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Mann in Schwenninger Turnerstraße öffnet dreimal täglich Kellerfenster, um Vögel zu füttern. Überall Hinterlassenschaften.

Villingen-Schwenningen - Der Tag, an dem keine Taube mehr auf dem Dach seines Hauses sitze, sei der Tag, an dem er sein Haus und sich selbst anzünde – das habe er zu einer Nachbarin gesagt und weiterhin fast fanatisch Tauben gefüttert. Der Schwenninger füttert sie noch heute dreimal täglich und nährt damit auch einen erbitterten Nachbarschaftsstreit in der Turnerstraße.

Auf dem Markusplatz in Venedig müsste er mit bis zu 500 Euro Strafe rechnen, in Istanbul würde er für seinen Einsatz um die Tauben gelobt. Und in Schwenningen? In Schwenningen löst der Taubenfütterer einen "richtigen Kleinkrieg in der kompletten Gegend" um die Turnerstraße aus, wie es einer der leidgeprüften Nachbarn umschreibt.

Dreimal täglich geht in der Schwenninger Turnerstraße ein Kellerfenster auf. Eine Männerhand wirft eine Handvoll Futter hinaus. Und plötzlich geht alles ganz schnell. Dutzende Tauben preschen im Sturzflug auf den Hof hinab, picken in Windeseile das Futter auf, und verziehen sich dann wieder auf die umliegenden Dächer, Simsen und Wäscheleinen, um auf die nächste Fütterung zu warten. Dreimal täglich geht das so. Seit etwa fünf Jahren.

Zum Leidwesen der Nachbarn ringsherum. "Das ist eine Katastrophe", sagt eine von ihnen, eine andere spricht von einer "absoluten Sauerei" und weist auf die weißen Kotflecken auf ihrer Terasse und auf die Hinterlassenschaften der Tiere auf den Fenstersimsen. Die Inhaberin eines Restaurants für deutsche und türkisch-orientalische Küche in der Nachbarschaft hat die Tauben zwar nicht auf der Terrasse ihres Restaurants sitzen, muss ihnen aber ständig hinterher putzen, um die Wirtschaft für die Gäste ordentlich zu halten. Auch die Gitter vor den Fenstern halfen nicht, die Tiere fernzuhalten.

"Wir haben schon alles versucht, wir haben es im Guten versucht", erzählt ein Anlieger, der ein paar Häuser weiter wohnt, "aber immer, wenn man was zu ihm sagt, dann meint er ›Allah liebt die Vögel‹ und solchen Unsinn". Einer älteren Dame in der Turnerstraße habe er berichtet, Allah habe ihm befohlen, die Tiere dreimal am Tag zu füttern, "wir hätten ein Dach überm Kopf und genug zu essen", nun sei es an ihm, die Tiere zu nähren.

Ähnlich dem Rattenfänger von Hameln ziehe der Mann immer wieder mit einem Beutel voller Taubenfutter los und locke die Wildvögel zu seinem Grundstück. Auf mehreren öffentlichen Plätzen, etwa an der Bürkturnhalle oder in Strangen, sei ihm das Füttern bereits untersagt worden. Getreu dem Motto, "Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, kommt der Prophet eben zum Berg", hole er die Tiere dann zu sich.

Doch das Verständnis, auch jener, die vielleicht um die besondere Beziehung vieler Muslime zu Tauben wissen, hält sich in Grenzen. Eine Taube soll laut Koran einst den Propheten Mohammed vor dem Tode bewahrt haben. Als er vor Feinden in eine Höhle geflüchtet sei, habe eine Taube direkt vor die Höhle ein Nest gebaut – Mohammeds Verfolger hätten deshalb zu der Überzeugung gefunden, Mohammed könne nicht in der Höhle sein. Darüber hinaus gilt die Taube vielen gläubigen Muslimen zufolge im Koran als Wegweiser. Vor den Moscheen in Istanbul beispielsweise sitzen Heerscharen von Tauben, die von Gemeindemitgliedern gefüttert werden.

Die Heerscharen von Tauben in der Schwenninger Turnerstraße hingegen werden nur von dem Mann gefüttert, der damit seine komplette Nachbarschaft gegen sich aufgebracht hat. Und keiner hier scheint der Tierliebe des Mannes etwas Gutes abgewinnen zu können.

"Wissen Sie, das ist ja auch ein gesundheitlicher Aspekt", sagt eine Frau, die auf der anderen Straßen Seite wohnt unter dem Dach, auf dem auch an diesem Dienstagmorgen wieder 70 bis 80 Tauben auf die nächste Futterration warten. Schließlich seien Tauben auch Krankheitsüberträger. Außerdem vermehre sich das Problem gerade rasant: "Die Tauben brüten ja gerade alle", weiß eine Anliegerin und ein anderer weiß auch wo beispielsweise: "unter der Photovoltaikanlage, die vor kurzem auf der Bürkturnhalle installiert worden ist – und die Vögel brüten ja drei- bis viermal im Jahr!"

Frischgewaschenes auf der Wäscheleine vor dem Haus trocknen, die Balkonmöbel benutzen, ohne sie vorher gründlich abgewischt zu haben oder Kinder bedenkenlos auf der Terrasse herumkrabbeln lassen – Alltägliches wird für die Anlieger des Taubenfütterers zum Ding der Unmöglichkeit, das erzählen sie unisono in den vielen Gesprächen mit unserer Redaktion in diesen Tagen.

Auch der Stadtverwaltung hätten sie diese Sorgen anvertraut und schon mehrfach um Hilfe gebeten. Vergeblich – "die sagen uns immer, da könne man nichts machen", erzählt eine Seniorin, ein Geschäftsmann bekräftigt, dass selbst die vielen Anzeigen, die es schon gegeben habe, nicht gefruchtet hätten und ein anderer benennt die Krux der Materie: "Auf seinem eigenen Grund und Boden darf man wohl niemandem das Taubenfüttern verbieten". "Man hat uns gesagt, wir sollen uns einen Anwalt nehmen", schildert eine Nachbarin. Doch auch der tatsächlich schon konsultierte Jurist schätze die Erfolgschancen einer rechtlichen Auseinandersetzung als sehr gering ein.