Villingen-Schwenningen - Villingen-Schwenningen hatte die Wahl – und hat von diesem Wahlrecht mit nur 42,3 Prozent Wahlbeteiligung Gebrauch gemacht. Doch das Votum ist eindeutig: Jürgen Roth ist der Sieger des ersten Wahlgangs der Oberbürgermeisterwahl.

"Gefeiert wird noch nicht", sagte Jürgen Roth am Ende eines spannenden Wahlabends dem Schwarzwälder Boten. Der Sieger des ersten Wahlgangs, der mit 48,1 Prozent der Wählerstimmen unter sechs Kandidaten die absolute Mehrheit nur hauchdünn verpasst hat, strahlt und sammelt unterwegs zum zweiten Wahlgang am 21. Oktober schon einmal erste Glückwünsche und Küsschen. Bis dahin gelte es, "in Villingen noch aufzuholen", bilanzierte der 55-Jährige trotz des großen Wahlerfolgs selbstkritisch im Gespräch auf dem Münsterplatz. Darüber hinaus gelte es, natürlich "das gute Wahlergebnis zu halten".

Sein ärgster Konkurrent und Stimmenzweiter bei der Wahl am Sonntag, Jörg Röber, gibt sich noch nicht geschlagen. Er habe auf eine stärkere Wahlbeteiligung gehofft, gibt er zu – doch genau in den nur 42,3 Prozent Wahlbeteiligung sieht der 38-Jährige offenbar auch seine Chance: "Für den zweiten Wahlgang ist noch alles offen", sagt er hoffnungsvoll, wenngleich auch nur verhalten lächelnd. Sein "Etappenziel", in einen zweiten Wahlgang zu gehen, habe er schon erreicht.

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Jörg Röber

Landrat Sven Hinterseh hatte fest mit einem zweiten Wahlgang in Villingen-Schwenningen gerechnet, dass es für Roth am Ende fast zur absoluten Mehrheit gereicht hatte, überraschte ihn. "Ich dachte, die beiden liegen näher beieinander", sagte er mit Blick auf Roth und Röber. Gelaufen sei die OB-Wahl des Oberzentrums in seinem Landkreis damit aber noch lange nicht: "Wenn der zweite Wahlgang kommt, ist eh wieder alles offen."

Am 21. Oktober dürfen die Villingen-Schwenninger also erneut zur Wahlurne schreiten. Und auch dann hat das Oberzentrum offenbar wirklich die (Aus-)Wahl: Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten bekundeten außer Gaetano Cristilli alle Bewerber des ersten Wahlgangs ihr Interesse, bei der Neuwahl in 14 Tagen mitzumischen.

So geht’s weiter

Am heutigen Montag stellt der Wahlausschuss um 18.30 Uhr das endgültige Wahlergebnis fest. Bis Mittwoch, 18 Uhr, können neue Kandidaten für den zweiten Wahlgang ihren Hut in den Ring werfen oder bisherige ihre Bewerbung zurückziehen. Am Donnerstag um 8.30 Uhr tagt der Ausschuss und legt die Reihenfolge eventueller neuer Bewerber auf dem Wahlzettel fest – hinter den Kandidaten des ersten Wahlgangs.

Kommentar: Armutszeugnis

Von Cornelia Spitz

Sechs Kandidaten bei der Neuwahl eines Oberbürgermeisters, bei welcher der Amtsinhaber nicht mehr antritt. Über 85.000 Einwohner, knapp 65.000 Wahlberechtigte. Und nur 42,3 Prozent Wahlbeteiligung. Noch nicht einmal jeder Zweite hat von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Wer dieses Rechenexempel aufmacht, kommt nicht umhin, festzustellen: Das ist ein Armutszeugnis! Dabei sah es im Vorfeld so gut aus: Dass sich ganze sechs Kandidaten aufstellen lassen, hatte man kaum zu träumen gewagt. Das Interesse an Podiumsdiskussionen war in der Folge immens. Und auch online wurde so viel über die Kommunalpolitik diskutiert wie noch nie. Doch was passierte dann? Offenbar hat man es nicht geschafft, die Wähler zu mobilisieren. Für die nächsten zwei Wochen kann das nur eines heißen: Wanted, Wähler in VS bis zum 21. Oktober dringend gesucht!

