Steffen Vogt hat einen großen Teil des Unterrichts ins Internet verlegt und Webcams aufgebaut, um mit den Schülern zu kommunizieren. Foto: Vogt

Musikschulen unterrichten im Internet. Dozenten fehlen Konzerte als wichtige Einnahmequelle

Villingen-Schwenningen - Das Corona-Virus hat das kulturelle Leben zum Stillstand verdonnert und bedroht die Existenz vieler freischaffender Künstler. Die Einnahmen von Musikschulen in Villingen-Schwenningen nehmen dramatisch ab, ihren Dozenten fehlen zudem die Gagen von Auftritten. Einen Teil des Unterrichts haben sie ins Netz verlagert, abdecken können sie aber längst nicht alles.

Aus Verantwortung vor den Kindern und deren Eltern habe er die Musikschule Vogt frühzeitig geschlossen, erzählt Steffen Vogt. Schnell habe er sich auf den Unterricht via Computer vorbereitet, für genügend Webcams und Kabel gesorgt. Dann habe er die Dozenten fit gemacht, um mit der neuen Form des Unterrichts starten zu können. Acht Lehrer seien im Einsatz, um beim Nachwuchs weiter Freude an der Musik zu wecken.

"Die Schüler und Eltern nehmen es gerne an", stellt Vogt fest. So trage das Team auch dazu bei, für Abwechslung und gute Laune in den Tagen häuslicher Isolation zu sorgen. Und bei manchen Instrumenten seien die Lehrer nun auch auf die Zusammenarbeit mit den Eltern angewiesen, erzählt Vogt. Da könne die Familie in der Krise wieder näher zusammenrücken und viel Spaß durch dieses neue Miteinander entstehen.

Den Unterricht ins Internet zu verlegen, sei unabdingbar gewesen, um die Existenz zu sichern, betont er. Sein Vater habe dies bereits vor gut eineinhalb Jahren bei der Musikschule Vogt eingeführt, um beispielsweise auch auf Grippewellen reagieren zu können. Für Gruppen oder musikalische Früherziehung sei diese Technik allerdings noch nicht geeignet.

Wer auf feste Einkünfte aus Konzerten baut, hat es besonders schwer. "Eine Absage nach der anderen" geht beispielsweise bei Thomas Baur aus Villingen ein, der in mehreren Bands und Projekten in der Region als Bassist mitwirkt und bei dem die Gigs in einem weiten Umkreis ein wichtiges berufliches Standbein bilden. Fast jedes Wochenende sei ausgebucht, tolle Konzerte geplant gewesen. "Die Situation ist heftig", schildert Baur die finanzielle Lage. Allerdings wolle er den Kopf nicht hängen lassen.

"Für die ganzen Künstler ist es eine Katastrophe", bringt es Markus Hebsacker, Leiter der privaten Schule Musik im Zentrum, auf den Punkt. Die Branche stehe dem Handel in nichts nach, gerade weil auch die meisten seiner Dozenten in Orchestern spielen und auf diese wichtige Einnahmequelle angewiesen seien. "Denen brechen alle Einnahmen weg", verdeutlicht er die Sorgen vieler seiner Kollegen. Wann die Musikschule ihre Türen wieder öffnen könne, stehe in den Sternen. Einen Teil der Schüler unterrichtet er ebenfalls per Video-Konferenz. "Wenn das Datenvolumen stimmt, klappt es gut", erklärt er. Aber nicht bei allen reiche die technische Ausstattung aus, und er erreiche bei weitem nicht alle, da er mit jedem einzeln üben müsse.

Bei seiner Frau Barbara Hebsacker, die sich auf Fortbildungen in Einrichtungen wie Kindergärten spezialisiert hat, falle alles aus. "Wie und ob die zugesagte Hilfe greift, wird sich weisen", erläutert er, noch sei alles unklar und es fehle an Informationen für ihn und seine Künstlerkollegen. Froh sei er, dass er zumindest als Lehrer an der Albert-Schweitzer-Schule ein festes Einkommen hat, jeden Tag die Aufgaben für die Jugendlichen in eine Cloud stellen und mit ihnen chatten kann. So komme er selbst mit einem blauen Auge davon. "Aber ob es die Musikschule überlebt, ist fraglich", zeigt er mögliche Folgen auf. Monatelang könne er die Mietzahlungen ohne Einnahmen nicht stemmen. Und falls sich die Schließung nach Ostern lange fortsetze, stehe mit den Sommerferien gleich die nächste Phase des Stillstands an.

Auch die Musikakademie VS gGmbH musste wegen der Corona-Krise ihre Pforten schließen. Wie sich die Situation für die Musiker und ihre Schüler darstellt, schildert die stellvertretende Leiterin Caroline Wintermantel im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.

