Martina Braun am Computer in ihrem Büro – es ist nicht ihr Lieblingsplatz, der ist nämlich eigentlich direkt an der Basis.Foto: Spitz Foto: Schwarzwälder Bote

Politik: Mal Bäuerin, mal Politikerin – aber immer ganz grün / Die Landtagsabgeordnete Martina Braun im Endspurt zum Wahlkampf

"Wenn die Leute zufrieden sind, mit dem was Du tust, arbeitest Du fleißig weiter und hoffst, dass das am Wahltag die entsprechende Anerkennung bekommt." Es ist Martina Brauns Credo. Als Bäuerin sei sie schließlich das Arbeiten gewohnt.

Schwarzwald-Baar-Kreis. Und geschafft hat die Grünen-Landtagsabgeordnete für den Schwarzwald-Baar-Kreis in der zu Ende gehenden Legislaturperiode einiges. Auch wenn sie keine Frau der großen Worte ist, wird das im Gespräch mit ihr in ihrem kleinen Abgeordneten-Büro in der Villinger Niederen Straße deutlich.

An der letzten Milchkanne – "da wohne ich!"

Ihre Nominierung war durch die Corona-Krise, drei Tage vor dem Termin am 13. März, jäh ausgebremst worden. Die Landtagswahlen nahen schon. Martina Braun aber sitzt dennoch entspannt in ihrem Büro und strahlt gelassene Zuversicht aus. Ob die Sonnenblumen, die als Sticker am Fenster prangen, mitverantwortlich sind für das sonnige Gemüt? Vielleicht ist es auch, weil Martina Braun geerdet ist. In ihrer Brust schlagen zwei Herzen im Gleichtakt – das einer Politikerin und das einer Bäuerin. Als Letztere sei es ihr wichtig gewesen, die Bodenhaftung nie zu verlieren, betont sie. Im Öko-Bauernhof, den ihre Familie seit Jahrzehnten in Linach bewirtschaftet, packt sie seit ihrer Politik-Karriere zwar seltener, aber immer noch leidenschaftlich mit an. Überhaupt dringe sie gerne bis zur Basis vor. "Ich muss die Dinge direkt von den Leuten erfahren, ich will verstehen, warum etwas so ist und was die Leute umtreibt", erklärt die Landtagsabgeordnete.

In den vergangenen Wochen und Monaten war das vor allem eines: das Coronavirus. Vielfach habe man dabei aber auch gelernt, was online möglich ist. Auch sie selbst ist nun versiert in Online-Meetings. "Früher bin ich manchmal für zwei Stunden Sitzung nach Stuttgart gefahren." Heute ist sogar der so ländliche Schwarzwald-Baar-Kreis digital gut erschlossen. Ganz fertig sei die Region damit aber noch nicht. Wenn Innenminister Thomas Strobl in Stuttgart wieder einmal seinen Spruch klopft, dass der Breitbandausbau andauern müsse, bis "auch die letzte Milchkanne" erreicht sei, dann hakt Martina Braun gerne ein: "Da wohne ich!" Und tatsächlich hat Linach nun immerhin einen Förderbescheid bekommen.

Viel wichtiger aber sei der Breitbandausbau für die Wirtschaft. Glücklicherweise sei die Wirtschaft der Region eine starke Wirtschaft, sinniert Braun. "Die haben nicht erst gewartet, bis sie vom Staat alles serviert bekamen. Sie haben schon immer selbst geschaut, gut ausgerüstet zu sein." Ein bisschen Dankbarkeit und Erleichterung schwingt mit, als die Politikerin das sagt. Obgleich sie zugibt, dass ihr vor allem mit Blick auf die zahlreichen Automobilzulieferer im Schwarzwald-Baar-Kreis manchmal schon etwas bange um das örtliche Unternehmertum sei. Froh sei sie daher, dass der Strategiedialog Automobilwirtschaft mit allen Beteiligten am Tisch in Stuttgart geführt werde. Und am Transformationsprozess in der Automobilindustrie führe kein Weg vorbei. "Unser Wohlstand hängt von diesen Arbeitsplätzen ab." Der Beteiligungsfonds, mit dem sich das Land an Firmen beteiligen möchte, die Landesbürgschaften und Steuererleichterungen seien staatliche Instrumente in diesem Zusammenhang. Ohne das Zutun und vor allem die Innovationskraft der Unternehmer gehe hier aber nichts.

