Gesundheit: Schwenninger Logopädin bangt um Zukunft ihrer Praxis / Karin Kohl denkt über Schließung nach

Die Schwenninger Logopädin Karin Kohl fürchtet um ihre Existenz. Es ist nicht nur der Therapieausfall, der ihr Sorgen bereitet, sondern auch die Berechnung der Ausgleichszahlungen gemäß des jüngst beschlossenen Rettungsschirms.

VS-Schwenningen. Karin Kohl hat seit 2011 ihre eigene Praxis für Logopädie in Schwenningen. Um den Betrieb und die Zukunft dieser macht sie sich allerdings nun große Sorgen. Nicht, weil Kohl kurz vor der Rente um eine Nachfolge bangt, sondern weil durch die Corona-Pandemie schon der Fortbestand unter ihrer eigenen Leitung gefährdet ist.

In einem Schreiben teilt sie dem Schwarzwälder Boten mit: "Der aktuell beschlossene Rettungsschirm für Heilmittelerbringer ist unzureichend, da nur die im vierten Quartal 2019 abgerechneten Leistungen bei der Berechnung einer Ausgleichszahlung berücksichtigt werden und nicht die erbrachten Leistungen, die erst im Jahr 2020 abgerechnet wurden." Hier gibt es laut Kohl aufgrund unterschiedlicher Abrechnungszeiträume Differenzen.

Zum Hintergrund: Die Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung soll die Heilmittelversorgung für einen Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 sicherstellen. Dabei erhalten die Praxen pauschale Ausgleichszahlungen in Höhe von 40 Prozent des von der gesetzlichen Krankenversicherung im vierten Quartal 2019 erhaltenen Vergütungsvolumens. Für Kohl ist das nicht zufriedenstellend. "Wenn meine Praxis also nun leer ausgeht, und ich keine Ausgleichszahlungen in entsprechender Höhe meiner im vierten Quartal erbrachten Leistungen erhalte, bin ich als kurz vor der Rente stehende Logopädin nun gezwungen zu handeln – in dem ich mich vor der zweiten Corona-Welle schütze und die Praxis gleich schließe, bevor ich am Ende gar verschuldet aus der Corona-Krise herausgehe", formuliert Karin Kohl ihre Sorgen. Schließlich liefen die Praxiskosten weiter, Behandlungseinnahmen blieben jedoch aus.

Sie wirft der Politik vor, dass es durch den beschlossenen Rettungsschirm zu einer "massiven Ungerechtigkeit" kommt, die zur Schließung von zahlreichen Praxen führen werde.

Unterstützung erfährt sie von Stefan Röser, Facharzt für Kinderheilkunde in Schwenningen: "Frau Kohl versorgt seit vielen Jahren einen Großteil meiner sprachlich in der Entwicklung beeinträchtigten Kinder. Bei zwei logopädischen Praxen in Schwenningen ist die Versorgungslage hier meines Erachtens schon sehr knapp", schreibt Röser. Der Fachmediziner weist auf die Bedeutung der logopädischen Arbeit hin: "In dem sozial sehr inhomogenen Umfeld meiner Praxis mit mehrheitlich fremdsprachigen Familien, ist die sprachliche Förderung im Vorschulbereich entscheidend." Es bestehe oft schon frühzeitig und intensiv Förder- und Therapiebedarf, um langfristige Benachteiligungen zu vermeiden.

Stefan Röser sieht deshalb nicht nur die bedrohten Existenzen der Praxen und Heilmittelerbringer, sondern sorgt sich vor allem um die medizinische Versorgung der Patienten. "Wenn die so pandemiebedingten Ausfälle bei der Versorgung der Kinder die Existenz der vorhandenen Praxen bedrohen, sehe ich die so vordringliche sprachliche Förderung und Therapie der Kinder in Schwenningen auch auf Dauer gefährdet." Für ihn ist die Sprachförderung vor allem für Vorschulkinder in einem "oft prekären Umfeld" langfristig höchst systemrelevant.

Eine Alternative zur Einzelbehandlung, beispielsweise in Form von Video-Logopädie, sieht er nicht. "Die mittlerweile angepriesene Video-Logopädie stellt meines Erachtens keine ernstzunehmende Alternative dar und wird von mir nicht unterstützt", schreibt er.