"Was bleibt mir anderes übrig als aus Berlin zu fliehen?": Simone Solga trat am Mittwoch im Theater am Ring auf. Foto: Trenkle Foto: Schwarzwälder Bote

Kabarett: Simone Solga tritt im Theater am Ring auf / Wenn sich der Bundestag als Krisengebiet entpuppt

Kabarettistin Simone Solga muss sich bald einen neuen Job suchen, zumindest mit ihrer Hauptfigur, der "Kanzlerinnen-Flüsterin", wird sie spätestens nach der nächsten Bundestagswahl, wie Angela Merkel selbst, nicht wieder antreten. Zuvor dreht sie allerdings noch einmal kräftig auf, so beispielsweise im Villinger Theater am Ring.

VS-Villingen. "Ich bin auf der Flucht" gab sie zu Beginn des aktuellen Programms "Das gibt Ärger" dem Publikum preis, und spätestens mit dem Satz "Ich komme aus dem einzigen Irrenhaus, in das alle hinein statt heraus wollen" war klar, auf welches Krisengebiet sie sich bezieht: den Bundestag. Dort halte man es nicht mehr aus. "Ich stahl von Peter Altmaier das ergiebige Lunchpaket und nahm die Balkanroute über Triberg. Nun bin ich hier bei ihnen und beantrage in Villingen-Schwenningen Asyl". Applaus kam auf, doch wer sich geschmeichelt fühlte, dem briet sie mit dem nächsten Satz gleich eins über: Wer, wenn nicht aus tiefster Not angetrieben, komme schon nach Villingen oder Schwenningen?

Viele der gegenwärtig gesellschaftlichen und politischen Themen nahm Simone Solga pointiert aufs Korn. Das Fluchtmotiv zog sich als roter Faden durchs Soloprogramm, und als wiederkehrendes Gesprächsgegenüber diente die Kanzlerin mit offenbar hilfeersuchenden Handyanrufen. Simone Solga verriet dabei der um Ermutigung und Formulierungsideen bittenden Regierungschefin nicht, dass sie als Mitarbeiterin bereits aus Berlin geflohen sei. Ohne Lügen könne die Menschheit doch gar nicht friedlich zusammenleben, so Solga.

"Wissen Sie, wie das Fachwort dafür heißt, wenn Menschen nicht mehr gelogene Freundlichkeiten von sich geben?: Syrien". Merkel habe sie aber auch schon die Wahrheit zugeflüstert, beispielsweise "Wir schaffen das nicht" – die Kanzlerin habe aber bei der Ansprache das letzte Wort nicht gehört und es weggelassen. Und schon wieder klingelt es: "Was, Frau Merkel, Sie sind noch immer im Büro? Übertreiben Sie es nicht, Rom wurde auch nicht an einem Tag zerstört!"

Wie sieht es bei der Schwesterpartei aus? Überall aus wahltaktischen Gründen Kreuze aufzuhängen, entspreche ebenfalls nicht gerade der Wahrheitsliebe. "Man muss froh sein, dass Jesus nicht ertränkt wurde, sonst hätte der Söder in öffentlichen Räumen Aquarien aufgestellt." Selbstverständlich bekamen auch andere Parteien ihr Fett ab: Der SPD, insbesondere ihrer Vorsitzenden Andrea Nahles, zollte sie Respekt für die Fähigkeit, die Fünf-Prozent-Hürde zu erreichen. "Vielleicht ist Politik für die SPD ja auch einfach nicht das richtige."

Bei der AfD sei erkennbar, dass Frau Merkel noch immer Massen mobilisieren könne, wenn auch nicht für die eigene Partei und die Grünen, mit ihrer "eingebauten moralischen Vorfahrt" seien, "wenn sie von innerer Sicherheit schwadronierten, wie ein Mönch, der von Kamasutra schwärmt". Wer sollte eigentlich Nachfolger von Merkel werden? Mit notwendiger Rücksicht auf die so empfindliche deutsche Automobilindustrie hält Simone Solga Annegret Kramp-Karrenbauer für die beste, denn der Namen passe so hervorragend. Aus diesem Grund wäre gar an Sahra Wagenknecht zu denken, wenn sie mit ihrer "Aufsteh-Kampagne" auch eher sitzengeblieben sei. Eigentlich sei sie aber für Jens Spahn als Kanzler, damit endlich der Platz für einen fähigen Gesundheitsminister frei werde.

Mit viel kabarettistischer Häme bedachte sie auch so manch andere Entwicklungen im Land. So die sehr langsame digitale Vernetzung: "Rumänien surft schneller als wir, und vor russischen Hackern brauchen wir uns nicht zu fürchten, da die sterben, bevor sie die zu klauende Datenbanken übertragen haben." Sogar die geheimen Wünsche von "uns Frauen" versuchte Simone Solga zu beleuchten: Frauen täten oft so, als ob sie bei Männern nicht aufs Äußere schauten und nur die inneren Werte bedächten. "Nein, wir wollen letztlich halt doch harte Kerle. Es hat schon einen Grund, weshalb James Bond von Daniel Craig und nicht von Rainer Calmund verkörpert wird."

Auch der am eigenen Körper wahrgenommene Alterungsprozess war ihr nach der Pause noch einen satirischen Abstecher wert: Das Leben sieht sie als Kreislauf: Es beginne und ende in Windeln. Erschreckt stelle sie fest, dass in ADAC-Heften das meistbeworbene Fahrzeug der Treppenlift sei: "Das beliebteste Reiseziel der ADAC-Mitglieder ist offenbar der erste Stock." Fürs Metier des Kabaretts eher selten, wagte sich Simone Solga auch mehrmals über den Abend verteilt ans Gesangsmikrofon. Inhaltlich interessant, stimmlich jedoch nur mäßig schnitt sie dort ab.

Das Publikum im vorhersehbar an einem Mittwochabend nicht vollbesetzten Theater honorierte den engagierten Auftritt mit der Bitte um eine Zugabe. Dies versöhnte die bundesweit bekannte Kabarettistin mit einer von ihr in der Pause erlebten großen Passivität der Besucher. Keiner hatte auf von ihr verteilte Zettelchen eine Botschaft an die Kanzlerin geschrieben. "Man hatte mich vor Villingen-Schwenningen gewarnt", so Simone Solga, "aber das es so schlimm wird…."