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Forst setzt auf Pilotprojekt / Hydrogel versorgt junge Triebe / Trockenheit macht Wald zu schaffen

Auf die Idee kam Forstamtsleiter Tobias Kühn nicht etwa, weil er mal wieder Windeln im Wald entdeckte. Denn Hydrogel funktioniert ganz ähnlich wie eine Pampers. Über ein Pilotprojekt im VS-Forst kommt deutlich mehr Wasser an die Jungpflanzen. Und die haben es bitter nötig in diesen trockenen Zeiten.

Villingen-Schwenningen. Tobias Kühn steht vor einer etwa ein Hektar großen Fläche, die einer der großen 2020-Stürme durcheinandergewirbelt hat. Am Rande des Terrains nahe des Wildgeheges Salvest steht ein großer Container. Nicht nur Sarah Löffler, die beim Forstamt in VS ein Praxissemester absolviert und über das Pilotprojekt voraussichtlich ihre Bachelor-Arbeit schreiben wird, überzeugt das Konzept, auch Tobias Kühn verspricht sich viel vom Einsatz des Hydrogels, dessen Rohstoff die Forstbehörde in drei Säcken zu 20 Kilogramm geordert hat. Kühn und Löffler schauen in den Behälter hinein, der im Gewann Lengmoos steht. Mittlerweile ist das Pulver mit einem Kubikmeter Wasser zu 1000 Litern Gel geworden, Hydrogel, um exakt zu sein.

Letzte Hoffnung?

Die letzte Hoffnung für einen Boden, der nach drei Folgejahren mit geringem Niederschlag in der Vegetationsphase im Frühling zu kämpfen hat? "Trockene Jahre", erläutert Kühn im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, habe es immer gegeben, aber "drei hintereinander folgende Jahre, das ist neu". Bislang, rechnet er vor, habe es 700 Liter Niederschlag pro Quadratmeter in diesem Jahr gegeben, "auf 900 Liter sollten wir schon noch kommen". Entscheidend für das Baumwachstum sei aber der Niederschlag in der Vegetationsphase: "Wenn es nur im Winterhalbjahr regnet, hilft uns das nicht." Allen Widrigkeiten zum Trotz rechnen Tobias Kühn und sein Stellvertreter Roland Brauner mit einem mehr als zufriedenstellenden Jahresergebnis im bald zu Ende gehenden Forstjahr, wenn man überlege, welche Probleme die Stürme im Februar und die Wirtschaftskrise durch Corona gebracht hätten. 90 000 Festmeter wurden eingeschlagen, davon 3500 Festmeter Käferholz, berichtet Brauner. Und auch in den kommenden Jahren stehen die Zeichen auf Veränderung. Kühn und sein Team setzen nicht nur auf neue und damit auch dem Klimawandel gewachsene Baumarten wie Douglasie, Eiche und auf vereinzelten Flächen auch Ahorn und Weißtannen. Die zentrale Frage sei, "wie bringen wir die Jungpflanzen durch?"

Drei Optionen

Tobias Kühn erinnert sich an jene Fläche, in der die Bäume vor Monaten wie bei einem überdimensionierten Mikadospiel wild durcheinander lagen. Mittlerweile leergeräumt, wird das Areal nun zu einem Versuchsfeld für Eichen.

Ein Teil der insgesamt 3000 zarten Pflänzchen des später so stattlichen Baumes wurden bereits in den viel zu trockenen Boden gebracht. Bevor die Minipflanzen gesetzt wurden, standen Kühn und seine Mitarbeiter vor drei verschiedenen Möglichkeiten. "Wir hätten achselzuckend hinnehmen können, dass uns viele oder sogar alle Jungbäume eingehen", so der Leiter des städtischen Forstamtes, wenn das Frühjahr 2021 so trocken werde wie dieses Jahr.

Die zweite Option wäre gewesen, die Pflanzen zu gießen, dies sei jedoch aufgrund des viel zu großen Aufwandes nicht umsetzbar. Bleibt die letzte Möglichkeit, der Einsatz von Hydrogel. Wenn Kühn über das Gel spricht, dann bringt er nicht nur das Prinzip Windel ins Spiel, sondern kommt auch ins Schwärmen. Über das Gel, so der Forstwirt, können "Unmengen von Wasser" gebunden werden.

3000 Liter versenkt

Eine gute Alternative stellt das Gel auch deshalb dar, weil keine schädlichen Abbauprodukte wie Monomere entstehen. Bis zum Frühling sollen drei 20 Kilogramm schwere Säcke mit Basispulver verarbeitet und rund 3000 Liter Hydrogel in jene Löcher gegossen sein, in die die zarten Eichenpflanzen hineinkommen. Etwa die Hälfte der Jungpflänzchen soll mit der stark Wasser bindenden zähflüssigen Masse versorgt werden, parallel dazu gibt es Flächen ohne Be handlung. "Dann sehen wir um so besser den Unterschied."

Genaues nächsten Sommer

Wenn sich der Aufwand lohnt, ließen sich die Mehrausgaben für Hydrogel und die längere Arbeitszeit kompensieren. Im nächsten Sommer wissen Kühn und sein Team mehr. Zehn Jahre verbleibt das Gel im Boden, das nicht nur für mehr Feuchtigkeit sorgen soll, sondern auch für zusätzliche Nährstoffe. Denn das Hydrogel wirkt nicht nur wie ein Schwamm, sondern soll auch wie ein Magnet wirken, der Magnesium und Calcium aus dem umliegenden Boden in den Wurzelbereich zieht. Ob der Effekt tatsächlich eintritt, dazu laufen Forschungsarbeiten der Hochschule Rottenburg.