Die Familienrichter Stephan Elsner und Nina Kaehler referieren in der Volkshochschule Schwenningen. Foto: Riesterer Foto: Schwarzwälder Bote

Integration: Richter geben Flüchtlingen an der Volkshochschule Rechtsstaatsunterricht

Weshalb ist der Familiennachzug schwierig, obwohl man im Heimatland doch verheiratet ist? Das war eines der Hauptthemen, über das kürzlich Flüchtlinge aus Eritrea beim Rechtsstaatsunterricht an der Volkshochschule (VHS) Schwenningen mit zwei Richtern sprachen.

VS-Schwenningen. "Wenn sie wollen, können Sie Beide heiraten", sagt Familienrichterin Nina Kaehler vom Amtsgericht Villingen-Schwenningen zu zwei jungen Männern und lacht. Die etwa 30 Eritreer, die um Kaehler und ihren Kollegen, Familienrichter Stephan Elsner, herum sitzen, lachen ebenfalls. Manche sofort, manche versetzt nach der Übersetzung – je nach aktuellem Deutsch-Kenntnisstand.

Das seit Oktober geltende Gesetz, das in Deutschland die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt, wird von den Flüchtlingen in den Räumlichkeiten der VHS eher mit Verwunderung als mit Ablehnung aufgenommen – das sei doch ein Nachteil, weil das Paar keine Kinder bekommen könne, meint ein Zuhörer.

Es ist der erste Termin eines Rechtsstaatsunterrichts für Flüchtlinge an der Volkshochschule. Die Kurse des Landesministeriums für Justiz und Europa sowie des Volkshochschulverbands Baden-Württemberg werden nur Flüchtlingen desselben Herkunftslandes angeboten – allein aus Übersetzungsgründen. Amtierende Richter und Staatsanwälte gestalten den Unterricht, in Schwenningen sind es Kaehler und Elsner.

Zu diesem Termin hatte die Fachabteilungsleiterin für Sprache und stellvertretende VHS-Leiterin, Viola Röder, die Eritreer eingeladen. Für die Adressen nahm sie Kontakt zu Margrit Schmider vom AK Asyl auf, die sich um die Belange der Flüchtlinge aus diesem Land kümmert. "Etwa zwei Drittel der hier lebenden Eritreer sind da. Von den anderen haben einige bereits eine Arbeit und nicht frei bekommen", erklärt Schmider, die "Mama für die Eritreer", wie Röder und die Flüchtlinge selbst es ausdrücken. Und Schmider ist sichtlich stolz, wie lebhaft und wissbegierig – aber auch relativ diszipliniert – ihre "Kinder" am Kursgeschehen teilnehmen.

Asylsuchende springen für Dolmetscher ein

Gerade eben zählt die Kursgruppe den beiden Dozenten die ihnen bekannten Grundrechte auf, die in Deutschland gelten. An der Tafel stehen bereits Meinung, Religion, Presse, Bildung, körperliche Unversehrtheit oder Versammlung. Es ist ein interessantes Hin und Her zwischen den Leitern, Teilnehmern und den beiden Dolmetschern – ebenfalls Flüchtlinge, aber schon länger in Deutschland als die meisten anderen. "Normalerweise wäre ein professioneller Dolmetscher gekommen. Weil der krank wurde, haben die beiden für ihn übernommen. Dafür wurden sie immerhin auch von ihren Integrationskursen befreit", sagt Röder augenzwinkernd.

"Unsere Verfassung hat den Namen Grundgesetz", erklärt Kaehler zum Abschluss des ersten Themenblocks. Zuvor war über die Bundesrepublik, Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip gesprochen worden. Die Diskussion lebte auf, als die Unterschiede zwischen Bundes- und Landtag oder Bundesrat und -tag erörtert wurden. Beim Vorgang, wie hier Gesetze verabschiedet werden, hakten die Eritreer nach. Wie auch, als es um das Gewaltmonopol und die Polizei ging: "Die Flüchtlinge haben oft das Gefühl, dass die Polizei ihnen nicht hilft, weil sie nicht verstanden werden", sagt Kaehler.

Im zweiten Themenblock möchten sie und Elsner auf einige der aufgezählten Grundrechte im Einzelnen eingehen. Muss ein Mädchen in die Schule? Die Eritreer sagen Ja. Natürlich, erklärt Elsner, denn zu den Freiheiten kämen nun mal auch die Pflichten wie die Schulpflicht hinzu, die es in Deutschland zu beachten gelte. Auch in den Schwimmunterricht? Nicht alle Eritreer sagen Ja. Der Stundenplan sei aber nun mal Sache der Schulen, erklären die Richter.

"Der Unterricht ist von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich", berichtet Kaehler. "Manchmal muss man das Polygamieverbot betonen oder ein zweites Mal erklären, dass in Deutschland Kinder auch von ihren Eltern nicht geschlagen werden." Überall gleich sei jedoch, dass bei Ehe, Familie und Kindern Aufregung herrscht: Familiennachzug ist das aktuell beherrschende Thema. Oft sei das Problem, dass viele Ehen nur kirchlich abgeschlossen seien. "Hier in Deutschland sind Kirche und Staat aber strikt getrennt. Wenn man nicht vor einer Behörde geheiratet hat, wird die Ehe hier in Deutschland nicht anerkannt", erklärt Elsner den Zuhörern.

Uneinigkeit herrscht auch bei der Frage, zu wem Kinder nach einer Scheidung (Kaehler: "Das machen wir, das Familiengericht") kommen. Die Maxime, stets nach dem Kindswohl zu entscheiden, verstehen die meisten der Eritreer. Auch wenn viele der Meinung sind: Die Kinder sollten zu den Müttern. Denn Männer seien draußen bei der Arbeit und könnten sich nicht um die Kinder kümmern.