Zierlich, aber frech mit ganz großer Klappe: Musikkabarettistin Anna Piechotta im Capitol. Foto: Trenkle Foto: Schwarzwälder-Bote

Musikkabarettistin Anna Piechotta im Capitol umjubelt

Von Wolfgang Trenkle

 

VS-Schwenningen. Ein riesiger Konzertflügel steht nicht auf der Bühne des Schwenninger Capitols. Dennoch wirkte Anna Piechotta bei ihrem Auftritt neben dem dortigen Instrument mittlerer Größe erst einmal sehr zierlich und klein. Als sie loslegte, wandelte sich dieser Eindruck schnell.

Die heute in einem kleinen Eifeldorf lebende Musikkabarettistin spielt nicht nur hervorragend Klavier und singt mit beeindruckender Klarheit, sie spielt auch gezielt mit dem Ersteindruck der Zuhörer. Kräftig mit schmalen Fingern in die Tasten hauen und das Pedal mit hochhackigen Pumps treten – ist das überhaupt möglich? Jawohl, es geht! Musikkabarett ist das Genre der 34-Jährigen, und sie beherrscht es perfekt. Auch wenn Wladimir Putin in einem Lied ein wenig sein Fett ab bekam, findet Piechotta weniger die Themen ihrer Lieder in der großen Politik als vielmehr im kleinen Alltag. Piechotta versetzt sich dabei meist chansonhaft in Figuren quer durch das Altersspektrum: Da geht es beispielsweise um eine junge schwangere Frau auf der Suche nach dem geeigneten Vater ihres Kindes oder in einem anderen Lied um eine Seniorin beim enttäuschenden Treffen nach der Online-Partnersuche.

Ihre gesanglichen Qualitäten voll zur Geltung bringen konnte Piechotta in einer Persiflage auf den ersten Opernbesuch. Viel Sarkasmus fand sich in ihrem "Nachtlied": Darin droht eine verzweifelte Mutter ihren Kindern mit dem Auftauchen böser nächtlicher Geister, wenn sie nicht endlich ruhig schlafen. Deshalb: "Seid weise und verhaltet euch leise!" Sie selbst verhielt sich eher laut: Sicherlich einer der Höhepunkte des Abends war mit einem Lied über einen unordentlichen und egoistischen Mitbewohner zu hören: "Trotzdem schmeiß’ ich ihn nicht raus – er sieht zu gut aus!" Auch traurige Themen fanden sich im Repertoire – so ein Lied über einen alten Menschen, welchem völlig vereinsamt im Pflegeheim der Lebenssinn abhanden kommt. Vielleicht hat Anna Piechotta bei ihrem Studium an der Musikhochschule Hannover auch Bühnenpräsenz gelernt. Auf jeden Fall beherrscht die Künstlerin auch dieses Instrument hervorragend. Dabei kokettiert sie stark und betreibt Understatement. Und schwupps wurde aus dem Soloauftritt im Capitol an manchen Stellen einer mit großem Chor.