Das hat sich in Obereschach noch keiner getraut: Den Ortsvorsteher Klaus Martin an einem fahrbaren Pranger durch den Ort zu schleifen. Aber die Gayser-Gilde brachte dies fertig. Foto: Weiß Foto: Schwarzwälder-Bote

Gayser-Gilde, Wolfbach-Rolli und Glaser nehmen Ortsvorstehern die Rathausschlüssel ab

Von Kurt Weiß und Willi Zimmermann

Villingen-Schwenningen. Die Narren haben in den nächsten Tagen das Sagen. Sie übernahmen in den kleinen Stadtbezirken die Macht.

Nachdem es in den vergangenen Jahren die Gayser-Gilde in Obereschach immer schwer hatte, das von den Ortschaftsräten verbarrikadierte Rathaus zu erstürmen, wandten die Narren in diesem Jahr eine gemeine List an. Bereits am Nachmittag des "Schmotzigen" lockten sie Ortsvorsteher Klaus Martin mit einem fadenscheinigen Anruf von seiner Arbeit in der Amtsstube weg in einen Hinterhalt, wo sie ihn überfielen und festnahmen. Nachdem sich die Gayser-Gilde im Schlossgarten warm gelaufen und dort auch ihr Symbol, den Knochen, gefunden hatte, schleppten die Narren diesen zusammen mit dem armen Ortsvorsteher, für den sie extra einen fahrbaren Pranger gezimmert hatten, zum Rathaus. Dort forderten sie die Herausgabe des Schlüssels. Ansonsten drohten die beiden Gildemeister Michaela Raus und Markus Haberer, den Ortsvorsteher bis zum Aschermittwoch am Pranger stehenzulassen. Dass dies von den Gayser-Musikanten auch noch mit einem Tusch gewürdigt wurde, setzte der Frechheit auch noch die Krone auf. So mussten die Stellvertreter des Dorfoberhauptes wohl oder übel den Rathausschlüssel herausrücken, um ihren Chef aus der misslichen Lage zu befreien. Zahlreiche Zuschauer verfolgten auch das Aufstellen des überdimensionalen Knochens in der Ortsmitte und nahmen zusammen mit den Gayser-Musikanten und den Hästrägern die Einladung zu einem Umtrunk im Rathaus gerne an.

Die Narren rissen am Schmotzige Dunnschtig auch in den Stadtbezirken entlang des Oberen Wolfsbachs das Staatszepter an sich. Als die Glaser ins Rathaus Herzogenweiler einmarschierten, hatte Ortsvorsteher Martin Wangler schon alles vorbereitet, um seinen Gästen einen möglichst angenehmen Empfang zu bereiten. Doch der als Piratenchef vom Hinteren Wolfsbach verkleidete Ortsvorsteher hatte keine Chance, den Schlüssel über die Hohen Tage zu behalten. "Den Schlüssel brauch ich", ließ sich Glaser-Chefin Claudia Neininger nicht abbringen, schließlich kandidiere sie für den Ortschaftsrat und seinen Posten, da müsse sie üben. Bevor Ortsvorsteher Martin Wangler sich doch für einen Fasnetsurlaub überreden ließ, räumte er ein, dass die Narren in den vergangenen Jahren von ihrer Schlüsselgewalt sehr sorgsam Gebrauch machten. Aber am Fasnet-Dienstag-Abend werde er den Ortsschlüssel bei den Narren im Kühlhaus wieder abholen.

Auch in Pfaffenweiler erschienen die als Hemdglonker verkleideten Wolfbach-Rolli in großer Zahl, um Ortsvorsteher Ortwin Nufer einen Fasnachtsurlaub zu gönnen. "Wir übernehmen jetzt die Macht", erklärte Vorstandmitglied Torsten Simon. "Na, na", meinte der Ortsvorsteher, "was macht ihr schon besser". Anpacken wollen sie, entgegneten die Rollis. Zu wenige wissen, was in Pfaffenweiler los ist, die Homepage sei so leer, kein Internet. Da habt ihr zu wenig gebuddelt, strählte der Ortsvorsteher zurück, drum müssen es jetzt andere machen. "Ihr habt euch sowieso ans langsame Netz gewöhnt", weil man nebenher Kaffee trinken kann. Und Neubaugebiete wolle man auch, so die Narren, denn wo soll der Narre-Some herkommen, wenn niemand in den Ort kommen kann?

Eines haben die Narren zumindest schon verwirklicht: Ein neuer Rathaus-Schlüssel, von "Rolli Gurung" angefertigt, passe besser ins Schloss als das bisherige Holzgestell. Von Vorruhestand wollte Ortsvorsteher Ortwin Nufer noch nichts wissen, aber er geht vom Fasnetsurlaub am Aschermittwoch direkt in die Aktiv-Ferien. Dann müssen die dann nicht mehr närrisch verkleideten Ortschaftsräte nach dem Rechten sehen.

Unter den Klängen der Blauen Runde, kräftig verstärkt durch die Rote Runde (Musik- und Trachtenkapelle) zogen die Hemdglonker anschließend durch das nächtliche Pfaffenweiler, ehe sie sich vom Durst geplagt in der innerörtlichen Tränke niederließen.