Villingen-Schwenningen - Hochrote Köpfe im Matthäus-Hummel-Saal. "Unglaublich", raunt ein Stadtrat. Geschlossen verlassen CDU, Freie Wähler und FDP den Saal. Die Gemeinderatssitzung ist beendet, ohne dass der erste Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde.

Es war ein Eklat, wie es ihn in den beiden Amtszeiten von OB Rupert Kubon noch nicht gegeben hat: Drei Fraktionen erklären die Gemeinderatssitzung für beendet. In den zwei Stunden zuvor hatten sie über Kubons Vorschlag diskutiert, das Grünflächenamt aufzulösen. Die Debatte eskaliert, als ein Stadtrat im Internet eine Pressemitteilung entdeckt, in der Kubon seinen Entschluss schon bekannt gibt.

"So ein Kasperletheater", entrüstet sich Stadtrat Wolfgang Berweck (Freie Wähler), als sich die Türen nach dem nicht-öffentlichen Teil der Sitzung öffnen. "Das war ein Austausch von Befindlichkeiten", sagt Edgar Schurr (SPD) auf dem Weg zu einem Anschlusstermin.

Der öffentliche Teil beginnt mit einer Unterbrechung für Freie Wähler, CDU und FDP. Mit einer gemeinsamen Stellungnahme kehren die Fraktionen zurück.

Beschlussfähigkeit nicht mehr gegeben

"Nach der Diskussion fühlen wir uns als Gemeinderäte nicht voll ernst genommen", erklärt Renate Breuning (CDU). "So wollen wir nicht mit der Verwaltung zusammenarbeiten." Die Räte wollten ein klares Zeichen setzen und der Verwaltung "Bedenkzeit" geben. Damit sei die Sitzung für sie beendet. FDP-Stadtrat Jürgen Schnekenburger verlangt noch nach einer Entschuldigung vom OB, doch die bleibt aus. Die Beschlussfähigkeit ist nicht mehr gegeben, die Sitzung beendet.

"Das macht es nicht leichter", sagt Kubon, als sich der Saal lichtet. Eine so deutliche Reaktion der Stadträte hatte er offensichtlich nicht erwartet. "Mir geht es um die Sache", betont der OB, "ich habe überhaupt kein persönliches Interesse." Er habe gezielt die Diskussion gesucht, um den Gemeinderat zu informieren und einen Kompromiss zu finden.

Von der Integration des Schulamts in das Jugendamt habe er sich mit guten Argumenten abbringen lassen. Doch die Argumente für den Erhalt des Grünflächenamts seien nicht schlüssig, sagt er. Zum April werde das Amt aufgelöst. Die Mitarbeiter habe er am Nachmittag informiert.

Bürgermeister Rolf Fußhoeller hatte schon im Vorfeld der Klausurtagung des Gemeinderats am vergangenen Wochenende bei den Fraktionen für den Erhalt des Grünflächenamts geworben, und das mit Erfolg. An der Diskussion gestern beteiligt sich der Bürgermeister gar nicht mehr. Die Fronten sind verhärtet.

Kubon hofft, dass sich das Verhältnis wieder kitten lässt: "Ich bin für eine Mediation offen." Warum sich Fußhoeller so für das Grünflächenamt eingesetzt, die Zusammenlegung von Liegenschafts- und Vermessungsamt aber diskussionslos hingenommen habe, sei ihm unerklärlich.

CDU, Freie Wähler und FDP geben am Abend noch eine Presseerklärung heraus, in der sie ihr Bedauern über "den Eklat" zum Ausdruck bringen. Die Gemeinderäte hätten sich in mehreren Sitzungen mit dem Thema befasst, teilt Renate Breuning stellvertretend für die Fraktionen mit. Es sei der "Gipfel der Missachtung", dass der OB noch vor der nicht-öffentlichen Sitzung seine Entscheidung per Presseerklärung herausgegeben habe. "In dieser Erklärung legt die Verwaltung nur ihre Gründe dar, alle Argumente der Gemeinderäte, die auch über finanzielle Aspekte hinausgingen, finden sich in der Erklärung nicht."

