Die Mehrheit der Gemeinderäte will nicht, dass VS zugepflastert wird. Für die anderen ist das ein Risiko. Fotomontage: Ulm Foto: Schwarzwälder Bote

Zankapfel: Stehen Wahlanfechtungen Tür und Tor offen? / Gemeinderat verweigert Satzungsänderung

Villingen-Schwenningen. "Das ist wie mit 180 über die Autobahn fahren, sich nicht anschnallen und zu denken, ›es wird schon nichts passieren‹!" – so umschrieb der FDP-Stadtrat Marcel Klinge es, wenn Villingen-Schwenningen an der bisherigen Regelung zur Wahlplakatierung in der Stadt festhalte. Doch das Gros des Gemeinderates stimmte genau dafür. Die bisherige Regelung mit einer Obergrenze an Wahlplakaten, die die Parteien aufhängen dürfen, soll beibehalten werden, um eine Plakatflut zu verhindern. Dabei sehen verschiedene Gerichte laut Bürgeramtschef Ralf Glück solch eine starre Obergrenze kritisch. Er empfahl daher, künftig auf diese Reglementierung zu verzichten. Und das tat er vergeblich. Sind jetzt für Wahlanfechtungen in Villingen-Schwenningen Tür und Tor offen?

Schon immer wird dieses Thema kontrovers diskutiert. Die Einen sprechen von einer wahren Flut von Plakaten in der Stadt in den Wochen vor einer Wahl und sind der bisherigen Satzung dankbar, dass sie keinen Wildwuchs zulässt, sondern jeder Partei nur ein vorgegebenes Kontingent an Wahlplakaten erlaubt. Andere sehen nicht ein, dass große, etablierte Parteien nur gleich viele Poster aufhängen dürfen wie kleine Gruppierungen. Und dann gibt es da noch die rechtlichen Vorschriften….

Und eben weil es diese gibt, empfahl das Bürgeramt, die Begrenzung der Wahlplakatierung aufzuheben und es den Parteien und "ihrer Wahlkampfstrategie" zu überlassen, wie sie wo werben.

Doch auch dieser Vorschlag war nicht nach dem Geschmack aller Stadträte und so entspann sich am Mittwoch eine kontroverse Diskussion. Die zwei Lager: Nur ja keinen Wildwuchs an Plakaten zulassen, das juristische Restrisiko in Kauf nehmen und bei der bisherigen Handhabung bleiben. Oder aber: die "Null-Risiko-Strategie", wie FDP-Stadtrat Marcel Klinge sie priorisierte – die Obergrenze also abzuschaffen. Seine Argumente waren klar: Die tollen Kandidaten aller Parteien beispielsweise für die Kommunalwahl seien es wert, dass man mit vielen Plakaten für sie werbe. Außerdem erreiche man so umso mehr potenzielle Wähler. Und: Das Risiko, sich eine Wahlanfechtung einzuhandeln von jemandem, dem das Wahlergebnis nicht passt, sei viel zu hoch. Schließlich wisse nach den Diskussionen über dieses Thema nun jeder genau, wie er eine VS-Wahl gegebenenfalls anfechten könne.

Hauptamtsleiter Joachim Wöhrle von der Stadtverwaltung empfahl "dringend", der vorgeschlagenen Satzungsänderung zuzustimmen. Das Risiko sei nicht zu verachten.

Klaus Martin von der CDU hingegen wollte "den Ball flachhalten". Er verwies auf die selbst bei Gerichten unterschiedlichen Rechtsauffassungen und darauf, dass VS keine Handhabung habe, die am heftigsten umstritten sei, nämlich jenes abgestufte System, nach dem beispielsweise kleinere Parteien weniger Plakate aufhängen dürften. "Bei uns darf jeder gleich viel aufhängen", deshalb sah Martin VS ganz gelassen auf einer recht sicheren Seite.

Das Abstimmungsergebnis war deutlich: rund 20 Stadträte lehnten eine Satzungsänderung ab und gehen damit das Restrisiko einer Wahlanfechtung zugunsten des Stadtbildes bewusst ein, nur halb so viele und damit zu wenige stimmten für die Änderung. In VS also bleibt die Wahlwerbung weiterhin gedrosselt.