Was bedeutet die Schließung für die Musikakademie gerade auch unter finanziellen Aspekten? Müssen die Schüler die Gebühren weiter zahlen?

Die Schließung bedeutet für die Musikakademie, wie für sicherlich alle kulturellen Betriebe, einen herben Schlag. Um diesen abzufedern, haben wir uns entschieden, dass die aktuelle Abschlagszahlung trotz der Schließung fällig ist.

Wir versuchen durch verschiedene Maßnahmen, allen Unterricht, der jetzt nicht wie gewohnt stattfinden kann, nachzuholen und durch andere Angebote, zum Beispiel Unterricht über digitale Medien, zu ersetzen – in der Hoffnung, dass wir diese mit dem weiteren Verlauf der Krise einhalten können. Es ist unser ausdrückliches Ziel, allen Schülern den vertraglich zugesicherten Unterricht über das Schuljahr zu erteilen. Wenn am Ende des Schuljahres nicht alle vertraglich zugesicherten Unterrichtstermine stattfinden konnten, werden die zu viel entrichteten Entgelte natürlich vergütet.

Wie stellt sich die Situation für die Dozenten dar? Da viele als freischaffende Musiker arbeiten, bricht ihnen wohl das Einkommen weg. Gibt es eine Art Grundsicherung?

Für die selbstständigen Dozenten ist die Situation extrem schwierig, gerade wenn Honorare für die Unterrichte die einzigen Einnahmen darstellen. Wir unterstützen unsere Dozenten nach allen Kräften. Als gGmbH müssen wir uns dabei zum Teil an andere Regelungen halten als Musikschulen unter anderer Trägerschaft. Wir informieren unsere Honorarlehrkräfte regelmäßig über alle relevanten Entwicklungen und versuchen so, sie bei der Navigation der allgemeinen und zum Teil widersprüchlichen Informationsflut zu unterstützen. Außerdem bieten wir alternative Möglichkeiten an, wie beispielsweise den Unterricht ersatzweise per digitaler Kommunikation abzuhalten.

Nach unserem Informationsstand gibt es eine Grundsicherung: Vom Land Baden-Württemberg und von der Bundesregierung wurden Soforthilfen auch für Solo-Selbstständige und Freischaffende eingerichtet, darunter fallen auch unsere Honorarlehrkräfte. Demnach soll es seit Mittwoch, 25. März, möglich sein, relativ unbürokratisch Anträge auf diese Soforthilfe zu stellen.

Wie haben die Eltern beziehungsweise Schüler reagiert, dass neben dem Schulunterricht nun auch das Hobby wegfällt?

Die meisten haben sehr verständnisvoll auf die Schließung und die Absage des Unterrichts reagiert. Schließlich will man die Gesundheit der eigenen Familie nicht für das Hobby gefährden. Sie freuen sich aber auch, wenn wir Alternativen anbieten. Viele unserer Schüler wollen weiterhin musizieren und brauchen und suchen die Anregungen und das Feedback ihrer Lehrer. Gerade durch die Beschränkung der Aktivitäten ist das Musizieren vielen noch wichtiger geworden. Das wollen wir durch den Unterricht per digitaler Medien unbedingt unterstützen und fördern.

Haben die Dozenten Kontakt zu den Schülern, dass sie beispielsweise Übungen für die unterrichtsfreie Zeit mit auf den Weg geben. Musik ist in diesen Zeiten ja immerhin eine kreative Beschäftigung. Oder gibt es Überlegungen für den Unterricht via Skype oder Webcam?

Es ist uns ausgesprochen wichtig, dass der Kontakt der Dozenten zu den Schülern nicht abbricht und die Schüler weiterhin Lernfortschritte machen können und die Freude am Musizieren ihnen bei der Bewältigung der Situation, der Reduktion der persönlichen Begegnungen, des Rückzugs ins Private, helfen kann. Dabei können unsere Lehrkräfte im Rahmen der Vorgaben der Musikhochschule Trossingen als Gesellschafterin der Musikakademie VS gGmbH sowie des Datenschutzes aus verschiedenen digitalen Medien auswählen. Welche Möglichkeit für die Lehrkräfte und die jeweiligen Schüler gut geeignet ist, kann individuell abgesprochen werden. Natürlich können die Schüler dieses Angebot auch ablehnen, wenn sie zum Beispiel Wert auf die gewohnte Unterrichtssituation legen. Dann wird der Unterricht, sobald dies wieder erlaubt ist, regulär fortgesetzt und soweit wie möglich Nachholtermine vereinbart, dabei kommen auch Termine während der Pfingstferien oder an Samstagen in Frage.

 Die Fragen stellte Martina Zieglwalner.