Neuer Oberbürgermeister Jürgen Roth im Interview. Foto: Eich

Neues Jahr bringt Veränderungen für Doppelstadt. Nachfolger von Kubon voller Tatendrang. Interview

Villingen-Schwenningen - Ein neues Jahr, ein neuer OB für VS. Wie geht Jürgen Roth es an? Darüber sprach er mit dem Schwarzwälder Boten.

Herr Roth, in Tuningen haben Sie Ihren Schreibtisch ausgeräumt. Lag in einer Schublade auch ein Konzept für Ihre Verwaltungsarbeit in VS?

Dort hatte ich das nicht – ich habe nämlich strikt getrennt zwischen "Villingen-Schwenningen" und "Tuningen". Aber ich habe natürlich schon ein Anfangskonzept entwickelt, das ist wichtig.

Wird es in Villingen-Schwenningen denn dann auch Jour-fixe-Termine mit den Amtsleitern geben, wie bislang in Tuningen?

Die gibt es schon! Man muss Bewährtes nicht unbedingt verändern. Es gibt dort die Amtsleitergespräche für das Dezernat I, also meins, und es gibt die Amtsleitergespräche für das Dezernat II, von Herrn Bührer – mein Kollege war bei den Terminen des Dezernats I bisher immer mit dabei und ich denke, das werde ich am Anfang im Dezernat II auch machen. Ob ich später jedes Mal mit dabei sein muss, wird sich zeigen und hängt sicherlich auch von den Themen dort ab und von meinem Terminkalender.

Der wird sich jetzt schon füllen, oder?

Ja, ich hab davon gehört. (lächelt)

Worauf freuen Sie sich denn am meisten?

(überlegt)

Ich hoffe, Sie freuen sich auf irgendetwas?!

(lacht) Es gibt sicher vieles, worauf ich mich freue. Und ich bin auf vieles sehr gespannt. Ich freue mich beispielsweise darauf, künftig beide Seiten wahrnehmen zu können – die Seite aus dem Wahlkampf kenne ich, jetzt will ich die Aktenlage kennenlernen und mit den Leuten in der Verwaltung reden. Ich freue mich auf den Kontakt zu meinen neuen Kollegen, will mal durch die Stuben gehen und mit ihnen reden – da habe ich bei 1500 Stellen ein bisschen was vor, das schaffe ich nicht in vier Wochen, aber das habe ich mir fest vorgenommen.

Warum?

Ich hoffe dabei natürlich auch auf Impulse – die Mitarbeiter sollen mir sagen, was sie gut finden, was nicht, wo man nachsteuern sollte. Ich hoffe, dass ich da einen gewissen Vertrauensvorschuss habe – ich weiß aber auch, dass ich danach Ergebnisse und eine Rückmeldung zu liefern habe.

Mit wieviel Respekt geht man denn so eine Riesenaufgabe an? Haben Sie Muffensausen?

Nein, keine Sekunde!

Echt?

Ja! Ich habe 15 Jahre Bürgermeister. Warum soll ich da Muffensausen haben? Genauso gehe ich aber mit dem notwendigen Respekt an die Aufgabe. Ich habe zukünftig eine andere Flughöhe, aber ich habe auch viele tüchtige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die mir zuhören, die mir helfen, die mir Sachen erklären. Ich bin da tiefenentspannt. (nach kurzer Pause setzt er hinzu:) Ich weiß gar nicht wieso – andere wären vielleicht aufgeregt, die Frage höre ich nämlich öfter.

Sie beschäftigen sich also gedanklich schon mit Ihrer künftigen Aufgabe... Liegt daheim auch eine Liste mit To-Dos für VS?

Diese Liste habe ich, ja.

Und wie lang ist sie?

Das sind bestimmt drei Notizbücher. Aus dem Wahlkampf zweieinhalb und aus den letzten Wochen der Zeitungslektüre habe ich auch noch ein paar mitgenommen. Im Endeffekt sind es ja nicht vollkommen neue Themen, aber ich merke mir diese Dinge, die mir jetzt auffallen. Und ich stelle auch eine gewisse Priorisierung fest.

Kurz vor Ihrem Amtsantritt gab es im Gemeinderat ja einen Riesen-Hickhack um den Stellenplan und nicht im gewünschten Maß genehmigte neue Stellen für die Verwaltung. Was haben Sie dabei empfunden?

Ich muss erst nochmal genau schauen, was beschlossen wurde – es war ja nicht so wie in der Vorlage, sondern man hat sich nochmals anders verständigt. Die Organisationshoheit des neuen Oberbürgermeisters sollte ja nicht tangiert werden – darüber freue ich mich natürlich (lächelt).

Sie grinsen. Denken Sie, man hat Ihnen mit diesem Beschluss ein Ei gelegt?