Nichts geht mehr – diesen Eindruck gewinnt leicht, wer an die Milliardenpakete zur Rettung der Wirtschaft in Corona-Zeiten denkt. Nicht so Martina Braun. Ganz ruhig fasst sie zusammen, dass hinter dem Land die berühmten fetten Jahre liegen – 1,2 Milliarden Euro Rücklage sind auch davon das Ergebnis. Und nun müsse man eben anders haushalten, die Schuldenbremse – das Ziel war eine Nettoneuverschuldung ab 2021 – sei nun geopfert worden zugunsten eines Fünf-Milliarden-Kredits. "Mit den 6,2 Milliarden hofft man, die schlimmsten Schwierigkeiten zu glätten." Vermutlich ab 2024 seien sie dann gekommen, die mageren Jahre, wenn das Land in Schritten von halben Milliarden den Fünf-Milliarden-Kredit abstottere. "Ich bin trotzdem immer optimistisch."

"Die letzten drei Jahre machen uns mächtig Angst"

Ein wenig flehentlich wird Martina Brauns Blick dann aber schon als sie, wie zuletzt im Kreistag, bittet: "Setzt jetzt bitte nicht den Rotstift bei den Themen an, die uns ein Stück weit beim Klimawandel helfen." Die Natur nämlich leide extrem. "Der Klimaschutz darf nicht der Corona-Krise geopfert werden", sagt die Politikerin. Dann ist es wieder die Bauersfrau die spricht: "Wir haben einen Stall voll Vieh und das Gras wächst nicht mehr" – zu wenig Regen und das schon im dritten Jahr in Folge. "Die letzten drei Jahre machen uns mächtig Angst." Eigentlich müsse für sechs Wintermonate Futter unter Dach gebracht werden. Aber woher nehmen?

Es sind auch diese eigenen Erfahrungen, die die Grüne immer wieder anspornen, für die Ziele ihrer Partei zu kämpfen. Die Pestizidreduktion für den ländlichen Raum sei so ein Thema gewesen – "das war ein harter Brocken, der CDU war’s zu grün, den Grünen zu schwarz". Und dann kam "Rettet die Bienen", eine Initiative, in der viel steckte von der geforderten Pestizidreduktion. "Ich bin froh, dass diese Mühe nicht in der Schublade verschwindet", sagt Braun und blickt erwartungsvoll gen Juli, wenn der Landtag die entsprechenden Papiere verabschieden soll, auf deren Basis es im Herbst an die Umsetzung gehe. Ein wenig stolz fügt die Furtwangerin an, dass auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei Themen wie diesen auf ihre Fachkompetenz Wert gelegt habe. Das nächste große Projekt steht bevor: der Gesellschaftsvertrag – vereinfacht gesagt, eine Art Deal zwischen Erzeugern und Konsumenten landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Es geht beispielsweise um faire Preise statt Billigfleisch und darum, dass der Konsument um die Verantwortung weiß, die auch der für den Erzeuger hat. "Das funktioniert dann, wenn man den Handel mit ins Boot bekommt", glaubt Martina Braun. Aber dieses dicke Brett werde vermutlich erst nach den Landtagswahlen gebohrt.

Apropos Landtagswahlen: auch wenn der Wahltag im Corona-Wirbel unbemerkt schleichend näher rückte, liegt vielleicht auch gerade in diesem Thema ein Stück weit das Geheimnis der Ruhe, die Martina Braun zu umgeben scheint. "Es ist nicht bekannt, dass jemand gegen mich kandidieren will", bilanziert sie. "Kein Kampf in den eigenen Reihen", das "finde ich gut" - so könne sie sich inhaltlich ganz den Themen widmen, die ihr wichtig sind. Und Anpacken. Nicht nur als Bäuerin, auch als Politikerin.