Die Schüler Alexander Ph. Goetz und Marc Hölle begutachten die ausgestellten Werke von Werner Gothein. Foto: Feintechnikschule Foto: Schwarzwälder Bote

Kunst: Schwenninger Gymnasiasten besuchten die Ausstellung "geschenkt – genommen"

Schüler des Technischen Gymnasiums der Staatlichen Feintechnikschule waren zu Gast beim Leiter der Städtischen Galerie Wendelin Renn. Er erklärte der Gruppe, weshalb nicht alles Gemalte auch gleich Kunst ist.

VS-Schwenningen. "Was ist Kunst?" Mit dieser Frage konfrontierte Galerieleiter Wendelin Renn seine Zuhörer, eine Gruppe von 19 Gymnasiasten. "Ich weiß es nicht", beantwortete er gleich selbst die Frage. Und jeder, der behaupte, es zu wissen, lüge. Aber es gebe Kriterien, die er nennen können muss, als jemand, der öffentliches Geld für Kunstwerke ausgebe, schildert Renn.

"Kunstwerke kosten auch dann Geld, wenn man sie geschenkt bekommt: Katalogisierung, Lagerung, Versicherung." Alles Faktoren, die nicht zu vernachlässigen seien, erklärt der Galerieleiter. Entsprechend oft sage er nein, wenn ihm Geschenke angeboten werden. "Aber der Opa hat doch so schön gemalt", zitiert Renn. Ja, schon, aber nicht jeder der schön male, sei ein Künstler.

Ein Künstler formuliere mit künstlerischen Mitteln Aussagen. Diese seien auch immer politisch motiviert. Kriterien für die Aufnahme in die Sammlung der Städtischen Galerie seien der künstlerische Wert, das Zusammenspiel mit dem Bestand und Bezüge zur Region. So präsentierte er stolz das erste im freien Nachkriegs-Deutschland 1948 gedruckte Buch: Ein Band mit Tierkreis-Holzschnitten von Werner Gothein. "Der Druckort war übrigens Schwenningen." Von 500 Exemplaren wurde nicht eines verkauft, erläutert Renn. Verlag und Künstler hätten schlicht kaum Werbung dafür gemacht. Aus diesem Fehler lernten beide bei seinem Hiob-Buch: Gothein erstellte eine Werbemappe, die auch im Buch nicht verwendete Holzschnitte enthält. Diese Mappe ist ein Beispiel für eine Schenkung, die Wendelin Renn sehr willkommen war. Eine bestandsergänzende Rarität.

Lebendig und engagiert erläuterte der Galerieleiter die Bilder über Hiob. Seine Zuhörer sahen die Dualität zwischen Gott und Teufel, dargestellt durch expressive, großflächige Schwarz-Weiß-Kontraste, man sah, wie die Leiden Hiob krümmen und seinen Leib mit Beulen übersäen; oft sind es nur wenige Striche, die einem Bild seine Ausdruckskraft verleihen.

Besonders bemerkenswert ist der Variationsreichtum bei den Händen: segnende Hände, heilende, betende, gierige Klauen, Gesten des Triumphs, der Klage und des Flehens. In der Geschichte Hiobs dürfte der Künstler sich auch selbst wiedererkannt haben, denn als Künstler, der sich in der Nazizeit in Mögglingen im Schwarzwald versteckte, wäre er während der Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre dem Hunger fast erlegen.

Beispiele für den Versuch direkter politischer Einflussnahme zeigen andere Werke in der Ausstellung: Arbeiten, die für die SPD unter Willy Brandt werben, die Ölkrise thematisieren oder die hochgerüstete Bundeswehr kritisieren.

Anders als Kritik könne man es wohl nicht verstehen, wenn in bunten Pop-Art-Bildern düstere Panzer auftauchen, schildert Renn.