Interview: Landrat Sven Hinterseh will Glasfaser für jedes Haus und umsteigefreie Verbindung nach Freiburg

Schwarzwald-Baar-Kreis. Eine bessere Infrastruktur macht den Kreis zukunftsfähig, meint Landrat Sven Hinterseh und setzt auf Breitband, Nahverkehr und Elektrifizierung.

Seit sechs Jahren sind Sie nun Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises. Wie gefällt Ihnen der Job inzwischen?

Mir gefällt die Aufgabe nach wie vor sehr gut, sie macht mir sehr viel Freude und ich fühle mich hier rundum wohl.

Wurde dieses Jahr ein Rekordhaushalt im Kreistag verabschiedet?

Ja, das ist so und ich freue mich auf die Umsetzung der vielen Maßnahmen im Jahr 2018.

Die Sozialausgaben nehmen aber die Hälfte des Haushaltsvolumens ein, die Ausgaben werden also immer höher. Woran liegt das?

Das ist vielschichtig und auch kein rein deutsches Phänomen, in Frankreich und Dänemark beispielsweise ist die Sozialquote noch wesentlich höher. In erster Linie sichern unsere Sozialsysteme elementare Lebensrisiken ab und dabei muss man beachten, dass es jeden von uns treffen kann. Man sollte also vorsichtig sein, wenn man mit dem Finger auf andere zeigt. Richtig ist, dass es schwierige Lebenssituationen geben kann, zu deren Bewältigung man Unterstützung benötigt, wo der Staat also eingreifen muss. Da sind ganz unterschiedliche Bereiche tangiert und oft müssen wir mit einem intensiven Einzelfallmanagement unterstützen. Und es ist auch festzustellen, dass die Dinge immer komplexer werden.

Was hat aus Ihrer Sicht im nächsten Jahr Priorität?

Ein zentrales Thema bleibt die Stärkung unserer Infrastruktur in allen Bereichen. Also nicht nur Straße, Bildungseinrichtungen und Schiene, sondern nach wie vor gilt unsere Anstrengung dem Ausbau der Breitbandversorgung im Schwarzwald-Baar-Kreis. Hier haben wir schon einiges erreicht, wir werden aber noch einen langen Atem benötigen, bis wir alle Industrie-, Gewerbebetriebe und Haushalte am Glasfasernetz angeschlossen haben. Unser Zweckverband Breitbandversorgung Schwarzwald-Baar hat allein in den Jahren 2016 und 2017 über 90 Millionen Euro in seinem Investitionsplan für den Ausbau zur Verfügung gestellt, davon 20 Millionen Euro Zuschüsse vom Land Baden-Württemberg, das uns sehr gut unterstützt. Und im Jahr 2018 werden wir weiter kräftig investieren, so haben wir über 31 Millionen Euro für den Ausbau vorgesehen. Zusammen mit den Mitteln, die wir in den Vorgängerjahren nicht verbauen konnten, sind das insgesamt rund 40 Millionen Euro, die in 2018 für Ausbauprojekte zur Verfügung stehen. Unser Kreisbackbone, also die Glasfaserringleitung, die alle Städte und Gemeinden und deren Ortsteile im Landkreis miteinander verbindet, müsste dann Ende 2018 fertig gebaut sein. Dieser Backbone ist letztlich die Grundlage für den jeweiligen Ortsausbau.

Welche Orte sollen 2018 Anschlüsse bekommen?

Das sind ganz viele und im Prinzip bauen wir im gesamten Landkreis. Also beispielsweise in den Bad Dürrheimer Ortsteilen Unter- und Oberbaldingen, aber auch in den Donaueschinger Orten Neudingen und Pfohren, genauso wie in Gütenbach, Schönwald, Villingen-Schwenningen und so weiter und so fort. Wer sich konkret dafür interessiert kann das auf unserer Homepage des Zweckverbands nachsehen.

Welches Ziel haben Sie für den Landkreis?

Im Jahr 2025 sollen alle Gebäude im Landkreis an das Glasfasernetz angeschlossen sein. Ob wir das komplett schaffen werden, wissen wir heute natürlich noch nicht. Aber das ist unsere Vision und unsere konkrete Absicht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen uns aber einen Ausbau gestatten, nur dann können wir tätig werden, heute beispielsweise dürfen wir nur dort ausbauen, wo Anschlüsse keine 30 Megabit im down- und upload pro Sekunde ermöglichen. Dieser Rahmen kann sich natürlich im Laufe der Zeit ändern und dann werden wir darauf reagieren. Unser Ziel bleibt der möglichst flächendeckende Glasfaserausbau, da nur dieser zukunftsfest ist und uns digitale Teilhabe ermöglicht.

