktuell das Wahlamt als Fachamt sowie die Experten des städtischen Rechtsamtes, sagte die Pressesprecherin der Stadt, Oxana Brunner. Schon im Laufe der nächsten Woche werde bei Gericht entschieden, ob dem Antrag von Fridi Miller stattgegeben werde, so Döll. Doch auch dann muss mit den Rechtsstreitigkeiten mit der streitbaren Sindelfingerin längst nicht Schluss sein – eine Wahlanfechtung nach einem zweiten Wahlgang schließt sie nicht aus.

Ende naht (vielleicht)

Kommt es am 21. Oktober zur Wahl, stehen Jörg Röber, Marina Kloiber-Jung, Jürgen Roth, Fridi Miller und Cem Yazici in genannter Reihenfolge auf dem Wahlzettel. Am Donnerstag tagte der Gemeindewahlausschuss und stellte das, nachdem der Rathausbriefkasten am Vorabend leer war, auch ganz offiziell fest.

Mehr zur OB-Wahl in Villingen-Schwenningen in unserem Special.

Kommentar: Wo ist Knigge?

Von Cornelia Spitz

Es wird Zeit, dass dieser Spuk ein Ende hat. Die Stimmung ist gekippt. Täglich werden die Zeitungsredaktionen vor Ort mit üblen Vorwürfen über die Kandidaten konfrontiert – sie finden den Weg in die Zeitung nicht. Gerüchte entpuppen sich als Luftblasen. Angeblich heiße Geschichten als haltlose Beschimpfungen. Auch wer sich nach Feierabend im Internet durch die VS-Plattformen in den sozialen Netzwerken scrollt, traut seinen Augen kaum: Angehörige der verschiedenen Lager schimpfen ungeniert drauflos, Beleidigungen und Verunglimpfungen sind an der Tagesordnung. Knigge? Der lässt hier schon lange nicht mehr grüßen. Aber was tun? Einfach darüber hinwegsehen? Genau das hat offenbar über die Hälfte der Wahlberechtigten getan. Das könnte ein Teil von des Rätsels Lösung sein, warum die Wahlbeteiligung am Sonntag so jämmerlich gering war.