Seit mehr als 25 Jahren ist das Ski-Internat in Furtwangen Kaderschmiede für deutsche Wintersport-Asse. Fotos: Heinig Foto: Schwarzwälder Bote

Ski-Internat: Niclas Kullmann: "An Furtwangen geht kein Weg vorbei" / Trainingsumfänge nehmen dramatisch zu

Langlauf, Biathlon, Nordische Kombination und Skisprung – junge Spitzensportler aus den baden-württembergischen Skiverbänden können sich im Ski-Internat Furtwangen ihrem Sport optimal widmen – und die schulische Ausbildung kommt dabei nicht zu kurz.

Schwarzwald-Baar-Kreis. In mehr als 25 Jahren hat sich das Internat als Kaderschmiede für Wintersport-Talente bewährt. Skisprung-Weltmeister Martin Schmitt lebte hier, Biathletin Simone Hauswald, auch die aktuellen Olympioniken Simon Schempp, Benedikt, Doll, Fabian Riesle, Steffi Böhler und Sandra Ringwald drückten vormittags die Schulbank und absolvierten nachmittags ihr Training.

35 junge Sportler derzeit in Ausbildung

Zurzeit zählt Internatsleiter Niclas Kullmann 35 junge Sportler im Alter von 15 bis 18 Jahre, davon ein Drittel junge Damen. Ihnen zur Seite stehen zehn Diplomtrainer, zwei Sozialpädagogen, die beiden Hausleiter Gerhard Geiger und Christa Schmid und an jeder der beiden Furtwangener Schulen ein Koordinationslehrer.

Die Robert-Gerwig-Schule liegt gleich nebenan. Hier sind unter anderem ein Wirtschafts- und ein Technisches Gymnasium untergebracht, das Otto-Hahn-Gymnasium ist ein allgemeinbildendes. "Wir haben alles vor der Haustür, was wir brauchen", sagt Niclas Kullmann. In der Regel gehen alle seine Internatsschüler auf das Abitur zu. Grundsätzlich werden vor Ort aber alle Schularten geboten, auch Realschule, Berufskolleg, gewerbliche und kaufmännische Schulen. "Wir können jeden beschulen". Die Internatsschüler gehen "in ganz normale Klassen", erreichen ihre Schule zu Fuß oder per Fahrrad, in Ausnahmefällen stellt das Internat einen Fahrdienst.

Niclas Kullmann ist selbst Lehrer für Englisch am Otto-Hahn-Gymnasium. Die Besonderheit an allen Furtwangener Schulen sei, sagt er, dass sie sich ganz auf die Sportler einstellen. Das beginnt bei der Zusammensetzung der Klasse, zieht sich über den Stundenplan hinweg bis zur Terminierung von Klassenarbeiten und Prüfungen. Ein Sportler aus dem Internat fehlt aufgrund von Wettkämpfen und auswärtigen Trainingslagern pro Schuljahr – hauptsächlich in der Zeit von Oktober bis März – an rund 70 Tagen und die liegen zumeist gen Wochenende. Im Stundenplan werden an Donnerstagen und Freitagen deshalb nicht die wichtigsten Fächer unterrichtet und Leistungsnachweise – so gut es geht – vermieden. Ohne Nachschreibeklausuren funktioniert es dennoch nicht. Jedem Sportler wird ein Schülermentor an die Seite gestellt, der bei Abwesenheit den Schulstoff mitschreibt und im Internat abgibt – zum Nacharbeiten. Wer schulisch durchhängt, dem wird schon einmal der nächste Wettkampf gestrichen. "Schule geht vor", sagt Kullmann unmissverständlich. Oft komme das aber nicht vor, denn "unsere Jugendlichen wissen, worauf es ankommt". Ist schulisch alles im Lot, wird jeden Tag von 15.30 bis 18 Uhr trainiert, an manchen Tagen auch um 6 Uhr morgens, noch vor Schulbeginn. Im Winter trainieren die Skispringer und Nordischen Kombinierer am Bundesstützpunkt in Hinterzarten, die Langläufer und Biathleten im Weißenbachtal. Die Spezialtrainer des Internats wissen freilich, wie man die Leistungen auch in der Sporthalle und im Sommer steigern kann. Abends stehen Hausaufgaben an.

Voraussetzung ist die Berufung in den Landeskader

Die Voraussetzung für einen Platz im Furtwangener Ski-Internat ist die Berufung in den Landeskader. An begabtem Nachwuchs fehle es nicht, sagt Niclas Kullmann. Bis vor zwei Jahren sorgten eher die Kosten für das Wohnen im Internat für rückläufige Schülerzahlen. Fast 700 Euro mussten Eltern bis dato für ihre Söhne und Töchter pro Monat aufbringen. Inzwischen schießt das Land jedoch pro Sportler und Monat 250 Euro zu. Jetzt stimmen die Belegungszahlen wieder. Blickt man zurück auf die gerade zu Ende gegangenen Olympischen Winterspiele in Pyeongchang mit den Medaillengewinnern und ehemaligen Internatsschülern Schempp, Doll und Rießle, wird deutlich, was Kullmann meint, wenn er sagt: "An Furtwangen geht kein Weg vorbei". Die Trainingsumfänge auch der Nachwuchssportler nehmen weltweit dramatisch zu, findet der ehemalige Kombinierer mit Weltcup-Erfahrung. 15- bis 19-jährige Läufer trainieren mittlerweile bis zu 8000 Kilometer pro Jahr. "Das ist in den Heimatorten der Athleten gar nicht leistbar". In Furtwangen ist das immense Pensum eingebettet in einen strukturierten Tag. Auch Mentaltrainer, Haus- und Küchenpersonal sorgen sich um das Wohlergehen der Nachwuchssportler. Die hauseigene Mensa mit eigener Küche hält Sportlernahrung vor.

"Wir achten sehr auf die Ernährung, es gibt unter anderem jeden Tag sechs bis acht verschiedene Salate", sagt Niclas Kullmann. Die Sorge der Internatsleitung um die jungen Sportler geht auch über das Abitur hinaus.

Laufbahnberater Jürgen Willrett begleitet die Schulabgänger beim Übergang zum Studium. Auch hier steht mit der Hochschule Furtwangen (HFU) eine Einrichtung vor der Haustür parat, die sich ganz auf die Bedürfnisse der Spitzensportler eingestellt hat. Prüfungen können verschoben, die Studiendauer kann variabel gehalten werden.

Olympiasieger Georg Hettich war der Erste, der die Kooperation von Internat und HFU genießen durfte. Derzeit studiert auch Benedikt Doll in Furtwangen. "Wir bemühen uns um eine duale Karriere unserer Schüler in vielen Bereichen", sagt Kullmann. Die klassischen Arbeitgeber waren bisher die Bundeswehr, der Zoll oder die Bundespolizei. Die Auswahl an Berufskarrieren soll größer werden.