Wie sehen Sie den Landkreis im Hinblick auf die Zugänglichkeit zum schnellen Internet im Wettbewerb mit anderen Landkreisen in Bund und Land.

Ursprünglich waren wir hier sehr schlecht versorgt, das war ja der Grund für unser Engagement. Nun scheint mir, dass wir mit unseren enormen Ausbauaktivitäten sicher ganz vorne mit dabei sind.

Würde eine Verbesserung der Infrastruktur Ihrer Meinung nach den ländlichen Raum als Wohnort attraktiver machen?

Natürlich – was für eine Frage! Der ländliche Raum gewinnt mit jeder Infrastrukturentscheidung und hilft, die sogenannte Landflucht in die urbanen Ballungsräume abzumildern oder vielleicht einmal sogar sie ins Gegenteil zu kehren. Schließlich haben wir ein sehr gutes Angebot für junge Familien, zum Beispiel im Hinblick auf unsere Wohnsituationen.

Was gehört für Sie noch zu einer guten Infrastruktur im ländlichen Raum?

Neben zukunftsgerichteten Arbeitsplätzen, die wir glücklicherweise viele hier in der Region haben, natürlich auch eine gute verkehrliche Situation. Hier haben wir in den vergangenen Monaten intensiv an der Fortschreibung unseres Nahverkehrsplanes gearbeitet, was für mich persönlich auch ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit war. Dieser aktualisierte Nahverkehrsplan geht nun in die konkrete Umsetzung. Hier wird die Elektrifizierung der östlichen Höllentalbahn von Neustadt nach Donaueschingen ein wichtiger Baustein sein.

Wann ist es denn so weit, dass man umsteigefrei von Villingen nach Freiburg fahren kann?

Das Ziel ist der Fahrplanwechsel im Dezember 2019. Ich hoffe, wir schaffen das. Im Moment läuft die Ausschreibung der Bauarbeiten durch die Deutsche Bahn. Die Ausschreibungsergebnisse sollen nach meinem Kenntnisstand im Januar vorliegen, und dann soll es im Frühsommer mit den Bauarbeiten los gehen. Die Breisgau-S-Bahn wird dann ab Dezember 2019 in einem Stundentakt vom frühen Morgen bis zum späten Abend verkehren und den Kaiserstuhl über Freiburg bis nach Villingen verbinden. Bereits jetzt erarbeiten wir die Buserschließung des südlichen Kreisgebietes an die Breisgau-S-Bahn.

Und wann wird die Ringzugerweiterung nach St. Georgen befahrbar sein?

Hoffentlich möglichst bald, aber da sind wir natürlich auf die Zusammenarbeit mit dem Land angewiesen und es müssen auch noch einige Hürden genommen werden, so dass das Projekt leider schon noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir müssen jetzt die Fördervoraussetzungen klären und das konkrete Fahrgastpotential mit Studien belegbar nachweisen und dann können wir erst in die Planung der Haltepunkte einsteigen. Das wird also leider schon noch eine Weile dauern. Die Ringzugerweiterung liegt also nicht nur in unserer Hand, das Land Baden-Württemberg hat hier als sogenannter Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr das entscheidende Wort. Momentan haben wir zusätzliche Haltepunkte in Villingen bei der Richthofenbrücke, in Schoren, Peterzell und möglicherweise auch im Industriegebiet St. Georgen ins Auge gefasst. Es wäre toll, wenn der Ringzuganschluss nach St. Georgen gelänge, ich werde mich jedenfalls dafür einsetzen.

Welche Zukunftsprojekte haben Sie noch?

Mitte der 2020-er-Jahre brauchen wir neue Ringzugfahrzeuge. Wir müssen jetzt schon überlegen, wie wir zukünftig beim Ringzug fahren wollen. Ich spreche mich dabei für die Elektrifizierung wichtiger Strecken aus und möchte gerne im Gegensatz zu den heutigen Dieselfahrzeugen elektrische Fahrzeuge. Momentan untersucht das Zürcher Beratungsunternehmen SMA diese Fragestellung. Unser Wunsch ist, dass der Ringzug größtenteils elektrisch betrieben werden kann. Die Studie soll dieser Frage auch vor dem Hintergrund der finanziellen Aufwendungen nachgehen. Mit dem Ergebnis rechnen wir im ersten Halbjahr 2018.