Ich kenne das Kartenspiel ja auch mit dem dunklen männlichen Namen. Aber es ist okay für mich und ist auch meine Aufgabe. Ich fände es schade, wenn mir Dinge vorweg genommen werden, die ich nachher verantworten muss, politisch wie auch inhaltlich. Ich verstehe die Fraktionen, wenn sie sagen, "guck mal den Verwaltungshaushalt an!". Einen Punkt gibt es allerdings, bei dem es mir Himmelangst wurde.

Welchen?

Als ich die Finanzplanung 2020 bis 2024 gesehen habe mit am Ende 1300 Euro Verschuldung je Einwohner. Denn daran werde ich am Ende dieses Zeitraumes gemessen werden, im Sinne von: "Seit Sie da sind, haben wir 1300 Euro Verschuldung..." Das kann man dann sicherlich erklären, aber ich will versuchen, dass es nicht so kommt.

Sind Sie zuversichtlich, dass das gelingt?

Ja, ich glaube schon. Aber fragen Sie mich nach einem Jahr nochmal.

Während ihrer Amtszeit in Tuningen wurden im Vermögenshaushalt 37,5 Millionen Euro investiert und 144 Millionen Euro umgesetzt. Das sind andere Dimensionen als in VS...

Ja, das ist ein Vielfaches. Es ist in Villingen-Schwenningen wesentlich mehr umzusetzen und das in anderen Projekten. Wenn hier eine Schulsanierung halt mal 25 Millionen kostet, dann ist das derzeit halt so. Ob das so sein muss, weiß ich nicht. Ich bin es so gewohnt, dass man das Nötige macht und um Premiumlösungen versuche ich, herumzukommen. Da werde ich hoffentlich von meinen Mitarbeitern abgeholt werden, die mir sagen, dass wir hier eben keine Premiumlösungen haben und mir erklären, "das muss so sein, weil..." Wenn ich aber insgesamt an den Schulverbund Deutenberg denke, an die anderen Schulen und Kindergärten, dann sind das große Summen, die wir für die Umsetzungen brauchen. 450 Kinder heißt beispielsweise nun mal soundsoviele Gruppen und das bedeutet, man benötigt eine vorgeschriebene Anzahl an Fachkräften. Und dieser Anstieg in den Personalkosten neben den Baumaßnahmen zur Schaffung der Gruppenräume.

Sehen Sie das gefährdet durch die Kürzung des Aufwuchses?

Nein. Ich hätte es mir auch anders vorstellen können, denn man muss erkennen, dass man Erzieher, wenn wir sie haben, auch eine Anstellung brauchen und vor allem behalten werden können, wenn sie zeitlich befristet angestellt sind. Wenn sie einmal das Unternehmen verlassen haben, bekommt man sie sehr schwer wieder zurück. Und wenn unterjährig eine Fachkraft kommt, dann muss ich einen Pool bilden können, den ich dann nutzen kann. Es kann nämlich schnell Situationen geben, in welchen wir das Personal brauchen – schwere Krankheiten, Familienpausen, was auch immer... Da brauchen wir Fachkräfte und das muss ich den politisch Verantwortlichen auch erklären. Hier in Tuningen war dies zu keiner Zeit irgendein Thema und wir haben den Personalschlüssel verfünffacht. Wir haben mit einem zweigruppigen Kindergarten angefangen und liegen jetzt bei 35 Köpfen. Na klar ist das im Verhältnis ein Mikro-Kosmos. Aber die Problematik hat sich nicht verändert, es ist nur eine Frage der Skalierung. Deshalb habe ich auch wenig Sorge. Ich habe in vielen Punkten eine Skalierung vor mir.

Hier besteht also noch Gesprächsbedarf?

Ich habe deutlich gespürt in den Wortmeldungen, die ich mitbekommen habe, dass die Gemeinderäte noch einiges besser dargelegt bekommen müssen oder sie noch nicht abgeholt sind. Das ist unsere Aufgabe, dies zu vermitteln. Wir sitzen hier alle im gleichen Boot und wollen auch alle das Problem lösen – zum Wohle aller Familien.

Und wie geht Mangin weiter?

Ja, wir liegen ja jetzt bei 81 Millionen Euro, Tendenz bei den Baukostenprognosen nach oben... Ich werde dafür sorgen, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung mit allen Bereichen und Darstellungen schonungslos und nachvollziehbar präsentiert wird.

Das klingt, als wäre eine Rolle rückwärts möglich?

Naja, es war von mir noch nie anders gesagt. Wenn das Projekt nicht wirtschaftlich ist, warum sollen wir es dann tun? Ich bin jetzt total neugierig, endlich mal in alle Unterlagen reinschauen zu dürfen. Genauso steht die Befragung noch aus!

Was denken Sie, wann geht es hier weiter?

Da ist so viel Druck vorhanden, das muss in Kürze passieren. Vorbereiten, ergänzen und richtig aufbereiten muss man die Zahlen aber auch noch. Auch die Befragung braucht Zeit.

Gesetzt denn Fall, es gibt diese Rolle rückwärts – dann hätten Sie ein anderes Problem: eine Verwaltung an 13 Standorten.

