Ein Kritiker durch und durch ist Ernst Reiser (Mitte), der für die Sitzungsvorbereitung der Verwaltung deutliche Worte fand. Foto: Eich

Gemeinderäte ächzen unter Umfang der Sitzungsvorlagen. Gremium muss Tagesordnung am Ende entschlacken.

Villingen-Schwenningen - "Das ist keine vernünftige Gemeinderatssitzung, das ist eine ordentliche Viecherei", so brachte es am Dienstag der Gemeinderat Ernst Reiser auf den Punkt. Er war nicht der Einzige, der unter dem Umfang der Sitzungsvorlagen zur Sitzung des Technischen Ausschusses ächzte.

Es ist symptomatisch für den Gemeinderat Villingen-Schwenningen: Bevor es zur Sache geht, wird erst einmal über das Wie, Worüber und ob überhaupt diskutiert. Den Stoff für diese Diskussion lieferte dem Freie Wähler Gemeinderat Ernst Reiser die Verwaltung höchstselbst: Reiser hat es ausgerechnet, stapelweise Sitzungsunterlagen ausgewertet und ist erbost: 1130 Seiten, 63 Tagesordnungspunkte in vier Sitzungen, "Herr Oberbürgermeister, das geht so nicht!" Wie alle Gemeinderäte, so habe auch er einen Eid geschworen, die Entscheidungen nach besten Wissen und Gewissen zum Wohle der Stadt Villingen-Schwenningen zu fällen. Dafür müsse man sich auf Sitzungen ordentlich vorbereiten. Ein Ding der Unmöglichkeit, stellte Reiser mit dem Blick auf die Papierstapel vor sich fest. "Sagen Sie mir mal, wie das geschehen soll?!"

Erst kürzlich, nach einer Sitzung des Technischen Ausschusses mit immerhin 600 Seiten habe Oberbürgermeister Rupert Kubon ihm zugesichert, daran etwas zu ändern. Es sei offenbar nichts geschehen. "Es interessiert Sie nicht, Sie machen grad’, was Sie wollen!"

"Ich nehme nur unter Protest teil"

Er gebe zu Protokoll, "dass ich an dieser Sitzung nur teilnehme unter Protest", betonte Reiser abschließend. Zurücklehnen und tagen konnte das Gremium dann jedoch auch noch nicht: Der SPD-Gemeinderat Bernd Lohmiller blies nämlich in ein ähnliches Horn: Erst am Vormittag des Sitzungstags habe er von der Verwaltung eine E-Mail erhalten zum Tagesordnungspunkt um den Schwenninger Bahnhof, worin die Einsichtnahme in das Wertgutachten zum Bahnhof gewährt worden sei. Morgens die Info, tagsüber vorbereiten, abends tagen – "ein berufstätiger Mensch kann das nicht", befand Lohmiller. Und so gehe auch er, was diesen Punkt anbelangt, unvorbereitet in die abendliche Sitzung, in der er eigentlich einen Beschluss fassen solle.

Der CDU-Gemeinderat Bernd Hezel wähnt die Wurzel dieses Übels übrigens in "zu langen Sitzungspausen". Zweimal habe der Gemeinderat nun sechs Wochen lang so gut wie keine Sitzung gehabt", das sei vertane Zeit. In Sitzungen wie am Dienstag ballten sich dann die Themen. Dass die Situation "problematisch" sei, räumte Oberbürgermeister Kubon gestern Abend ein. Eine Lösung für das Problem indes habe er nicht, denn schließlich seien die Sitzungsperioden auch von Schulferien und dergleichen bestimmt.

Der kontroversen Debatte zum Sitzungseinstieg schloss sich übrigens ein Sitzungsmarathon an, in dem das geplante Pensum trotz konstruktiven und disziplinierten Verlaufs nicht zu schaffen war: Der Tagesordnungspunkt zum Schwenninger Bahnhof etwa musste nach über dreieinhalbstündiger Sitzung, in der noch nicht einmal die Hälfte der Tagesordnung abgearbeitet war, vertagt werden.