Das würde dann auch Auswirkungen auf die Strecke Stuttgart-Villingen haben?

Wenn wir den Ringzug zukünftig elektrisch betreiben würden, dann müsste natürlich eine der Hauptstrecken, nämlich diejenige von Villingen über Schwenningen nach Rottweil, elektrifiziert werden und dann könnte man die Überlegung anstellen, ob die Nahverkehrszüge von Stuttgart nach Rottweil nicht vielleicht auch nach Villingen fahren könnten.

Welche Vorteile bringt die Elektrifizierung?

Sie ist insgesamt betrachtet sicher umweltfreundlicher, da man dann auf die Dieselfahrzeuge verzichten könnte. Außerdem sind elektrische Züge in der Regel spurtstärker und somit insgesamt schneller unterwegs.

Kommen wir zur Straßeninfrastruktur. Was hat in diesem Bereich Priorität?

Natürlich der Lückenschluss der B 523. Hier muss das Land nun endlich die Planung vorantreiben und somit die Grundlage für den Planfeststellungsbeschluss schaffen. Mir ist absolut unverständlich, dass da im Jahr 2017 nichts geschehen ist. Der Bund hat mit der Aufnahme des Lückenschlusses in den Bundesverkehrswegeplan die Voraussetzungen für die Realisierung geschaffen und nun liegt der Ball im Spielfeld des Landes. Ich fordere den Landesverkehrsminister Hermann auf, nun die Dinge ganz konkret in Angriff zu nehmen.

Auch der Neubau des Kreistierheimes ist ein Zukunftsprojekt. Was sagen Sie dazu?

Mich freut es natürlich, dass wir im Oktober zusammen mit dem Trägerverein den Spatenstich für den Neubau vollziehen konnten und in den vergangenen Wochen die Baustelle schon gut voran gekommen ist. Der Neubau kostet 2,75 Millionen Euro und eine Million Euro steuert direkt der Landkreis aus dem Kreishaushalt bei. Wenn der Winter insgesamt nicht allzu lange andauert, dann hoffen wir, dass wir im Sommer 2018 das neue Kreistierheim in Donaueschingen in Betrieb nehmen können, um dann zügig mit dem Abbruch des alten Tierheims beginnen zu können. Dies ist wiederum nötig, um dann die Umsetzung des Projekts "Auepark Donauursprung" angehen zu können. Hier soll der Zusammenfluss von Brigach und Breg renaturiert und insgesamt ökologisch aufgewertet werden. Das ist sicher auch für den Tourismus wichtig und für alle ein echter Mehrwert. Unser Amt für Wasser und Bodenschutz ist mit dem Regierungspräsidium Freiburg in enger Abstimmung und an dem Projekt beteiligt.

Sie haben für die Hochschule für Polizei mit gekämpft. Jetzt ist das Ziel erreicht?

Ja, es war eine echte Gemeinschaftsleistung von vielen und jetzt hat das Innenministerium sich klar für den Aufwuchs der akademischen Polizeiausbildung am Standort Villingen-Schwenningen ausgesprochen. Das freut uns natürlich alle, da es nicht nur eine richtige und schlüssige Entscheidung ist, sondern vor allen Dingen auch viele Studierende in unsere Stadt bringen wird, mit allem Nutzen den man auch daran hat. Bei Herrn Innenminister Thomas Strobl und der Landesregierung möchte ich mich ausdrücklich für diese Entscheidung bedanken.

Und was sagen Sie zur Entwicklung der Polizeipräsidien?

Das ist ja bekannt und nichts Neues. Ich hätte mir natürlich ein operatives Polizeipräsidium im Oberzentrum Villingen-Schwenningen gewünscht und hierfür gab es gute und überzeugende Argumente, die leider nicht gehört wurden.

Gibt es neuere Entwicklungen in Bezug auf den Flughafen Zürich?

Mir ist derzeit nichts Neues bekannt. Unsere Position ist nach wie vor die, dass es keine Verschlechterung gegenüber dem heutigen Status Quo geben darf und wir die Umsetzung der Stuttgarter Erklärung fordern. Den Schweizer Antrag auf Änderung des Anflugregimes lehnen wir daher ab.

Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?

Für uns alle ein friedvolles Miteinander bei guter Gesundheit und Ihnen und den Lesern des Schwarzwälder Boten alles Gute. ■Die Fragen stellte Felicitas Schück