Da bin ich mit Ihnen einig. Verwaltung an 13 Standorten kann man machen, aber ob das optimal ist... Ich hielte das für schwierig und nicht zielführend. Auch das kann eine Erkenntnis aus einer Wirtschaftlichkeitsberechnung sein.

Sind für Sie die Verwaltungszusammenführung auf dem Mangin-Areal und das Wohnprojekt dort zwei Paar Stiefel?

Ja.

Sie könnten sich also eine Rolle rückwärts beim einen und das Vorantreiben oder gar das Ausbauen des anderen vorstellen?

(nickt und lächelt) Wir werden sehen, wie es weitergehen kann, wenn wir die Zahlen kennen.

Zurück zu den Alltagsgeschäften im Rathaus. Werden Sie vieles in VS anders angehen müssen als in Tuningen, wo sie mehr Dinge selbst tun mussten?

Natürlich, ist doch klar! Tuningen war eine super Ausbildung dafür. Hier war ich im Graben, hier war ich bei den Bauabnahmen. Ich weiß genau, was wie funktioniert, welche Fragen ich stellen und worauf ich achten muss. Ich weiß, dass ich das in Villingen-Schwenningen gar nicht brauche, aber ich weiß, wie es funktioniert und ich glaube, das nutzt vielleicht manchmal auch, Impulse zu setzen, Nachfragen zu stellen oder Plausibilitäten zu prüfen.

Kann man daraus schließen, dass Sie sich viel einmischen werden in die Belange der Amtsleiter?

Ich werde mich schon einmischen. Ich habe ein Zielfoto  und das will ich umsetzen. Das Zielfoto muss ich transportieren und danach muss ich es mit den Kollegen  abgleichen und dazu gehört auch, nachzusteuern. Wenn etwas nicht läuft, muss ich das tun, das ist eine meiner Aufgaben als Verwaltungschef. Wir wollen ja alle besser werden. Die Frage ist, wie tief das geht. Und in die Kommunikationsstruktur, da werde ich mich stark einmischen, denke ich.

Tauschen Sie sich mit Herrn Kubon jetzt eigentlich schon aus?

Ja! Ich habe letzte Woche meine Ernennungsurkunde von ihm bekommen. Und wir haben uns schon ein paarmal getroffen.

Wie ist die Stimmung bei diesen Treffen, hallt der Wahlkampf noch nach?

Nein, das war ja im Wahlkampf schon wie die Jahre zuvor, ein gutes Miteinander.

Und Ihr ehemaliger Konkurrent im Wahlkampf, Jörg Röber, was passiert mit ihm? Wird er wirklich Digitalisierungsbeauftragter obwohl man vermuten muss, dass er sich noch anderswo zur Wahl stellen wird?

Ich halte diese, wenn sie kommt, neue Position für wichtig und für zukunftsweisend. Ich traue ihm sehr viel zu, er hat zweifelsfrei große Qualifikationen, warum soll ich das nicht für die Stadt nutzen? Aber das muss man zu gegebener Zeit besprechen mit allen Beteiligten.

Und wer wird ihr Referent?

Ich hatte jemanden im Auge, aber der kommt nicht.

Einen Externen also?

Ja.

Und nun?

Nun habe ich keinen mehr im Auge. Die Stelle wird ausgeschrieben und dann hoffe ich, dass sich jemand Tolles bewirbt.

Sie klingen, als stecken Sie voller Tatendrang. Wann geht es für Sie hier los?

Am 1.1. um 8 Uhr ist bis jetzt mein erster Termin, das Neujahrsschießen. Dann habe ich am Morgen noch einen Termin und am Abend ist ja das Neujahrskonzert. Am 2. Januar um halb neun treffe ich mich mit dem Team und dann: mal schauen, was dann passiert. (lacht)

Und privat? Suchen Sie schon ein Zuhause in VS?

Ich hatte bislang nicht die Kraft, mich da zusätzlich noch umzuschauen. Ich glaube, das ergibt sich, wenn ich mal nicht mehr beide Belastungen habe. Und wenn ich was Schönes finde...

Ziehen Sie dort alleine ein, oder lebt zwischenzeitlich die Katze bei Ihnen, die Sie während des Wahlkampfs angekündigt haben?

Zwei! Kurt und Willi. Ich bin da sehr Biene Maja affin – Maja hieß meine frühere Katze, die gestorben ist. Ihre Namen stehen auch auf ihren Näpfen, die ich in Schwenningen in der Töpferei extra habe anfertigen lassen. Da ist Leben in der Bude – ab morgens um halb 4 (lacht)

Und ob es für Kurt und Willi nach Villingen oder nach Schwenningen geht ist nach wie vor offen! Auch die Ortsteile sind klasse – nur nach Pfaffenweiler, wurde mir gesagt, da bitte nicht hin!

Aha, und warum?

Da wohnen schon der  Erste Beigeordnete und der Landrat (lacht herzlich).