Stolpersteine wird es in Villingen-Schwenningen auch nach dem zweiten Anlauf innerhalb von zehn Jahren nicht geben. Foto: dpa

Gemeinderat in Villingen-Schwenningen stimmt zum wiedeholten Mal gegen Kunstprojekt. Pfarrer können Gegner nicht umstimmen.

Villingen-Schwenningen - Alle Überzeugungsarbeit und die Präsenz vieler Bürger in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch, die für die Stolpersteine demonstrierten, half nichts. Mit knapper Mehrheit von 18 zu 16 Stimmen mit zwei Enthaltungen fand sich keine Mehrheit für das Projekt. Ein Großteil der CDU-Fraktion und die Freien Wähler, mit Ausnahme von Ulrike Heggen, die in beeindruckender Weise ihre Meinungsänderung begründete, will nicht, dass in der Stadt mit Stolpersteinen an die Opfer des Nazi-Terrors erinnert wird. Die knappe Entscheidung wurde von den Zuhörern mit Bestürzung aufgenommen. Sie hatten sich offensichtlich das Ergebnis anders gewünscht.

Oberbürgermeister Rupert Kubon wies zu Beginn der Debatte darauf hin, dass die Aktion nicht von der Stadt finanziert würde. Vielmehr wäre die Bevölkerung aufgerufen, Patenschaften zu übernehmen, diese auch zu finanzieren und so individuelle Erinnerung zu fördern. Die Bürger würden also selbst bestimmen, in welchem Umfang und an welchen Orten Stolpersteine hinkommen. Dem Gemeinderat komme lediglich die Aufgabe zu, grundsätzlich diese Form der Erinnerung zu ermöglichen. Es sei somit eine Frage der Toleranz, wenn diese Art des Gedenkens zugelassen würde. Die Stolpersteine seien nichts Statisches wie ein Denkmal, sondern lassen eine kontinuierliche Weiterentwicklung zu und seien nicht auf eine bestimmte Opfergruppe beschränkt.

In eindringlichen Worten wiesen Dekan Josef Fischer, Pfarrer Frank Banse und Pastor Hans-Ulrich Hofmann von der evangelisch-methodistischen Kirche in Schwenningen auf die Wichtigkeit der Stolpersteine hin. Josef Fischer wunderte sich, dass Argumente mehr wiegen als die moralische Pflicht der Erinnerung für die 19 ermordeten Juden in Villingen. Es gehe nicht darum, etwas zu verrechnen, es gehe um Menschen, die hier zu Hause waren. Für Frank Banse von der evangelischen Kirche in Schwenningen war es wichtig, dass viele junge Menschen darüber stolpern und die Erinnerung wacht bleibt.

Um solche Gräueltaten zu verhindern, sei es wichtig, die Erinnerung daran wach zu halten, meinte Renate Breuning, aber das gehe auch bei einem Mahnmal mit den Namen der Opfer und nicht mit vielen kleinen Stolpersteinen. Sie bat um Toleranz des anders Denkenden, denn das sei das Erste, was "wir aus der Geschichte gelernt haben". Die Mehrheit der CDU stimmte gegen die Stolpersteine. Erich Bißwurm von den Freien Wählern erklärte, dass seine Fraktion sich dem uneingeschränkt anschließe nach langer Diskussion. "Wir verwehren uns nicht gegen Erinnerungszeichen, aber gegen Stolpersteine."

Heinz Lörcher (SPD) wies darauf hin, dass die Stolpersteine ein Mahnmal nicht ausschließen, beides sei möglich. Für die Betroffenen sei es wichtig zu sehen, wo die verfolgten Menschen gelebt haben. Die Stolpersteine seien eine Form, konkret an die Menschen zu denken.

Joachim von Mirbach (Grüne) war verwundert über die Toleranz, die Renate Breuning angesprochen hatte. Anderen Vorschriften zu machen, sei nicht toleranzfähig. Denn der Gemeinderat entscheide, ob Dritten gestattet werden soll, auf eine bestimmte Art und Weise Erinnerungskultur zu betreiben. "Wenn Sie schon nicht zustimmen können, dann enthalten Sie sich und stimmen nicht dagegen."

Eine beeindruckende Kehrtwende machte Ulrike Heggen. Sie sei dagegen gewesen, weil es noch viele andere Opfer gibt. Doch sie habe zuerst zu wenig recherchiert. Die Stolpersteine brächten keinen finanziellen und keinen optischen Nachteil für die Stadt. Sie sehe sich nicht als "Umfaller", sondern habe einen Prozess der Meinungsbildung durchgemacht. Helga Baur (Grüne) wollte immer wieder über die Namen stolpern, es gehe nicht um Wiedergutmachung, sondern um Erinnern. Das Ansehen der Stadt zeigt sich nach Ansicht von Berthold Ummenhofer (Freie Wähler) nicht in Stolpersteinen, sondern in einer guten Infrastruktur. Er sehe kein negatives Image, wenn die Steine abgelehnt werden.