Simon Zieger ist Pfarrer in Schwenningen.Foto: Ziegerer Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Heute mit Simon Ziegerer

Villingen-Schwenningen. Eine längst verloren geglaubte Fähigkeit ist jetzt nötig: Geduld. Verzögerung ist angesagt. Die Ausbreitung des Virus soll verlangsamt werden. Sozialkontakte sind auf Eis gelegt. Viele Aktivitäten sind auf null heruntergefahren. Unsere Aufgabe heißt: abwarten.

Ich merke, wie schwer mir das fällt. In den letzten Jahren hat sich das Leben immer mehr beschleunigt. Geduld war kaum mehr nötig, denn fast alles konnte man im Expresstempo bekommen. Scheinbar stand alles jederzeit zur Verfügung. Online sowieso, aber auch außerhalb der digitalen Welt. Das ist jetzt anders. Auf manche Produkte müssen wir warten, weil sie ausverkauft sind. Manche warten schon jetzt sehnsüchtig darauf, dass ihr Lieblingsfriseur wieder Haare schneiden darf. Manche Kinder warten darauf, dass sie endlich wieder mit Freunden auf den Spielplatz können.

Das Herausfordernde am aktuellen Warten ist: Wir sind nicht mehr darin geübt und wir wissen nicht, wie lange wir warten müssen. Das macht die Geduld so schwer.

Ich denke, dass wir aus der Not eine Tugend machen können. Wir sind gezwungen, geduldig zu sein. Dann können wir es doch als Chance verstehen und uns in Geduld üben. Geduld ist eine Tugend, die ich schätze. Geduldige Menschen finde ich angenehm. Sie poltern nicht, sie machen keinen Druck. Höflich fragen sie nach und geraten nicht gleich in Rage. Geduldige Menschen haben eine wohltuende Ausstrahlung.

Schon die Bibel weiß: Wer geduldig ist, der ist weise (Sprüche 14,29). Auch Gott wird uns in der Bibel als geduldig beschrieben. Geduld ist also eine himmlische Eigenschaft. Ich will mich in Geduld üben, Sie auch?

Es ist, als sei die Welt aus den Fugen geraten. Auch in Villingen-Schwenningen ist scheinbar nichts mehr so, wie es all die Jahre gewesen ist. Es herrscht ein Ausnahmezustand – und manche Angst und Sorge. Anlaufstellen in solchen Tagen sind seit jeher auch Kirchen. Doch Gottesdienste finden vorerst nicht mehr statt. Kirchenleute in VS möchten ihren Beitrag auch während der Krise leisten und den Menschen in Villingen-Schwenningen Impulse mit in ihren derzeit so ungewöhnlichen Alltag geben. In unserer neuen Reihe "Auf ein Wort in besonderen Zeiten" wenden sie sich nun täglich an unsere Leser. Sie sprechen über mitmenschliche Werte und das Miteinander trotz möglichst großer persönlicher Distanz – natürlich ökumenisch und die großen Stadtbezirke übergreifend. (cos)