Stimmen der Kandidaten zur Wahl

Jürgen Roth

"Ich bin sehr überrascht und natürlich glücklich", sagt Jürgen Roth über seinen Spitzenplatz mit 48,1 Prozent. Er kommt, kurz bevor alle Ergebnisse ausgezählt sind und Rupert Kubon das Ergebnis verkündet, auf den Münsterplatz. Natürlich wäre es schön gewesen, die "eins Komma ungrad" Prozent, die ihm zum Wahlsieg fehlen, noch bekommen zu haben, meint er. Doch der Tuninger Bürgermeister geht mit Elan in die nächste Runde: "Dann machen wir noch zwei Wochen und ringen noch ein bisschen." Nun gelte es vor allem, auch die Villinger von sich zu überzeugen und das gute Wahlergebnis zu halten. Dafür hat er "natürlich" noch Energie.

Marina Kloiber-Jung

Aufregend ist es für Marina Kloiber-Jung, auf dem Münsterplatz gestern Abend die Bekanntgabe der Ergebnisse zu verfolgen. Früh zeigt sich, dass "ihr" Balken, der blaue, an dritter Stelle verharrt. "Dann ist es halt so", kommentiert sie. Am Ende sind es 12,2 Prozent für die Geschäftsführerin der Technischen Dienste VS. Schon vor Bekanntgabe des Ergebnisses steht für sie fest: Gibt es einen zweiten Wahlgang, "dann mach ich da auf jeden Fall noch mit". Sie habe auf jeden Fall Kraft-Reserven für weitere zwei Wochen Wahlkampf. "Wir haben uns schon vorbereitet und werden schauen, wie wir weitermachen", erklärt Kloiber-Jung.

Jörg Röber

"Die Wahl ist eine große Herausforderung gewesen. Natürlich hätte ich mir ein paar Prozent mehr gewünscht, aber das Etappenziel, in den zweiten Wahlgang zu kommen, ist erreicht. Dass es zu diesem kommt, damit hatte ich von vornherein gerechnet. Die kommenden zwei Wochen werden noch mal sehr intensiv – wir müssen viel tun, ich muss noch viel tun. Dabei muss ich versuchen, vor allem diejenigen Wähler zu überzeugen, die mir heute Abend nicht ihre Stimme gegeben haben. Dazu zählt natürlich, genau das Ergebnis auszuwerten. Ich werde schauen, wo ich stehe und wo ich noch an ein paar Schrauben drehen kann. Motiviert bin ich umso mehr."

Cem Yazici

Der Schwenninger Gastronom ist "natürlich nicht so zufrieden", er zeigt sich aber insbesondere über die Wahlbeteiligt enttäuscht. "Es kann nicht sein, dass 60 Prozent nicht zur Wahl gegangen sind", so Jam von der Linde. Er vermutet, dass es den Wählern gleichgültig ist, welcher Oberbürgermeister zukünftig in der Doppelstadt das Sagen haben wird. Obwohl er lediglich 1,5 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten hat, wird Yazici nochmals antreten. "Ich habe meinen Plan B", verkündet er. Außerdem möchte er sich bei den kommenden Gemeinderatswahlen aufstellen lassen und sich so aktiv an der Kommunalpolitik in der Doppelstadt beteiligen.

Fridi Miller

0,5 Prozent der Stimmen hat Dauerkandidatin Fridi Miller erhalten. Überrascht ist sie darüber nicht. Die Wahlergebnisse würden sowieso "über die EDV gefakt". Sie werde vom System abgestraft, weil sie sich für Kinder- und Menschenrechte einsetze, meint die Sindelfingerin. Eines hat sie dann doch erstaunt: Dass Jürgen Roth keine 53 Prozent erreichte. Dieser hätte genauso weitergearbeitet wie der bisherige OB Rupert Kubon und der Gemeinderat, ist sie sich sicher. "Mir tut es leid für Gaetano", sagt sie über ihren ebenfalls abgeschlagenen Mitbewerber Cristilli. Sie tritt in zwei Wochen "natürlich" wieder an: "Eine Fridi Miller gibt nie auf."

Gaetano Cristilli

Ein bisschen mehr habe er sich erhofft, gibt Gaetano Cristilli zu. Am Ende waren es nur 2,2 Prozent der Stimmen. Dennoch sagt er: "Ich nehme das Ergebnis sportlich." Rund drei Monate lang sei er unterwegs gewesen und habe viele Menschen getroffen. "Diese Erfahrungswerte, die ich sammeln durfte, bereichern mich." Das könne ihm auch niemand wegnehmen. Zudem hatte er sich mit der Kandidatur einen lang gehegten Wunsch erfüllt. In zwei Wochen tritt er trotzdem nicht mehr an. "Das macht keinen Sinn", sagt der Geschäftsmann. Das sollten Roth, Röber und Kloiber-Jung unter sich ausmachen. Eine Wahlempfehlung gibt er indes keine ab.