Schon wenige Stunden nach Verabschreichung sind sogenannte K.O.-Tropfen nicht mehr nachweisbar. (Symbolfoto) Foto: Scheidemann

Junge Frau aus VS Opfer? Nachweis schon wenige Stunden nach Verabreichung nicht mehr möglich.

Villingen-Schwenningen - Miriam und ihre Freundin Lena sind in bester Laune: Es ist Sommer, beide haben einen Aperol Spritz vor sich. Zwei Männer kommen an den Tisch, verstricken die beiden in ein Gespräch. Kurze Zeit später verändert sich Miriam "schlagartig": Sie beginnt zu lallen, schwankt, ist orientierungslos. Tage später hat die 20-Jährige einen Verdacht. Waren etwa K.O.-Tropfen im Spiel?

Gudrun Brugger, Kommissarin aus dem Polizeipräsidium Tuttlingen, erklärt: "K.O.-Tropfen sind kein beherrschendes Thema im Schwarzwald-Baar-Kreis", für den ihr Referat Prävention zuständig ist. Denn: Der Nachweis der Gammahydroxybuttersäure, kurz GHB, sei schon wenige Stunden nach Verabreichnung dieser Form von Liquid Ecstasy kaum mehr möglich. Das heißt, wenn Miriam am Samstagabend "schlagartig" einen Zusammenbruch hat, aber erst am Montag mit ihrem Verdacht auf K.O.-Tropfen zur Polizei oder zum Arzt geht, "dann können wir in den Körperflüssigkeiten wie Blut oder Urin in der Regel nicht mehr nachweisen, ob es sich um K.O.-Tropfen gehandelt hat", beschreibt sie das Problem. "Es mag da sicherlich eine Dunkelziffer geben, weil einige gar nicht daran denken, dass es sich um K.O-Tropfen gehandelt haben könnte.“

Jochen Link, Anwalt und Leiter der Außenstelle im Schwarzwald-Baar-Kreis des Opferschutzverbandes Weißer Ring, kennt diese Nachzügler-Geschichten. "Wir haben immer wieder solche Fälle", erzählt er im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. "Da ist der junge Mann, der plötzlich vom Fahrrad fällt, verletzt im Schwarzwald-Baar-Klinikum aufwacht und sich an nichts mehr erinnern kann. Er weiß nur noch, dass er auf einer Party war und sonst nichts mehr", beschreibt Link einen Fall. Der Verdacht auf die fatalen Tropfen komme später, "zu spät". "Deshalb gehen auch die wenigsten zur Polizei, weil nichts mehr zu machen ist." Bei diesem Vorfall gehe es aber nicht nur um die Verletzungen, sondern auch um etwaige strafrechtliche Verantwortung und Haftungsfragen: "Es ist eben ein Unterschied", so Link, "ob es ein normaler Unfall ist oder eine Straftat dazu führt, dass der Radfahrer plötzlich auf der Straße umkippt."

Erinnerungslücken ein Indiz

Erzählen Anrufer von Erinnerungslücken, schrillen bei Link und seinen Verbandsmitarbeitern alle Alarmglocken. "Das ist ein starkes Indiz für die Verabreichung von K.O.- Tropfen." Große "Lücken" hat auch eine andere junge Frau, die vor kurzem im Kreis in einem Lokal feiert. Plötzlich kippt die Stimmung, die Frau stottert noch etwas von "mir wird ganz schummerig" und kippt völlig benommen um. Die Freundinnen führen es zunächst darauf zurück, dass sie vielleicht doch etwas zu viel getrunken habe. Doch später hören sie, dass es nur "ein Glas Sekt war". Link vermutet, dass auch hier K.O-Tropfen im Spiel waren. "Beim Alkohol ist der Rausch eher ein schleichender Prozess, bei den Tropfen kommt der Rausch-Zustand abrupt."

Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Orientierungslosigkeit, lallende Sprache: Je nach Dosis, oder in Verbindung mit Alkohol, können die Beschwerden unterschiedlich sein. Genauso unterschiedlich sind die Plätze, an denen der zum Beispiel in kleine Glasfläschen abgefüllte Inhalt in mehr oder weniger unbeaufsichtigte Gläser gekippt wird: "Das kann in Diskotheken passieren, in Kneipen, bei Großveranstaltungen, aber auch privaten Partys", spannt Brugger den Bogen. "K.O.-Tropfen sind auch jetzt beim Public Viewing ein Thema", fügt Link dazu.

Was tun, damit es Besucher nach Party oder Public Viewing nicht umhaut? "Man sollte das Getränk selbst bestellen, sehr vorsichtig bei spendierten Drinks sein, Gläser nicht aus den Augen lassen, vor allem, wenn fremde Leute an den Tisch kommen, denn "schnell sind ein paar Spritzer im Glas". Macht Sinn, wenn man eine andere Geschichte hört: Partystimmung, zwei Männer kommen an einen Tisch, auf dem halb volle Gläser stehen, verstricken zwei Frauen in ein Gespräch, der Rest der Clique schwirrt im Festbereich herum. Die Unbekannten sind unwillkommen, die Freunde stoßen später wieder gemeinsam an, Minuten später irrt einer von ihnen davon orientierungslos durch das Gelände, lallt, klagt über Schwindel. Später, und zu spät auch bei ihm, kommt der K.O.-Tropfen-Verdacht auf.

Brigachtoter krassester Fall

"Wir haben alle nichts gemerkt", erzählen die Opfer. Kein Wunder, denn das in Wasser aufgelöste Pulver oder das flüssige Liquid Ecstasy kommen farb- und geruchlos daher. Wenn die beschriebenen Symptome schlagartig auftreten, dann "sollte man nicht zögern, den Ort zu verlassen, um zur Polizei zu gehen, die 110 oder den Rettungsdienst unter 112 zu wählen", raten Brugger und Link.

Was geht in den Köpfen der Tröpfchen-Geber vor? Sind Frauen die Opfer, sind es meist sexuelle Motive, bei Männern eher räuberische Absichten, denen Handy oder Geldbörse zu stehlen, erklärt Brugger. Und so sei das Herumhantieren mit K.O.-Tropfen nicht allein ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, manchmal gehe es einher mit Straftaten wie Freiheitsberaubung und sexuellem Missbrauch, gefährlicher Körperverletzung (da Verabreichung eines toxischen Produktes) oder Raub- und Eigentumsdelikten.

Ein extremer Einzelfall sei der Brigachtote von Villingen im November 2011: Der Täter, der 2015 verurteilt wurde, trieb ein schlimmes Spiel mit einem damals 25-Jährigen aus Villingen. Laut Urteilsspruch hat der heute 37-Jährige seinem Opfer eine Überdosis der K.O.-Droge Liquid Ecstasy verabreicht, ihn beraubt und bis auf die Unterhose entkleidet, am Brigachufer liegen lassen, wo der junge Mann erfror. Sein Peiniger wurde vom Landgericht Konstanz des Raubes mit Todesfolge für schuldig befunden. Der junge Mann war nicht sein einziges Opfer. Sieben Menschen soll er Tropfen gegeben haben, um sie handlungsunfähig zu machen und zu bestehlen.

Weitere Informationen:

www.polizei-beratung.de (Stichwort K.O.-Tropfen)