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Serie zum OB-Wahlkampf. Bei "Heimspiel" lässt Jürgen Roth doch noch Blick in Privatleben zu.

Villingen-Schwenningen/Tuningen - Die Tür zu Jürgen Roths Zuhause für sein "Heimspiel", die Homestory im Schwarzwälder Boten, geht zögerlich auf. Warum? Weil er eher ungern die breite Öffentlichkeit in seinen privaten Rückzugsraum blicken lässt. "Man muss sich dran gewöhnen", räumt der OB-Kandidat ein und stößt sie dann doch für uns auf, die Tür zu seinem Haus.

Bürgermeister von Tuningen ist er schon, OB von Villingen-Schwenningen will er noch werden. "Klar, als OB ist man Promi, und die Leute wollen hinter die Kulissen schauen", sagt er und grinst achselzuckend. Etwas versteckt, ganz am Ende der Straße eines Wohngebiets in Tuningen, liegt das Reihenhaus, an dessen Klingelschild sein Name prangt. Der Wahlkampfbus, der überdimensional sein Konterfei zeigt, parkt neben dem Carport. Sein "normales" Auto, eine schwarze Mercedes E-Klasse ("Ein Euro-6-Diesel"), ebenso. Der Wahlkampfbus, erklärt er, bleibt auch diesem Zweck vorbehalten, ansonsten und privat ist Roth nach wie vor mit der Limousine unterwegs.

Aber wohin eigentlich? Am liebsten "zu Freunden", erzählt er. Mit zwei befreundeten Ehepaaren aus Obereschach pflegt er sein großes Hobby, das Kochen. Jeder bringt einen Gang mit, "ungekocht natürlich". Zusätzlich den jeweils passenden Wein, und dann wird, reihum abwechselnd in den Küchen der Koch-Freunde gemeinsam ans Werk gegangen. Dass er ein Faible für das Zubereiten von Speisen hat, wird schon deutlich, als Jürgen Roth die Kaffeetafel deckt und dem Besuch zum Zwetschgenkuchen Sahne anbietet. "Ich habe ein neues Gerät gekauft", verkündet er und schwenkt grinsend eine Art Sahne-Fee. Er habe extra ein Modell gewählt, das sich auch für heiße Speisen verwenden lasse, genauer: für Soßen. "Damit kann man super Toppings zaubern", lässt der Profi wissen, der sich in letzter Zeit besonders dem Kochen von Paella verschrieben hat – gerne auch mal für ein dutzend Personen. "Dann rührt jeder Mal, das funktioniert super!"

Ein geselliger Typ

Jürgen Roth ist, das wird deutlich, ein geselliger Typ – auch wenn er augenscheinlich bescheiden und zurückhaltend auftritt. Er spielt gerne mit anderen Boule. Nachdem er einen entsprechenden VHS-Kurs besucht hatte, war er ganz vorne mit dabei, als in Tuningen eine Boulegruppe gegründet worden ist. Mittlerweile steht ihr sogar ein eigenes Gebäude zum ganzjährigen Boulespielen zur Verfügung. Es gibt zwei Sorten von Boulespielern, lässt Roth wissen, "die Schießer", die mit brachialer Gewalt die gegnerische Kugel abknallen, oder "die Leger", die ihre Kugel sanft nach vorne schieben. Und welcher Typ ist er? "Beides, aber ich glaube ich kann besser legen."

Daraus, dass er nach einem anstrengenden Tag im Rathaus privat gerne mal eine ruhige Kugel schiebt, macht er keinen Hehl. Dann sitzt er im Kino oder vor dem 65-Zoll-Fernseher auf der blauen Ledercouch in seinem Wohnzimmer. Die Serie "The Royals", in der sich alles um eine fiktive Königsfamilie mit einer "völlig abgespacten Prinzessin" dreht, habe ihn regelrecht "geflasht". Aber auch jegliche Art von Science Fiction, von Raumschiff Enterprise bis Star Wars, habe er gerne auf dem Schirm – "alles meins". Ein Motto, dem Jürgen Roth auch gerne mal bei Ausflügen oder Reisen folgt – an Pfingsten beispielsweise geht es bevorzugt zum Camping mit Freunden nach Spanien.

Er sei tatsächlich ein "Jäger und Sammler", gibt er zu. "Ich entdecke in Läden immer tolle Sachen", so wie an Ostern ein paar Eierbecher in Avignon ("Die muss ich haben!") oder die Hühner aus grünem Baumwollstoff, die Roth dann gleich im Fünferpack erstand, um sie auf den Fensterbrettern seines Wohnzimmers zu verteilen. Steine, Kerzen ("Ich spiele gerne mit Stimmungen"), viele Souvenirs und sogar das lustige Giraffen-Bild an seiner Wohnzimmerwand verraten diese Sammelleidenschaft.