Klaus Martin war am Samstag nach der Klausurtagung noch guter Dinge. Doch dann sei eins zum anderen gekommen. Der CDU-Stadtverbandsvorsitzende ärgert sich maßlos über Kubon und seine Presseerklärung über die Auflösung des Amts. Freilich habe er die rechtlichen Möglichkeiten dazu. Doch Kubon sei in keinster Weise darauf eingegangen, dass Mitglieder des Gemeinderats diese Entscheidung nicht mittragen. "Als Ehrenamtliche fühlen wir uns nicht wahrgenommen." Der OB wollte die Entscheidung durchdrücken, er hätte sich ein Paket vorstellen können.

CDU, Freie Wähler und FDP hatten den Antrag gestellt, auch über die Zukunft von MTVS und Wifög zu beraten. Das habe in der Sitzung gar nicht stattgefunden. Gestern habe Kubon "nichts, aber auch nichts zur Entspannung der Lage" beigetragen.

Und wie geht es weiter? "Jetzt ist der OB am Zug", betont Martin.

Kommentar

Im Gemeinderat ging es gestern nicht um das Grünflächenamt, sondern um Machtspiele. Oberbürgermeister Rupert Kubon hat den Eklat provoziert, indem er den Gemeinderat sowohl in der Klausurtagung als auch in nicht-öffentlicher Sitzung über die Auflösung des Grünflächenamtes diskutieren ließ.

Dabei hatte er die Entscheidung längst eigenmächtig gefällt. Das zu erkennen, bedurfte es eigentlich keiner Pressemitteilung mehr. Die Presse vor Beginn der Ratssitzung zu informieren, hat das Fass aber zum Überlaufen gebracht. CDU, Freie Wähler und FDP haben ein Zeichen gesetzt, damit der Stadt aber wieder einmal negative Schlagzeilen beschert.

Und Kubon? Er hat gezeigt, wer der Chef im Rathaus ist. Damit hat er sein Ziel erreicht – wenn auch auf denkbar ungeschickte Weise. Für die weitere Zusammenarbeit ist das kontraproduktiv.

 

Presseerklärung der Fraktionen CDU, Freie Wähler und FDP

Gemeinsame Presseerklärung der Fraktionen CDU, Freie Wähler und FDP:

Die Fraktionen der CDU, der Freien Wähler sowie der FDP haben die Sitzung des Gemeinderates zu Beginn des öffentlichen Teils unter Protest geschlossen verlassen. Grund für diesen einmaligen Vorgang war die vorausgegangene Erklärung des Oberbürgermeisters. Trotz der eindeutigen Stellungnahme der Mehrheit des Gemeinderates, das Amt für Grünflächen, Friedhof und Umwelt GFU in der jetzigen Form zu erhalten, verfügte der Oberbürgermeister die Zerschlagung des Amtes und die Aufteilung auf drei Ämter und die Technischen Dienste TDVS.

Wohl wissend, dass eine solche Verfügung in der Kompetenz des Oberbürgermeisters liegt, fühlen sich die Gemeinderäte nicht Ernst genommen, wenn sie fast zwei Tage darüber diskutieren sollten, das Ergebnis dem Oberbürgermeister aber gleichgültig ist. Den Gipfel der Missachtung allerdings sehen die Gemeinderäte darin, dass der Oberbürgermeister noch vor der Information des Gemeinderates, wohlgemerkt in einer nichtöffentlichen Sitzung, eine entsprechende Presseerklärung herausgegeben hat. In dieser Presseerklärung legt die Verwaltung nur ihre Gründe für die Auflösung des Amtes dar.

Alle Argumente der Gemeinderäte, die sich in mehreren Sitzungen damit befasst hatten, die auch über finanzielle Aspekte hinausgehen, finden sich in der Erklärung nicht. Den Bürgern gegenüber tut es den drei Fraktionen Leid, dass es zu einem solchen Eklat gekommen ist. Mit der Brüskierung der Gemeinderäte, die ja als gewählte Vertreter des Volkes in diesem Gremium sitzen, missachtet der Oberbürgermeister auch die Bürger selbst.

 

Pressemitteilung der Stadt

Pressemitteilung der Stadt:

Im Rahmen der Klausurtagung wurde seitens des Gemeinderats eine vom Oberbürgermeister vorgeschlagene Ämter-Neustrukturierung diskutiert. Hier ging es im Wesentlichen um die Zusammenlegung des Liegenschaftsamtes und des Vermessungsamtes und zu Zuordnung des neuen Amtes zum Dezernat I, um die Auflösung des Amts für Schule, Bildung und Sport (SBS) und des Grünflächen- und Umweltamts (GFU) sowie um die Zusammenlegung der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (Woog) und der Marketing- und Tourismusgesellschaft (MTVS). Kontrovers diskutiert wurden die Auflösung des Amts für Schule, Bildung und Sport und des Grünflächen- und Umweltamts sowie die Zusammenlegung der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft und der Marketing- und Tourismusgesellschaft.

