Patient Helmut Keller (vorne) benötigt zwar im Rahmen der Behandlung noch Sauerstoff, aber es geht ihm wieder deutlich besser. Ein Teil des Teams aus Donaueschingen ist dabei (von links): Leiter der Pneumologie Hinrich Bremer, Oberärztin Stefanie Bergander, die Pflegefachkräfte Claudia Schiffold und Laura Scapin sowie die Stationsärztin Pepa Nikova. Foto: Schwarzwald-Baar-Klinikum Foto: Schwarzwälder Bote

Gesundheit: Medikamentöse Therapie soll Immunsystem regulieren und Virus hemmen / Andere Kliniken schließen sich Studie an

Das Schwarzwald-Baar-Klinikum geht neue Wege in der Behandlung des Coronavirus – offenbar mit Erfolg.

Schwarzwald-Baar-Kreis. Täglich nimmt das Klinikum neue mit dem Coronavirus infizierte Patienten auf. Die gute Nachricht: Bei einigen Patienten hat sich der Gesundheitszustand wieder deutlich gebessert, manche konnten bereits entlassen werden.

Dahinter steht ein standardisiertes Behandlungskonzept, das die Ärzte im Schwarzwald-Baar-Klinikum abteilungsübergreifend entwickelt haben. Die Therapie zeigt erste positive Ergebnisse. "Wir freuen uns sehr, dass wir einige Patienten haben, denen es inzwischen auch wieder besser geht", erklärt Hinrich Bremer, Leiter der Pneumologie im Lungen-zentrum des Schwarzwald-Baar-Klinikums. Bisher konnten bereits 35 Patienten das Krankenhaus wieder verlassen. "Unser Ziel ist es, die Patienten möglichst gut zu versorgen. Gleichzeitig ist das Virus neu, Erfahrungen dazu gibt es bisher kaum – von ersten Berichten aus anderen Ländern wie beispielsweise China oder Italien abgesehen." Deshalb haben sich die Ärzte des Klinikums aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen zusammengesetzt und gemeinsam überlegt, wie eine medizinische Behandlung aussehen könnte. Sie haben daraufhin Standards definiert, die beispielsweise genau festlegen, in welcher Phase der Erkrankung welche Versorgung angezeigt ist und haben Pflegekräfte und Ärzte vorbereitend in internen Schulungen trainiert. Dabei wurde besonders Wert auf Schulungen in nicht invasiver Beatmung gelegt, mit dem Ziel, eine künstliche Beatmung in Narkose möglichst zu vermeiden.

Neu ist das Virus aber nicht nur für die Ärzte: "Das Immunsystem der betroffenen Menschen hat dieses Virus noch nie gesehen und folglich auch keine Antikörper gebildet", erzählt Bremer. "Damit bekommen ältere Menschen mehr Probleme als Kinder. Letztere haben ein ganz anderes Immunsystem als Erwachsene, sie werden deshalb mit Viren – auch dem neuen Coronavirus – viel besser fertig. Je älter wir werden, desto mehr schwindet dieses kindliche Immunsystem, unser Körper wird leichter angreifbar. Besonders gefährdet sind aber nicht nur ältere Menschen, sondern auch Personen mit Übergewicht oder mit Vorerkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck."

Die Ärzte im Klinikum haben nun die Erfahrung gemacht, dass es bei der Coronavirus-Infektion zwar unterschiedliche Schweregrade der Erkrankung gibt, bestimmte Muster sich aber wiederholen. "Die Symptome entwickeln sich. Und nach etwa sieben bis zehn Tagen geht der Krankheitsverlauf in die eine oder andere Rich-tung: Entweder, es geht den Patienten besser, oder aber der Zustand verschlechtert sich innerhalb kurzer Zeit sehr deutlich." Dann ist jede Menge Expertise der einzel-nen Fachdisziplinen und Fingerspitzengefühl gefragt.

Neben Lungenentzündungen – eine häufige Antwort des Immunsystems auf das Virus – gibt es teilweise sehr schwere Verläufe bis hin zum Multiorganversagen.