Das Wohnzimmer mit der Holztruhe, die eine Bar versteckt, dem roten Orient-Teppich und dem modernen, knallroten Lowboard unter dem Flachbildschirm strahlt statt steriler Design-Verliebtheit eine warme Gemütlichkeit aus. Sie steht in krassem Gegensatz zum durchgetakteten Tag des Bürgermeisters Jürgen Roth. Um 6 Uhr früh klingelt der Wecker, danach liest er die drei lokalen Tageszeitungen am Ipad und schickt schon währenddessen die ersten Artikel über Tuningen für den Pressespiegel ins Rathaus. Ein Milchkaffee und sein Müsli müssen während der Woche als Frühstück genügen. Nur am Wochenende genehmigt sich der Tuninger Bürgermeister nach dem frühen Abstecher auf den Villinger Wochenmarkt eine reich gedeckte Frühstückstafel mit Antipasti und im eigenen Brotbackofen gebackenen Brötchen. Er genießt seine knappe Freizeit als Single.

Fragen zum Single-Dasein

Ob ihn die Fragerei über sein Single-Dasein im Wahlkampf nervt? "Wenn ich mich dafür rechtfertigen muss, ja", sagt er offen und meint außerdem: "Bei der Arbeitszeit, wie ich arbeite, wird es schwierig mit einer Familie." Wenn sich eine Beziehung ergebe, sei es schön, zwingend aber seien Frau und Kinder in seinem Leben zum Glücklichsein nicht. "Ich habe einen gefestigten, stabilen Freundeskreis", und mit ganz engen Freunden teile er auch die höchsten Hochs und tiefsten Tiefs eines Tages, notfalls beim nächtlichen Telefonat oder einer Tasse Cappuccino in aller Frühe. Und auch seine 85-jährige Mutter in der Hammerhalde in Villingen im Betreuten Wohnen nimmt Anteil am Leben ihres Sohnes. Was sie zum Plan, Oberbürgermeister zu werden, sagte? "Bub’, willst Dir das wirklich antun?", "ja, das will ich", habe er gesagt und ihren Segen bekommen: "Ich glaube, sie ist stolz", erzählt er lächelnd. Für seine Mutter schaufelt er sich im Wechsel mit seinem Schwager den Freitagmittag frei. Die Zeit unter der Woche ist knapp bemessen.

Den ganzen Tag über spult er für gewöhnlich Termin nach Termin herunter. Zu Mittag isst er nicht, "nur im Urlaub". Stattdessen genieße er die Zeit zwischen 12 und 13.30 Uhr alleine im Büro. "Da kann ich wirklich Unmengen arbeiten". Jederzeit seien die Amtsleiter via IT im Bilde, ob der Bürgermeister gerade im Haus oder für einen Termin "geblockt" ist. Je nachdem, wie viel Arbeit noch auf dem Schreibtisch liegt, sitzt Jürgen Roth bis abends um 6 Uhr im Büro – "manchmal gönne ich mir aber auch eine 4". Richtig spät wird es oft genug, etwa wenn Veranstaltungen oder donnerstags Gemeinderatssitzungen sind, "inklusive Nachsitzung im Café Ochsen wird es auch mal eins oder halb zwei". Das "Nachsitzen" gehört in Tuningen dazu, nicht nur, um "Strafen abzuarbeiten" – einmal Handyklingeln während der Sitzung beispielsweise kostet einen Kasten Bier. Das dient auch der Harmonie im Gremium. Man ist sich der verschiedenen Parteifarben ungeachtet grün. "Wir haben auch ganz wenige Kampfabstimmungen", erzählt Jürgen Roth.

Und trotzdem möchte er es mit dem Gemeinderat in Villingen-Schwenningen probieren, der für seine kontroversen Diskussionen bekannt ist? "Ich bin guter Dinge, im Kreistag sitzen einige der gleichen Leute, da funktioniert es auch", meint er und ist davon überzeugt: "Es liegt an der Sitzungsführung." Wichtig sei es auch, ab und an einmal etwas gemeinsam zu unternehmen, vielleicht sogar in der Freizeit oder an einem Wochenende.

Apropos, wie sehen eigentlich die Wochenenden von Jürgen Roth aus? "Naja", sagt er und reibt sich grinsend das Ohrläppchen, "ich bin Bürgermeister...." Doch wenig später korrigiert er: All die Termine am Wochenende, wenn er Feste und Veranstaltungen in Tuningen besucht, das mache er "nicht, weil ich muss". "Da erfährt man viel, kein Getratsche, sondern man bekommt direkte Rückmeldungen" – Feedback, das Gold wert ist, für eine bürgernahe Arbeit im Rathaus.

Info: Heimspiel

Mit ihrem künftigen Oberbürgermeister wählen die Villingen-Schwenninger nicht nur das neue Stadtoberhaupt, sondern auch einen Menschen. Aber wie tickt er/sieüberhaupt? Wie lebt derjenige, der das Leben der Villingen-Schwenninger in Zukunftmitgestalten möchte, denn selbst? In unserer Serie zum OB-Wahlkampf in Villingen-Schwenningen gewähren die Kandidaten einen Blick hinterdie Kulissen und zeigen ihr privates Gesicht.