Einig war man sich bei der Zusammenlegung des Liegenschaftsamtes mit dem Vermessungsamt zu einem neuen Amt im Dezernat I. OB Dr. Kubon folgt dem Vorschlag des Gemeinderats, das SBS in seiner bisherigen Form zu belassen. Obwohl er nach wie vor gewichtige Gründe für eine Auflösung des Amtes gibt, sind die Einwendungen der ehrenamtlichen Vertreter des Sport und die Auffassung der Schulrektoren, die sich jeweils einen Amtsleiter als Ansprechpartner wünschen, ausschlaggebend für die Beibehaltung des Amtes. Bezüglich der Zusammenlegung von Wifög und MTVS wird, so der Vorschlag des Oberbürgermeisters, noch einmal in nichtöffentlicher Sitzung mit dem Gemeinderat diskutiert werden.

Hinsichtlich der Auflösung des GFU hat sich OB Dr. Kubon noch einmal intensiv mit den Diskussionsergebnissen befasst, vor allem auch mit dem vom Dezernat II und dem GFU vorgelegten Einsparvorschlägen. Diese wurden in den vergangenen Tagen sorgfältig auf ihre Richtigkeit, Umsetzungsfähigkeit und Nachhaltigkeit geprüft. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zu keinerlei dauerhaften Einsparungen führen und die vorgelegten Zahlen in keiner Weise belastbar sind. Diese Einsparungen waren jedoch seitens des GR eine wesentliche Voraussetzung für die Beibehaltung des GFU. Um die gewünschten Einspareffekte vor allen Dingen aber ablauforganisatorischen Verbesserungen des Amtes zu erreichen, wird die Auflösung des Amtes verfügt Mit dieser Entscheidung geht es dem Oberbürgermeister darum, das Baudezernat und den Bürgermeister in seiner Leistungsfähigkeit zu stärken, indem die Schnittstellen in der Verwaltung so weit wie möglich reduziert werden.

Im Dezernat II wirkt sich diese Änderung lediglich dadurch aus, dass dort ein Amt weniger geführt wird. Hinsichtlich der Aufgabenerfüllung ändert sich nichts. Nach wie vor bleibt die Verantwortung für die bisherigen Aufgaben des Grünflächen- und Umweltamtes und dessen Mitarbeiter im Dezernat des Bürgermeisters. Von einer Schwächung des Dezernats in personeller oder sachlicher Hinsicht kann daher aufgrund der Auflösung des GFU keine Rede sein. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist ausschließlich die Tatsache, dass die Umstrukturierung intensiv der Verwaltung vom Haupt- und Personalamt und von der Steuerungsgruppe vorbereitet wurde und die Verbesserungen fundiert nachgewiesen werden können. Oberbürgermeister Dr. Kubon hat seine Entscheidung im Vorfeld der Gemeinderatssitzung dem Bürgermeister und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des GFU bekannt geben und erläutert. Eine entsprechende Organisationsverfügung mit Umsetzungsanweisung tritt zum 1.April 2011 in Kraft.

Grundsätzlich trägt OB Dr. Kubon von Gesetz her die alleinige Verantwortung für die innere Organisation der Stadtverwaltung. Es ist daher seine Pflicht, die Verwaltung so effektiv auszurichten, dass sie ihre Aufgaben effizient ausführen kann. Hinzu kommt die Aufforderung des Regierungspräsidiums Freiburg, den städtischen Haushalt durch entsprechende strukturelle Maßnahmen nachhaltig zu entlasten. Aus diesem Grund wird die Verwaltungsorganisation regelmäßig auf den Prüfstand gestellt, werden Arbeitsabläufe geprüft und resultierend aus den Prüfergebnissen Aufgaben verlagert.

Das Haupt- und Personalamt wird nun die Aufgabeverlagerung des GFU intensiv mit den künftig verantwortlichen Führungskräften vorbereiten und dabei die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so weit wie möglich berücksichtigen. Das Stadtoberhaupt ist davon überzeugt, dass er Bürgermeister Fußhoeller und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des GFU mit seinen Argumenten langfristig überzeugen kann und alle die Neustrukturierung mittragen werden.