Nach schwierigen Momenten atmet Jam von der Linde im Flugzeug auf. Foto: Privat

Cem Yazici wollte am Dienstagabend ab Istanbul fliegen. Terror mehrfach knapp entgangen.

VS-Schwenningen - Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte sich Cem Yazici, besser bekannt als Jam von der Linde, am Dienstag am Flughafen Istanbul aufgehalten. An jenem Abend, als dort drei Attentäter einen Anschlag verübten. Dass nicht alles nach Plan lief, könnte sein Leben gerettet haben.

"Mein Flug nach Deutschland wäre um 23.55 Uhr gegangen, gegen 21.55 Uhr hätte ich mich also gerade an der Pforte befunden", sagt der Lindenwirt mit bedächtiger Stimme. 21.55 Uhr, das ist in etwa der Zeitpunkt, als die Selbstmordattentäter den Flughafen stürmten und wahllos in die Menge schossen, um sich anschließend in die Luft zu sprengen. Mindestens 43 Menschen verloren ihr Leben.

Zu Jams Glück hatte sein Manager Hakan Ervan, der Jam auf seiner Reise begleitete, aus terminlichen Gründen kurzfristig auf einen Flug am Mittwoch umgebucht – gegen den Willen von Jam, der unbedingt zurück nach Schwenningen und in seine Linde wollte. "Ich muss fliegen", hatte er immer wieder gefordert. Nach einer Diskussion ließ sich der Musiker und Lindenwirt breit schlagen, und blieb so am Dienstagabend in seinem Hotel. "Wir saßen gerade bei einem Tee auf der Terrasse, als ich eine Nachricht aus Deutschland von meinem Bodyguard erhielt, ob es mir gut gehe. Ich solle mich bitte unbedingt melden. Er war ja davon ausgegangen, dass ich am Dienstag fliege", berichtet Jam. Als er gegen 22.10 Uhr zurückrief, erfuhr er von dem Terroranschlag.

Nach einem Facebook-Video, in dem Jam anschließend seinen Gedanken freien Lauf ließ und den Terrorismus anprangerte, erhielt er binnen kürzester Zeit mehr als 400 persönliche Nachrichten, mit denen Freunde und Angehörige ihre Freude ausdrückten, dass es Jam gut geht.

Inzwischen ist der Musiker wieder in Deutschland. Sein Flug am Mittwoch hatte nur eine Stunde Verspätung. "Dank der Überredungskunst meines Managers sitze ich hier und bin putzmunter", meint er gestern auf der Terrasse seiner Linde. Vor seinem Abflug war Jam auch am Abfertigungsschalter, wo sich ein Attentäter in die Luft gesprengt hatte. "An Decke und Boden war ein großes Loch zu sehen, an manchen Stellen hingen noch Körperfetzen", schildert Jam seine schrecklichen Eindrücke. Ansonsten seien im Flughafen viele Menschen gewesen, deren Flug am Vortag gestrichen worden war, und die nun auf ihren Abflug warteten. "Einer älteren Dame habe ich da noch mein Nackenkissen gegeben."

Seine Gedanken kreisen sich auch um die Frage, ob er in irgendeiner Form hätte eingegriffen. "Und wenn ich nur versucht hätte, ihm einen Stein an den Kopf zu werfen", sagt Jam. Er sei schon immer jemand, der instinktiv handele und zudem durch die Linde früh Verantwortung für andere übernommen habe.

Es scheint, als sei Jam von der Linde vom Schicksal verfolgt – einerseits in erschreckender Weise, da er bereits mehrere Anschläge mitbekam, andererseits auch glücklich, da er den Unglücken stets entkam. "Auch im Januar, als eine Bombe im Stadtzentrum hochging, war ich in Istanbul. Genauso am 10. September 2001, als es dort Anschläge gab", blickt der Schwenninger zurück. Beim Attentat am Strand des Badeorts Marmaris 1994 war er laut eigener Aussage gar nur 50 Meter vom Tatort entfernt.

Trotz allem möchte Jam immer wieder in die Türkei fliegen – auch bereits in wenigen Tagen, wenn Ende Juli sein neues Album, an dem er zweieinhalb Jahre gearbeitet hatte, von der Plattenfirma Europa Musik veröffentlicht wird. Diese trägt in der Türkei auch die Rechte von Justin Bieber, Shakira oder Amy Winehouse. Und die Reise vergeht dann hoffentlich ganz ohne Zwischenfälle.