Die aufgezeichneten Telefonate werden Wort für Wort übersetzt. Foto: Charisius

Abgehörte Telefongespräche von mutmaßlicher Drogenbande werden genau unter Lupe genommen.

Villingen-Schwenningen/Konstanz - Der 27. Verhandlungstag des so genannten "Mafia-Prozesses" vor dem Landgericht Konstanz war geradezu typisch. Denn die Einführung von Beweismitteln gegen die mutmaßliche Drogenbande aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis gestaltet sich weiterhin und wie so oft überaus zäh.

Eigentlich ist die Angelegenheit nicht zum Lachen. Ganz und gar nicht. Seit September 2018 wird vor dem Landgericht Konstanz gegen eine mutmaßliche Drogenbande aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis verhandelt. Es geht neben dem Verkauf und Schmuggeln von Drogen, ebenso um versuchten Mord. Und doch wird an diesem 27. Verhandlungstag immer mal wieder gegrinst und gelacht. Denn die beiden Männer, denen die Angeklagten und ihre Anwälte, die Staatsanwälte und die Richter gespannt lauschen, lachen ebenfalls. Es handelt sich um Telefongespräche zwischen einem der mutmaßlichen Protagonisten – der Gastronom Giovambattista S. aus Donaueschingen – und einem bereits verurteilten, italienischen Drogenhändler aus Villingen-Schwenningen.

Die Anrufe zwischen den beiden sollen beweisen, dass der 50-jährige S. dem von Marihuana angefixten Drogenhändler mehrere Kilogramm des Rauschgifts im Jahr 2016 verkauft hat. Nur eine von vielen Anklagepunkten in dem Mammutprozess, doch auch dieser will bewiesen werden.

Aufzeichnungen werden vor Gericht abgespielt

Genau deshalb werden die Gespräche zwischen den beiden, die die Polizei abgehört und entsprechend aufgenommen hatte, nun vor Gericht vorgespielt. Und zwar auf italienisch. Das Prozedere gleicht etwas einer italienischen Unterrichtseinheit, bei der billige zum Teil etwas klischeehafte Dialoge von italienischen Kriminellen – aufgenommen mit schlechter Tonbandqualität – übersetzt werden müssen. Genau diese undankbare Aufgabe haben die fleißigen Übersetzerinnen.

Nachdem die Telefonate zunächst im Ganzen angehören wurden, werden sie ein zweites Mal abgespielt und dann alle zehn Sekunden unterbrochen, um die deutsche Übersetzung wiederzugeben. Klingt zunächst banal, ist es aber nicht. Denn die Übersetzung wird von den Verteidigern genaustens unter die Lupe genommen. Teilweise Wort für Wort.

Ein Beispiel? Während eines Telefonats, das im Vorfeld eines möglichen Treffens geführt wird, redet der 52-jährige Dealer – wie so oft – etwas undeutlich. Während die Übersetzerin "casa" – also zu deutsch "Haus" – versteht, will ein Anwalt das vulgäre Wort "cazzo" (Schwanz) herausgehört haben. Die Sequenz wird x Mal wiederholt, sodass sich einige Verteidiger und auch Angeklagte befähigt sehen, in die Sprachanalyse einzusteigen, ehe man sich schließlich auf eine Version einigen kann.

Zwischen den teilweise belanglosen Dialogen ("Ich bin gerade beim Donauquellenfest [...], hier gibt es Musik und Wurst mit Brötchen") blitzen jedoch auch immer wieder bedeutende Schlagwörter auf, die von den erfahrenen Kriminalbeamten als Übergabe einer Teilmenge des vereinbarten Marihuana-Kaufpreises bewertet werden.

Zeitplan kann nicht eingehalten werden

Für Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann ist das Abspielen von hunderten Gesprächen dennoch ein Unding. Sein Vorschlag, die Gespräche teilweise zusammenzufassen ("sonst werden wir dieses Jahr nicht mehr fertig"), wurde jedoch abgeschmettert. So argumentierte die Verteidigung, dass es auch darum gehe, mögliche Missverständnisse bei der Übersetzung vorzubeugen. Bernd Behnke, Anwalt des Donaueschinger Geschäftsmannes Nicolo M., geht sogar noch einen Schritt weiter: "Angesichts der technischen Schwierigkeiten ist es überraschend, dass diese Aufnahmen eine Anklage stützen sollen."

Auch, weil der Vorsitzende Richter Arno Hornstein vermutlich keine Angriffsfläche für eine mögliche Revision seitens der Verteidigung bieten möchte, wird deshalb an dem aufwendigen Verfahren, die Aufnahmen als Beweismittel in den Prozess einzuführen, vorerst festgehalten.

Damit ist jedoch ebenfalls klar: Der Zeitplan des Mammutprozesses kann nicht gehalten werden. Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann geht deshalb davon aus, dass der Prozess nicht nur bis Juni, sondern sogar das gesamte Jahr andauern wird. Kein Wunder, denn auf die Beteiligten warten noch viele weitere Telefonaufnahmen – bei denen sicherlich noch über einige Übersetzungen diskutiert wird.