Behinderte erhalten in VS künftig 50 Prozent Ermäßigung auf Eintrittspreise. Foto: Minerva Studio/Fotolia.com

Künftig 50 Prozent Ermäßigung und freien Eintritt für Begleitperson. Ab wann ist es zu viel des Guten?

Villingen-Schwenningen - Bei Konzerten großer Stars haben Rollstuhlfahrer oft Vorfahrt. In Villingen-Schwenningen sollen Behinderte bei einigen kulturellen Veranstaltungen bislang stiefmütterlich behandelt worden sein. Das soll sich ändern. Doch über das Maß, ab wann ihnen eine Ermäßigung zustehen soll, wird kontrovers diskutiert.

Maria Noce hatte nach der Kulturnacht 2017 eine Diskussion in Villingen-Schwenningen angestoßen. Die CDU-Gemeinderätin monierte damals, dass es keine Ermäßigungen für das Betreuungspersonal von Behinderten bei kulturellen Veranstaltungen gebe – Begleiter von Rollstuhlfahrern müssten bei der Kulturnacht vollen Eintritt bezahlen und auf Anfrage sei dann auch noch ein nicht hinnehmbarer Kommentar gefallen, der implementiert habe, die Kulturnacht sei keine Veranstaltung für Rollstuhlfahrer. Was folgte, ist eine seither kontrovers und bisweilen durchaus auch emotional geführte Diskussion im Oberzentrum, die nun in einen Beschluss mündete.

Der Beschluss

  Für alle kulturellen Veranstaltungen der Stadt Villingen-Schwenningen sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung ab 80 eine Ermäßigung von 50 Prozent auf alle Veranstaltungen des Amtes für Kultur erhalten.   Bei denjenigen, die einen Ausweis mit Kennzeichnung B (Begleitperson) besitzen, soll die Begleitperson zusätzlich freien Eintritt bekommen.  Zu den betroffenen Veranstaltungen gehören auch Stadtfeste wie insbesondere die Schwenninger Kulturnacht.

Noce will mehr

Maria Noce, die quasi als Anwältin für die Behinderten in dieser Sache vorpreschte, ging dieser Vorschlag jedoch nicht weit genug: Behinderte sollten nicht erst ab einem Grad von 80 Prozent, sondern bereits ab 50 Prozent Behinderung begünstigt werden, schlug sie daher am Mittwochabend im Gemeinderat vor – Behinderte seien auf vielfache Weise benachteiligt und lebten finanziell oft am Rande der Armut. Ihr Vorschlag aber traf auf eisigen Gegenwind und das aus ungeahnter Richtung: Henning Lichte (Freie Wähler), als pensionierter Kinderarzt und Initiator des Pro-Kids-Treffs selbst bekannt für seine soziale Ader, gab zu: "Die Unzufriedenheit von Frau Noce kann ich so nicht ganz teilen", der Kompromiss, Menschen ab 80 Grad Behinderung in der vorgeschlagenen Weise zu begünstigen, entspreche durchaus dem Machbaren. Und selbst Beate Bea, die städtische Beauftragte für Menschen mit Behinderung, legte ihr Veto ein. "Ihre emotionale Äußerung hat mir zwei schlaflose Nächte bereitet", sagte sie an Maria Noce gewandt. Sie habe daraufhin recherchiert, auch bei anderen Städten, wie sie mit solchen preisreduzierten Tickets für Behinderte umgehen – einige gingen damit geradezu radikal um und gewährten lediglich als Good-Will-Aktion Rabatte auf Tickets. Folglich könne sie nur zu dem Schluss kommen: "Ich finde die Lösung sehr gelungen" – Ziel einer solchen Regelung könne es schließlich nicht sein, das Budget eines Kulturamts in die roten Zahlen zu rücken, "und dann den Leuten dort schlaflose Nächte zu bereiten", so Bea.

Der Freie-Wähler-Gemeinderat Bertold Ummenhofer stimmte sogar ganz einsam gegen den Vorschlag: "Ich halte diese Ermäßigung nicht für notwendig, sie sollte sich nicht am Grad der Behinderung orientieren", sondern an der Einkommenssituation, so Ummenhofer. Und dafür schließlich gebe es den Sozialpass in Villingen-Schwenningen. "Irgendwann kommen andere Zeiten", prophezeite Ummenhofer, dann sei eine in diesen fetten Jahren generös getroffene Regelung schwer rückgängig zu machen. Sein Fraktionskollege Ernst Reiser jedoch wollte Ummenhofers Statement nicht für die Fraktion stehen lassen: "Leute mit Handicap, denen im Leben viele Dinge verwehrt sind", hätten es schwer genug. "Wenn man denen mit relativ geringem Aufwand ein bisschen helfen kann, ist das doch keine Frage!"

Info: Behinderte im Landkreis

In der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg leben derzeit 22.044 Menschen mit einem Grad der Behinderung von 80 bis 100 Prozent. Bei der Annahme, dass nur fünf Prozent der Berechtigten (1102 Personen) die Ermäßigung von 50 Prozent in Anspruch nehmen, sind bei einem Durchschnittspreis von 28,50 Euro Mindereinnahmen von etwa 15.706,35 Euro zu erwarten.