16 Personen wurden festgenommen, darunter auch der 36-jährige Angeklagte. (Symbolfoto) Foto: © bestphotostudio/Fotolia.com

36-Jähriger wegen Handel mit Marihuana verurteilt. Wichtiger Zeuge in Prozess gegen Drogenhändlerring.

Villingen-Schwenningen - Fast 30 Kilogramm Marihuana hat ein 36-Jähriger in Villingen-Schwenningen unter die Leute gebracht. Vor dem Landgericht kam der Mann mit einem blauen Auge davon – weil er ein wichtiger Zeuge im anstehenden Prozess gegen einen mafiösen Drogenhändlerring ist.

Strenge Sicherheitsvorkehrungen am Dienstagmorgen im Landgericht in Konstanz machen deutlich: Hier steht keine alltägliche Hauptverhandlung gegen einen 36-jährigen Beschuldigten an. Denn der Mann mit italienischen Wurzeln, der in Villingen-Schwenningen aufgewachsen ist, hat mit einem mafiösen Drogenhändlerring zusammengearbeitet. Sein Verfahren und das eines weiteren Beschuldigten wurden von der Strafsache gegen neun Mitglieder der Bande mit Verbindungen zur italienischen Mafia abgetrennt.

Denn: Dem Vater zweier Kinder wird in der Struktur der Bande keine bedeutende Rolle beigemessen, vielmehr fungierte er nach Ansicht von Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann als "Zwischenglied" zwischen den Hauptakteuren und den Käufern. Doch wie geriet der in VS geborene Angeklagte in den Drogenstrudel und damit in die Welt des bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln?

Chef bietet Geschäfte an

Angefangen habe das Dilemma, so berichtet er vor Gericht, mit der Scheidung von seiner Ex-Frau, mit der er zwei Kinder in die Welt gesetzt hatte. Joints habe er davor schon regelmäßig geraucht, doch den Konsum habe er aufgrund des Stresses ge steigert, "da waren es dann drei bis vier Joints am Tag". Als Hauptschüler, der seine Lehre zum Friseur abbrach und anschließend in verschiedenen Firmen unterkam, geriet er, da das gemeinsame Haus verkauft werden musste, schließlich in Geldnot. Nachdem er auch noch aufgrund seines Drogenkonsums den Führerschein verloren hatte, fand er schließlich in einem italienischen Restaurant in Schwenningen einen neuen Job.

Es war das Restaurant von Placido A., dem mutmaßlichen Kopf der mafiösen Bande, die von Italien nach Deutschland Drogen sowie Waffen schmuggelte – und zwar bis im Rahmen einer groß angelegten Polizeiaktion mit deutschen und italienischen Kräften die Bande zerschlagen wurde. 16 Personen wurden festgenommen, darunter auch der 36-jährige Angeklagte.

Dieser jobbte als Kellner in dem italienischen Restaurant des 53-jährigen Placido A. und knüpfte auch schnell außerhalb des Gastronomiebetriebes Kontakt zu ihm: "Er hat mich dann mal gefragt, weil ich ja Marihuana konsumierte, ob ich Interesse an ein paar Kilo hätte." Nach kurzem Überlegen willigte der Angeklagte ein – und befand sich mitten im Gefüge der mafiösen Bande. "Für die Verbindungen habe ich mich aber nicht groß interessiert." Vielmehr war er darauf bedacht, seinen Eigenkonsum zu finanzieren – auch wenn ihm der Verkauf der Drogen keinen großen Gewinn brachte.

Denn: Die Lieferungen, die der 36-Jährige von Placido A. in den darauffolgenden Monaten erhielt, vertickte er oftmals in großen Mengen ohne Gewinnmarge an mehrere Käufer, nur bei den kleineren Mengen der zahlreichen Konsumenten, konnte er Geld abkassieren. Fast 30 Kilo soll er so verkauft haben – und zwar größtenteils aus seiner Wohnung in Schwenningen heraus. Das machte Einnahmen in Höhe von fast 70.000 Euro.

Auf die Schliche seien die Beamten der Ermittlungsgruppe Rauschgift, deren Arbeit vom Vorsitzenden Richter Arno Richter ausdrücklich gelobt wurde ("Das hat alles Hand und Fuß, großes Lob"), dem Doppelstädter im Rahmen der Beschattung von Placido A. – dieser geriet bereits aufgrund laufender Ermittlungen im Drogenmilieu in den Fokus der Kriminalpolizei. Mithilfe von Telefonüberwachung und dem Abhören im Innenraum des Fahrzeugs des Gastronomen erhielt die Polizei Einblick in die laufenden Geschäfte. "Hier wurde oft konspirativ gesprochen – und zwar im Restaurant-Jargon", erzählt der Polizeibeamte, der als Zeuge im Gerichtssaal auftrat.

Haftbefehl außer Vollzug

So habe Placido A. während eines Telefonats mit dem Angeklagten gesagt, "dass er ihm Pizza mit Rucola bringen wird". Dies sei, so erklärt der 36-Jährige, gleichbedeutend mit einem Kilogramm Marihuana – genau so wie ein "Karton Pasta". Diese und weitere wichtige Erkenntnisse in Bezug auf den mafiösen Drogenhändlerring und den Drogenverkäufen des 53-jährigen Gastronomen Placido A., der auch in Rottweil ein Restaurant betrieb, seien vor allem dank der Zusammenarbeit des Angeklagten mit den ermittelnden Beamten ans Licht gekommen.

Die Funktion als Kronzeuge gegen den mutmaßlichen Kopf der Mafiabande und sein Geständnis sorgten dafür, dass auch Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann Milde walten ließ und lediglich drei Jahre und zwei Monate forderte, "ansonsten wäre sieben bis acht Jahre Haft drin gewesen". Richter Arno Hornstein sah dies ähnlich: Er verhängte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat und setzte den Haftbefehl nach 14 Monaten Untersuchungshaft unter Auflagen außer Vollzug. Zudem werden 46.000 Euro aus den Drogengeschäften eingezogen. So konnte er als freier Mann anschließend in die Arme seiner Mutter und seines Bruders fallen, ehe er sich am kommenden Dienstag – wie geplant und als Auflage auferlegt – in Therapie begibt.

Am Donnerstag folgt schließlich die zweite, abgekoppelte Verhandlung gegen einen weiteren Doppelstädter. Dem 51-jährigen Italiener wird ebenfalls Drogenhandel vorgeworfen. Der Prozess gegen die Bande – hier sind neun Männer, darunter Placido A. angeklagt – beginnt am 21. September und wird mehrere Monate dauern.