Statistisch gesehen ist nur etwa jeder zehnte, der in eine finanzielle Notlage gerät, selbst daran schuld. Foto: © Gina Sanders – stock.adobe.com

Ursachen für finanzielle Notlagen sind vielfältig. Diakonisches Werk bietet Menschen Rettungsanker.

Villingen-Schwenningen - Maria S. wird zur Witwe, Markus M. strauchelt wegen eines Schlaganfalls, Heiner K. gibt Geld mit vollen Händen aus, das er nicht hat: Drei verschiedenen Schicksale und Lebenslinien, die an einem Ort in VS zusammenlaufen: In der Schuldner-und Lebensberatung des Diakonischen Werks im Kreis.

"Sie waren meine Rettung": Diesen Satz hört Luitgard Schmieder immer wieder. Für viele strauchelnde und gestrauchelte Menschen aus dem Wirkungsbereich des Diakonischen Werks Schwarzwald-Baar ist sie nicht nur eine ruhige und kompetente Ansprechpartnerin, sondern auch ein Rettungsanker. Wer zu ihr in die Sprechstunde kommt, hat nicht nur eine gewaltige private Hypothek zu tragen, meistens klemmt es auch finanziell. Schon in den ersten Minuten im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten räumt die charmante Frau mit dem bekannten Klischee auf, die meisten Betroffenen seien doch "selbst schuld", wenn sie in die Schuldenfalle geraten." Von wegen, wirft Schmieder einen kurzen Blick auf die vielen Notizen und Aktenordner, in denen sich die Lebensgeschichte vieler Betroffener widerspiegeln. "Statistisch gesehen sind es nur etwa zehn Prozent, die durch eigenes Zutun in eine finanzielle Schieflage geraten." Etwa fünf Neuanfragen landen bei ihr wöchentlich auf dem Tisch.

Kaufrausch auf Pump

Zu diesen zehn Prozent gehört Heiner K. (Name, wie bei den folgenden Betroffenen von der Redaktion geändert). "Ich habe gekauft und gekauft..., erzählt er, "obwohl ich eigentlich kein Geld mehr hatte." Stereoanlage, Auto, Fernseher: Alles ersteht der Mittfünfziger auf Pump, obwohl er aufgrund von Asthma in der Produktion nicht mehr arbeiten konnte und 600 Euro weniger im Monat hatte. Als er vor einem halben Jahr ziemlich kleinlaut beim Diakonischen Werk auftaucht, haben sich die Schulden auf 25.000 Euro summiert. "Wenn Sie wüssten, wie mir das peinlich war", gesteht er freimütig. "Ich weiß nicht, wo ich ohne diese Beratung jetzt wäre." Sein Verhältnis zu Geld hat sich seither grundlegend geändert. "Ich lege Geld zur Seite und zahle nur noch in bar." Wer bei Luitgard Schmieder Platz nimmt, hat einiges erlebt: fristlose Kündigung, Lohnpfändung, drohende Stromsperrungen, Kontopfändungen oder die Aussicht auf einen Termin mit dem Gerichtsvollzieher. Die erfahrene Sozialpädagogin hört  sich zwar  die Lebensgeschichte ihrer  Klienten  an. Doch in allererster Linie geht es darum, deren Finanzen wieder stabilisiert zu bekommen und die Frage, "wie senken wir die Ausgaben und wie kommen Betroffene möglicherweise an soziale Hilfen? "Oft sind es schwere Lebensschicksale, die zur Überschuldung führen, deshalb muss die Beratung immer auf die individuelle Situation der Betroffenen eingehen und bei Bedarf weitergehende Unterstützungsmöglichkeiten hinzuziehen, so Selbsthilfegruppen, wo Betroffene  Trost finden und sich austauschen können." Wichtig ist für sie auch ein anderer Aspekt, der zu klären ist: Liegt das finanzielle Schlamassel an der Person oder eher an den Umständen?

Witwe mit zwei Zusatzjobs

Maria S. kämpft immer wieder  mit den Tränen. Vor einem Jahr hat sie ihren Mann unerwartet früh verloren. Neben dem schweren Verlust kommen jetzt noch existenzielle Ängste, erzählt die Frau. Ein paar Jahre zuvor hat das Paar "als Kapitalanlage" eine Eigentumswohnung gekauft und einen Kredit aufgenommen. "Dabei wurden wir übers Ohr gehauen", berichtet sie. "Nun musste ich die Wohnung wieder mit viel Verlust verkaufen." Schmieder half dabei, mit der Bank der Witwe einen Vergleich auszuhandeln und so die Schuldenlast zu reduzieren. Die Witwe lebt nun in einer kleinen Wohnung und hält sich mit zwei Zusatz-Putz-Jobs über Wasser. Die Rente allein würde nicht ausreichen. Die ganz persönliche Rechnung der 68-Jährigen: Früher standen 3000 Euro netto zur Verfügung, "heute habe ich gerade mal knapp über 1000 Euro." 125 Euro bleiben ihr pro Woche nach Abzug von Miete und Nebenkosten.

112 Fälle hatte Luitgard Schmieder im Jahr 2017 auf dem Tisch, davon 49 Einzelpersonen und 142 Kinder.  Hilfen für Verschuldete bieten auch die Diakonie in Schwenningen an und das Landratsamt im Kreis. "Eine Schuldner- und Lebensberatung klappt aber nur, wenn die Betroffenen mitziehen", so die Sozialpädagogin. Einer, der mitzieht ist auch Markus M. Er ist der klassische Fall eines Endvierzigers, der abrupt aus dem Berufsleben herausgerissen wird. Schlaganfall mit nicht mal 50 Jahren. "Danach ging es steil bergab", berichtet er. Das Hauptproblem für den gebürtigen Kasachen: "Ich habe nur 20 Jahre eingezahlt und in gesunden Jahren noch einen Kredit aufgenommen." Nun lebt er mehr schlecht als recht von einer Erwerbsminderungsrente.

Absturz nach Schlaganfall

Statt einst 1800 Euro Netto muss er nun mit knapp 719 Euro im Monat zurechtkommen. Zum Leben bleiben nach Abzug von Miete und Nebenkosten noch 330 Euro. Verzweifelt sucht er einen 450-Euro-Job, leichte hausmeisterliche Tätigkeiten, um seine kümmerliche Rente aufzustocken: "Das alles hat mein ganzes Leben durcheinander gebracht." Manche schweren Turbulenzen hätten  viele Betroffene vermeiden können, wenn sie früher in die Beratung gekommen wären",  so Schmieder. "Und mancher Schaden wäre vielleicht dann viel kleiner ausgefallen."

Wer Hilfe benötigt, meldet sich beim Diakonischen Werk unter 07721/84 51- 50. Infos auch unter www.diakonie-sbk.de, bei  der Diakonie Schwenningen oder im Landratsamt Schwarzwald-Baar.