Elias Raatz präsentiert sein neues Buch "Textsorbet II".Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Elias Raatz stellt sein neues Werk vor / Mit "Textsorbet II" erscheint die zweite Anthologie

VS-Schwenningen. Als Kulturschaffender und Programmleiter ist Elias Raatz in Schwenningen bekannt. Im Juli hat er nun sein zweites Buch, "Textsorbet II" veröffentlicht. Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten gibt er Einblicke in das Werk.

Herr Raatz, 2012 hatten Sie Ihren ersten Poetry-Slam-Auftritt und 2019 durften Sie zum 100. Mal als Slam-Poet auf der Bühne stehen – in dieser Zeit hat sich sicherlich viel getan in Ihrem Leben?

Ich habe das Gefühl, es tut sich jedes Jahr so viel, dass ich gar nicht mehr mitkomme. Gerade stehe ich den letzten Zügen meines Bachelors in Medienwissenschaften an der Universität Tübingen und mache nebenher den "Dichterwettstreit deluxe", wobei es nebenher nicht so wirklich trifft. In den letzten drei Jahren durfte ich zwei Bücher herausgeben, wir veranstalten mittlerweile Poetry Slams in über 20 Städten, ich darf mich um das Kulturprogramm vom Capitol-Lichtspieltheater in Schwenningen kümmern, bin immer wieder im Radio zu hören und, und, und. Mein Leben hat sich sicherlich nicht zu weniger Stress entwickelt, aber ich bin froh und sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, mit meiner Arbeit in der Kultur ein Stück weit meinen Traum zu erfüllen.

Mit jungen 21 Jahren haben Sie 2019 Ihren ersten Sammelband "Textsorbet – die Dichterwettstreit deluxe Anthologie" veröffentlicht. Am 1. Juli dieses Jahres ist Ihre zweite Anthologie mit dem aussagekräftigen Titel "Textsorbet II – die Poesie schlägt zurück" erschienen. Worauf können sich Leser dieses Mal freuen?

Also auf jeden Fall auf Poesie! Es gibt wie beim ersten Band auch in "Textsorbet II" 28 einzigartige wie vielseitige Texte von einigen der erfolgreichsten und aufstrebendsten Bühnenpoeten Deutschlands, beispielsweise der beiden deutschsprachigen Meister im Poetry Slam, Jean-Philippe Kindler und Friedrich Herrmann. Mal eher lustig, mal lyrisch und mal nachdenklich geht es in jedem Text thematisch um etwas anderes, aber immer darum, den Leser so gut es geht zu unterhalten und zu erreichen. Das Buch möchte so etwas wie eine literarische Reise durch viele verschiedene Stile und Themen sein. Leser dürfen sich auf jeden Fall auf viel Abwechslung freuen und natürlich allgemein auf herausragende und lustige Gedichte und Geschichten.

"Brief an einen Freund" – so lautet der Titel eines Bühnentextes, den man in Ihrer zweiten Anthologie findet und den Sie selbst geschrieben haben. Hat dieser Text eine besondere Bedeutung für Sie?

Auf jeden Fall. Ich schreibe sehr viel und veröffentliche oder zeige auf der Bühne sehr wenig. Für mich muss bei einem Text dann alles stimmen, ich muss mit Herzblut dabei sein und möchte auch mal den Finger in die Wunden der Gesellschaft legen. Mir ist es wichtig, dass ich mich mit aktuellen Themen, politischen Meinungen, Zukunftsangst oder auch biografischen Erlebnissen beschäftige. "Brief an einen Freund" ist für mich ein eher emotionalerer Text, der zu großen Teilen auf Erfahrungen von mir und einer guten Freundin basiert. Mir ist es aber eher wichtig, dass meine Texte auch eine Bedeutung für andere haben, sich jemand zum Beispiel verstanden, berührt oder belustigt fühlt.

Dieses Mal war die Situation bei der Veröffentlichung Ihres Buches besonders…

Ja, wir haben das Buch nur mit der Hilfe einiger Unterstützer produzieren können. Bei den "Textsorbet"-Büchern sind wir gleichzeitig der Verlag und die Corona-Krise hat auch uns finanziell erwischt. Darum haben wir eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die uns bei den Produktionskosten unterstützen sollte. Da haben total viele Menschen mitgemacht und sich Bücher oder Postkarten vorbestellt. Das hat mich sehr gefreut und ich bin allen, die uns geholfen haben, mehr als dankbar.

Wie haben Sie die Auswahl der Autoren in ihrem Buch getroffen?

Ich bin innerhalb der Poetry-Slam-Szene gut vernetzt und konnte quasi im entfernteren Bekanntenkreis Künstlerinnen und Künstler fragen, ob sie Lust auf "Textsorbet" haben. Und das waren wirklich mehr als genug. Viele der Autoren, die häufiger auf meinen Events sind, haben auch einen Text beigesteuert, zum Beispiel Maron Fuchs, Daniel Wagner oder Marina Sigl. Für mich war es wichtig, dass das Buch wieder so abwechslungsreich wie der erste Teil wird. Daher habe ich natürlich geschaut, wer welche Texte hat und was thematisch und stilistisch am besten passen würde. Was mich sehr freut ist, dass ich auch immer einige Slam-Poeten erstveröffentlichen darf, beispielsweise Franzi Lepschies aus Berlin, die einen fantastischen Text beigesteuert hat. Sogar mein guter Freund Richard König ist wieder mit dabei, sein Text ist wirklich gut.

Wo funktioniert Poetry Slam besser – im Buch oder auf der Bühne?

Da kann ich jetzt doch nur falsch antworten, wenn ich sowohl Liveshows als auch Bücher mache, oder? Also der klassische Poetry-Slam-Text, wenn es ihn denn gibt, kommt natürlich auf der Bühne viel besser als verschriftlicht an, weil man ganz anders mit der Stimme und der Stimmung spielen kann. Aber wir drucken in "Textsorbet" ja nicht einfach so einen Bühnentext ab, sondern schauen, welche Texte am ehesten passen und schreiben diese durchaus mit den Autoren nochmals um, gerade was den Transfer des Mündlichen ins Schriftliche angeht. Also in Textsorbet findet man nicht zwingend einen Bühnentext, aber auf jeden Fall gute Unterhaltung.

Wenn Sie sich ein Zitat aussuchen könnten, das Ihr Leben am besten beschreibt, wie würde es lauten und warum?

Puh, da muss ich kurz nachdenken… Ich mag die Serie Scrubs, da sagt der Hauptcharakter John Dorian in der letzten Folge als Art Lebensweisheit: "Man kann sich glücklich schätzen, wenn man nur ab und zu mal die Chance hat, dass sich jemand, egal wer, ein klein wenig besser fühlt." Das, was ich tun darf ist meine große Leidenschaft. Nichts erfüllt mich mehr als es zu schaffen, dass irgendjemand bei einem Poetry Slam einen schönen Abend hat oder es ihm oder ihr Freude macht, das Buch zu lesen. Gleichzeitig bin ich diesen Menschen unendlich dankbar, denn die, die zu Events kommen oder das Buch lesen, sind der Grund, warum ich das alles hier überhaupt machen darf.   Die Fragen stellte Alexandra Semenescu