Matthias Ries (links) und Jürgen Muff berichten von den aktuellen Herausforderungen. Foto: Neß Foto: Schwarzwälder Bote

Pandemie: Kinder- und Jugendhilfe steht vor Herausforderungen / Langfristige Folgen noch nicht absehbar

In den vergangen Wochen stand das Team des Kinder- und Jugendzentrums VS (KiFaz) der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn vor zahlreichen Herausforderungen. Denn auch auf die Kinder- und Jugendhilfe hatte die Corona-Krise enorme Auswirkungen.

Villingen-Schwenningen  (sne). "Keiner hat mit dem gerechnet, was kommt", erzählt Matthias Ries, Leiter des Zentrums. Von heute auf morgen hätte das komplette System umgekrempelt werden müssen, der Alltag sei nicht mehr möglich gewesen, jegliche Prozesse mussten neu aufgestellt werden. "Das war ein riesen Aufwand." Nur mit Hilfe eines Krisenstabs in der Stiftung und einem organisierten Krisenmanagement konnten die Herausforderungen gemeistert werden und die systemrelevante Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe garantiert werden.

Betroffen seien alle Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe gewesen, erklärt Ries. Enorme Auswirkungen hätte die Pandemie allerdings auf den Heimbereich gehabt. Die im KiFaz betreuten Kinder, die vor der Krise noch zur Schule gegangen sind, mussten auf einmal rund um die Uhr betreut werden, der Kontakt nach außen sei unterbrochen worden. Das sei nicht nur mit einem erhöhten Personaleinsatz verbunden gewesen, sondern stellte auch die pädagogische Betreuung vor eine Herausforderung.

Die Reaktionen seitens der Kinder auf die Krise sei sehr unterschiedlich gewesen, berichtet Fachleiter Jürgen Muff. Während sich die einen sehr sicher und wohl in der Betreuung gefühlt hätten, konnten es andere kaum erwarten, wieder nach draußen zu gehen. Manchen fiel es schwer, sich an die Regeln zu halten. "Es war auch schwierig, dass die sozialen Kontakte abgebrochen sind", gibt Ries zu bedenken.

Die Familienhilfe, bei der Sozialarbeiter betroffene Familien zu Hause betreuen, musste ebenfalls angepasst werden. Teilweise haben die Sozialarbeiter ihre Klienten in Schutzausrüstung besucht, andernfalls musste auf Videokonferenzen, Telefonate oder Messenger zurückgegriffen werden. "Dabei bildet sich aber nicht unbedingt das ab, was sich im realen Leben abspielt", erklärt Ries das Problem.

Gewährleistet werden musste vor allem, dass sich niemand in den Einrichtungen infiziert. Neben ständig aktualisierten Hygienekonzepten wurde eine Isolations- sowie eine Testgruppe eingerichtet. Neuankömmlinge wurden dort zunächst auf das Virus getestet, bevor sie in einen der stationären oder teil-stationären Bereiche aufgenommen werden konnten. Insgesamt sei lediglich ein Kind mit dem Virus infiziert gewesen. Die zahlreichen Maßnahmen, die getroffen werden mussten, seien auch finanziell belastend. "Wir werden aus der Krise nicht ohne Schaden raus kommen", merkt Ries an.

Welche Schäden die Kinder vor allem auf der sozial-emotionalen Ebene durch die vergangen Wochen davon tragen werden, das könne man noch nicht einschätzen, so Ries. "Die Gewalt in den Familien ist nicht einfach weg, nur weil man nichts davon mitbekommen hat", macht Muff klar. Zu Denken gibt dem Team deshalb nun, welche Folgen es für die Kinder im Zuge der Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens vor allem bezüglich Gewalterfahrung und Vernachlässigung haben wird.

Letztendlich nehme das Team der Kinder- und Jugendhilfe aber auch etwas Positives aus der Corona-Krise mit. Viele Betreuer seien mit ihren Schützlingen durch die Krise enorm zusammengewachsen, der Zusammenhalt sei gestärkt worden. Auch innerhalb des Personals sei das bemerkbar geworden. Die enormen Herausforderungen der vergangen Wochen hätten gut gemeistert werden können, auch wenn es noch nicht sicher sei, was die Zukunft bringen wird.