Der Brief lag im Briefkasten der Redaktion. Foto: © Andrey Popov – stock.adobe.com

Anonymes Schreiben stellt Firma vor Rätsel. Angeblicher "Hilferuf" richtet sich an Aktionäre.

Villingen-Schwenningen - Ein anonymes Schreiben von angeblich besorgten Mitarbeitern der Steinel Normalien AG macht die Runde. Nach einem Grund zur Sorge allerdings sucht man vergebens.

"Öffentlicher Hilferuf. An alle Steinel Aktionäre, bitte kümmert euch um eure Firma. Eure besorgten Mitarbeiter." Der Brief lag am Donnerstag im Briefkasten unserer Redaktion. Woher er kam? Das ist ein Rätsel, ein Absender fehlt. Genauso ratlos stehen andere Steinel-Mitarbeiter und der Vorstand Christoph Neudörffer angesichts dieser anonymen Botschaft da.

Neudörffer kann sich nicht erklären, wer so etwas schreiben könnte und warum. "Die Situation ist gut", sagt er über das Unternehmen, an dessen Spitze er seit sieben Jahren steht. Die Steinel Normalien AG liefert Komponenten an Firmen, die Werkzeuge bauen. Gefertigt wird nahezu alles im Haus, am Standort in der Schwenninger Winkelstraße. 130 Mitarbeiter sind dort tätig. Außerdem gehört Steinel noch eine kleine Tochtergesellschaft im Allgäu.

Seit er das Unternehmen führe, sei er viele Schritte gegangen, bei denen er gesagt habe: "Die Mitarbeiter müssen im Vordergrund stehen", erklärt Christoph Neudörffer. Er zählt die Einführung der Gleitzeit auf, Familienfeste im Sommer oder die monatlichen Geburtstagsfeiern. Auf so etwas legt er Wert. Genau wie auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, und dass Steinel Tariferhöhungen mitmacht. "Das ist wichtig und richtig, aber nicht selbstverständlich."

Auch deshalb kann sich Neudörffer nicht erklären, wie es zu dem anonymen Brief kam. Er fragt sich, ob diesen vielleicht gar kein Mitarbeiter geschrieben hat, sondern ein Externer. Denn falls es ein Mitarbeiter war: Was verspricht er sich davon? Sollte sich tatsächlich jemand Sorgen machen wegen einer Entwicklung in der Firma, wäre es doch möglich zu fragen, warum eine Entscheidung gefallen ist, meint er. "Da wäre ich der Letzte, der nicht darauf antwortet." Zumal die Zahlen der vergangenen fünf Jahre belegten: "Jetzt geht’s kontinuierlich hoch."

Betriebsrat verwundert

Was der Firmen-Chef ebenfalls nicht versteht, ist, dass in dem Brief die Aktionäre angesprochen werden. Neudörffer sagt: "Wir sind eine Familie." Er sei selbst Aktionär und leite das Unternehmen in vierter Generation. Sein Urgroßvater habe es gegründet. "Es gibt keine Geheimnisse", erklärt er. "Und im Aufsichtsrat ist auch nur Familie."

Darüber hinaus sei für ihn klar, dass die Firma langfristig bestehen bleiben und Freude machen müsse. Deshalb plant Steinel gerade auch einen Neubau beim Flugplatz. In der Winkelstraße 7, Firmensitz seit den 50er-Jahren, wird der Platz knapp. Auch in diese Planungen seien die Mitarbeiter einbezogen worden. Der Vorstand ist ratlos. Seine Mitarbeiter hat er am Donnerstag gleich über das anonyme Schreiben informiert. Auch dort herrscht offenbar Ratlosigkeit, dasselbe gilt, wenn man sich in VS umhört.

Christoph Nock, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, kennt ebenfalls keinen Grund, warum sich Mitarbeiter Sorgen machen müssten. "Gar nicht", sagt er. Erst vor vier Wochen habe Neudörffer in einem Gespräch geschildert, wo es hingehen soll und wie die Geschäftszahlen aussehen. Kurz: Gut. "Wenn es wirklich Schwierigkeiten geben würde, würde der Chef uns das mitteilen", ist sich Nock sicher. Zudem finde er "es schade, dass man mit sowas nicht zum Betriebsrat geht". Bisher habe man im Gespräch noch immer eine Lösung gefunden.