"Der menschliche Körper hat selbst Kräfte, um mit Viren fertigzuwerden und diese letztlich zu besiegen", so Bremer. "Problematisch wird es erst dann, wenn das Immunsystem durchdreht, also überreagiert: Ein so genannter ›Immunsturm‹ kann viel kaputt machen."

Die Ärzte im Schwarzwald-Baar-Klinikum setzen unter Federführung von Professor Paul Graf La Rosée, Direktor der Klinik für Innere Medizin II: Onkologie, Hämatologie, Immunologie, Infektiologie und Palliativmedizin im Schwarzwald-Baar-Klinikum, in einem solchen Fall auf eine medikamentöse Therapie: Diese greift regulierend in das Immunsystem ein und zielt außerdem darauf ab, die Teilungs- und Ausbreitungsfähigkeit der Viren herabzusetzen. Das Klinikum hat unter der Führung von Graf La Rosée eine Studie in die Wege geleitet, an der sich jetzt mehrere andere Kliniken angeschlossen haben.

Patient berichtet von positiven Erfahrungen

"Sehr wichtig ist uns: Nur die sehr komplexen, schwerstkranken Fälle werden bei uns unter Narkose invasiv beatmet, also über einen Schlauch oder eine Kanüle", erklärt Bremer. Ohne invasive Beatmung auszukommen, hat seiner Meinung nach für die Patienten viele Vorteile: Sie können sich bewegen, essen, trinken, reden, mit Ärzten und Pflegefachkräften kommunizieren und ihre Gesundung ganz aktiv unterstützen. Wenn doch invasiv beatmet werden muss, sind die Intensivmediziner, also Sebastian Russo mit seinem Team von der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin, gefragt. Diese achten darauf, dass ein Patient nur so lange wie unbedingt nötig invasiv beatmet werden muss. "Wir haben hier ein sehr gut durchdachtes Konzept, bei dem alle interdisziplinär Hand in Hand arbeiten – wie zahlreiche Zahnräder, die gut ineinandergreifen", meint Bremer. Dazu gehören unter anderem Lungenfachärzte, Notfall- und Intensivmediziner, Anästhesisten, Internisten, Apotheker, Radiologen, Pflegefachkräfte, Physiotherapeuten und das Team aus dem Labor.

Einer der Patienten, die von dem Behandlungskonzept profitiert haben, ist Helmut Keller, selbst Mediziner, aus Donaueschingen. Der 70-Jährige war zunächst zu Hause – aber als sich die Symptome verschlimmerten, wurde er vor etwa zwei Wochen ins Schwarz-wald-Baar-Klinikum eingeliefert. "Ich war sehr beeinträchtigt, immer wieder hatte ich Fieber und benötigte die nicht invasive Beatmung, jetzt reicht zum Glück Sauerstoff alleine", erzählt er. "Außerdem habe ich zwischendurch einige Tage lang unter Geschmacksverlust gelitten, das Essen schmeckte völlig anders." Keller beschreibt, wie er sich gefühlt hat: "So viele Gedanken sind mir durch den Kopf gegangen – wie geht es meiner Familie, was passiert hier mit mir, die eigene Krankheit.

Eine Erleichterung war es, auch für die Psyche, als endlich das Fieber zurückging. Man muss sehr, sehr viel Demut entwickeln und viel Geduld haben. Wobei ich sagen muss: Die ganze Zeit über wurde ich hervorragend von den Ärzten und Pflegekräften betreut. Es ist toll zu sehen, mit welcher Hingabe alle um die Patienten bemüht sind, hilfsbereit und motiviert – sie verdienen allergrößtes Lob!"

Keller war selbst einmal als Chefarzt der Chirurgie tätig, das war noch im damaligen Kreiskrankenhaus Donaueschingen, vor der Fusion mit den Kliniken in VS im Jahr 2004. Seit Jahren begleitet er Kreuzfahrten als Schiffsarzt. "Eigentlich hätte ich jetzt drei Wochen lang durch die Karibik fahren sollen", schmunzelt er. "Stattdessen bin ich hier. Aber ich freue mich sehr, es geht mir besser – und wenn alles gut läuft, darf ich in einigen Tagen das Krankenhaus verlassen."