Unsere Berichterstattung über einen Arzt schlug hohe Wellen. Bei der Staatsanwaltschaft in Konstanz liegen nun mehrere Anzeigen gegen den Mann vor. Foto: Berg

Vorwurf Behandlungsfehler: Bericht zieht weitere Kreise. Verbandssprecher halten sich noch bedeckt.

Villingen-Schwenningen - Hat ein Facharzt aus dem Kreis Patienten durch Eingriffe teils massiv geschädigt? Nach dem Bericht im Schwarzwälder Boten schlugen die Wellen nicht nur auf Internetportalen hoch. Weitere Patienten zeigten den Mediziner an.

Mittlerweile liegen der Staatsanwaltschaft Konstanz noch weitere Anzeigen vor, wie deren Sprecher Andreas Mathy bestätigte. Eine konkrete Zahl konnte Dieter Popp von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Tuttlingen nicht nennen. "Seit der Veröffentlichung ist einiges im Fluss."

Die Ermittlungen gegen den Mediziner laufen bereits. Dessen Anwälte indes weisen die Vorhaltungen auf Anfrage unserer Zeitung zurück. "Den Vorwurf unnötiger Operationen, wie auch einer Schädigung von Patienten weisen wir im Namen unseres Mandanten zurück", erklären die Anwälte.

Patientennetzwerk: Weite Kreise zog die Veröffentlichung des Berichtes "Patienten werfen Arzt Pfusch vor" im Schwarzwälder Boten. Immer wieder meldeten sich Betroffene, mittlerweile ist ein Netzwerk von einstigen Patienten des niedergelassenen Arztes aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis entstanden, die ihre Erfahrungen austauschen. Lagen anfangs der Staatsanwaltschaft Konstanz vier Strafanzeigen vor, gingen weitere Patienten zur Polizei.

Hohe Dunkelziffer: Während frühere Patienten des Arztes den Kontakt zueinander suchen, sind die Vorwürfe gegen den Mann auch in Medizinerkreisen und Verbandskreisen ein Thema. Oliver Erens, Leiter der Pressestelle der Landesärztekammer in Stuttgart, kann zu dem aktuellen Fall zwar nichts sagen; der Ärztekammer seien die Hände gebunden, solange der Staatsanwalt ermittle. Weder bestätigen noch dementieren wollte er auch, dass mindestens ein Arzt aus der Region die Bezirksärztekammer in Freiburg darauf hingewiesen haben soll, dass "in einer Praxis nicht alles ganz korrekt" ablaufe. Erens verwies darauf, dass "der Kammervorstand nichtöffentlich tage".

Generell bedauere die Ärzteschaft jeden Behandlungsfehler: "So etwas kann leider immer wieder vereinzelt vorkommen, glücklicherweise sehr selten gemessen an der täglich riesigen Zahl von Behandlungen in Praxen und Kliniken." Die vier Bezirksärztekammern in Baden-Württemberg werden immer wieder bei Beschwerden oder Behandlungsfehler-Vorwürfen angerufen, ergänzt er. Bei den von den Ärztekammern eigens eingerichteten Gutachterkommissionen könnten Betroffene eine außergerichtliche Klärung derartiger Vorwürfe veranlassen. Trotz Antragszahlen im niedrigen vierstelligen Bereich schätzt er, dass die Dunkelziffer höher sei. Manche Patienten schreckten jedoch vor einer Anzeige zurück.

Der Verband: Wie reagiert der Regionalverband der betreffenden Fachärzte? Arndt Breuning, deren Sprecher, hält sich sehr bedeckt. "Das Verfahren ist ja noch nicht zu Ende." Nur so viel möchte er sagen: Die Erfahrungen zeigen, wenn einzelne Patienten den Mut dazu haben, an die Öffentlichkeit zu gehen, löse dies eine Lawine an weiteren Vorwürfen aus. Weitergehende Fragen an Verbandsvertreter bleiben indes unbeantwortet: Unseren Informationen zufolge soll der Facharzt seit längerer Zeit keine Notdienste mehr übernommen haben. Weder die Kassenärztliche Vereinigung, Bezirksdirektion Stuttgart, noch Facharzt und Organisator Michael Jaumann, wollten dies kommentieren. Jaumann, der in die Notdienstregelung landesweit eingebunden ist, sagt: "Mir ist nichts bekannt, dass ein Kollege vom Dienst befreit wäre." Wer aus welchen Gründen auch immer keinen Dienst mehr machen möchte, müsse einen Vertreter bestimmen.

Die Anwälte des Arztes teilen auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass ihr Mandant im Schwarzwald-Baar-Klinikum in der Tat nicht für einen Notdienst eingeteilt war. Sie weisen jedoch darauf hin, dass es auch zwei weitere Ärzte aus der Dienstgemeinschaft gibt, die dort ebenfalls nicht für Notdienste eingeteilt wurden. Ein Zusammenhang mit angeblich von Patientenseite aus vorgeworfenen Behandlungsfehlern und der Nichteinteilung zum Notdienst an diesem Klinikum bestehe nicht.

Auf die Vorwürfe diverser Quellen, er habe "überdurchschnittlich viel operiert" und Patienten durch Eingriffe "teils massiv geschädigt" reagiert die Anwaltskanzlei ebenfalls: Namens des Mandanten wird der Vorwurf, er habe überdurchschnittlich viel oder auch unnötig operiert, zurückgewiesen, ebenso der Vorwurf einer Schädigung von Patienten.

Die Abrechnungen: Ganz losgelöst von dem speziellen Fall im Kreis, stellt sich auch die Frage nach dem Abrechnungsprozedere. Sind Patientenbeschwerden ein Grund für die KV genauer auf die Abrechnungen zu schauen? "Wir machen generell Plausibilitätsprüfungen", erwidert Swantje Middeldorff von der KV-Bezirksdirektion Stuttgart. Wenn es Patientenbeschwerden gebe, "dann haken die Kollegen nach. Sie fordern die Dokumentationen an und wenn nach deren Prüfung die Abrechnung immer noch unplausibel erscheint, dann wird der Arzt aufgefordert sich zu äußern", fügt sie hinzu.