Die Lokale werden als Shisha-Bars geführt – die Stadt möchte prüfen, ob sie Vergnügungsstätten sind. Foto: Matzka

Bußgeldverfahren gegen Betreiber eingeleitet. Stadt lässt im Unklaren, seit wann die Zustände bekannt sind.

Villingen-Schwenningen - Das Bürgeramt wehrte sich in der jüngsten Gemeinderatssitzung vehement gegen die Vorwürfe, in Bezug auf die zwei in den Fokus geratenen Lokale in der Färberstraße nicht tätig zu werden. Gegenüber den Stadträten wurde aber ebenso deutlich: Nachhaltig hat sich an der Situation aber noch nichts geändert.

Geschlagene 90 Minuten wurde in der Gemeinderatssitzung dargelegt, argumentiert, diskutiert – am Ende war klar: Die Situation bleibt verzwickt. Während Stadtverwaltung und Bürgeramt bemüht waren, ihre Sicht der Dinge darzulegen und dies auch zur Zufriedenheit der Stadträte taten, zeigten sich die Anwohner mit den Aussagen der Protagonisten nicht einverstanden.

Dass bei den beiden Lokalen nicht eingegriffen oder vor den Betreibern gekuscht wird – diesen Vorwurf wollte die Stadtverwaltung und insbesondere das Bürgeramt gänzlich ausräumen. Mit einer Präsentation zeigte Bürgeramtsleiter Ralf Glück auf: Die Vorkommnisse rund um die in den Fokus geratenen Bars würden der Stadt vorliegen und seien sorgfältig geprüft worden.

42 Bußgeldverfahren

Grundsätzlich, so machte Glück deutlich, sei der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) überproportional häufig in der Färberstraße unterwegs. So seien im ersten Halbjahr 2020 insgesamt 161 Präsenz-Eintragungen des KOD protokolliert worden. Auf das Jahr gerechnet sei man damit dort, trotz einer schwachen Personalstärke, noch intensiver unterwegs als die Jahre zuvor.

Insgesamt habe das Bürgeramt seit 2017 von den 81 dort festgestellten Vorkommnissen 42 Bußgeldverfahren eingeleitet, aus denen fast 25.000 Euro an Bußgeldern resultierten – und zwar alleine für "Leo’s Bar" und "Moon Lounge". Darunter befinden sich mehrheitlich Verstöße gegen Ruhestörung (21), aber auch Sperrzeitverstöße (9) oder Probleme mit dem Jugendschutz (3). Und: Die Stadt habe in den vergangenen anderthalb Jahren fünf Verfahren zum Entzug der Gaststättenerlaubnis eingeleitet, die zum Teil noch laufen würden.

Glück betont, man habe in allen Fällen, in denen die Landespolizei etwas angezeigt habe, die Vorkommnisse geprüft, reagiert "und alle Möglichkeiten ausgeschöpft".

Und was ist mit dem Vorwurf, dass es sich bei den Lokalitäten um illegale Clubs oder Diskotheken handeln würde? Hierzu berichtete Oberbürgermeister Jürgen Roth, dass beide Betriebe eine Konzession als Schankwirtschaft in Form einer Shisha-Bar hätten.

Eine Disco wäre eine Vergnügungsstätte und damit nicht zulässig

Die Begriffe Disco oder Club seien keine gaststättenrechtlichen Bezeichnungen für einen Betrieb – vielmehr falle dies unter die Rubrik "Vergnügungsstätte", welche wiederum in der Färberstraße nicht zulässig sei. Ob es sich um eine solche Vergnügungsstätte handelt, werde derzeit vom Baurechtsamt geprüft. Eine Abgrenzung sei schwierig, wie Roth betont.

Auch hinsichtlich der Beweisbarkeit gestalte es sich nicht immer einfach – die Argumentation müsse handfest sein, zumal gegen behördliche Verfügungen auch vorgegangen werde könne. Wie Bürgermeister Detlev Bührer betont, sei es auch notwendig, nachts Baurechtskontrolleure dorthin zu schicken, "eventuell auch mit Polizeibegleitung".

Doch aus Sicht der Anwohner, aber auch einiger Stadträte, macht es sich die Verwaltung hinsichtlich der Problematik etwas einfach, wie sie hinterher im Gespräch mit unserer Zeitung betonen. Denn: Wirkung hätten die bisherigen Anstrengungen keine erzielt. Das musste auch Roth zugeben: "Eins bleibt: Die Unzufriedenheit und Belastung der Bürger unmittelbar in diesen Wohnungen". Dies sei auch in etlichen Mails deutlich geworden, die der Oberbürgermeister bekommen habe.

So seien die Verfahren zum Entzug der Gaststättenerlaubnis, wie auch Roth und Glück erklären, ins Leere gelaufen, weil die Betreiber in deren Verlauf einen Betreiberwechsel ankündigten und diesen auch vollzogen. Stadtrat Bernd Lohmiller (SPD) betonte als pensionierter Kriminalbeamter: "Es ist bekannt, dass bei Großfamilien die Konzessionen immer schnell ausgetauscht werden".

Ebendiese Problematik hatte der Schwarzwälder Bote auch hinsichtlich der laut Eigentümer eingesetzten Strohmänner thematisiert, die wiederum über den "Moon Lounge"-Besitzer beste Verbindungen zur genannten türkischen Unternehmerfamilie halten, die als Clan auftreten soll.

Betreiber wechseln oft

Deshalb wird deutlich: Stadtverwaltung und Bürgeramt sind vorwiegend gegen die Folgen dieser ausufernden Feieraktivitäten vorgegangen. Doch im Mittelpunkt der Kritik stand insbesondere die Frage, warum nichts gegen die Geschäftsgebaren unternommen wird, die jene Probleme – insbesondere die enorme Lärmbelästigung – zur Folge haben. So war für Anwohner offensichtlich, dass die Betreiber regelmäßig wechseln – die Lokale jedoch weiterhin als Clubbetriebe genutzt werden. Dies hat die Stadt nun bestätigt.

Auch SPD-Stadtrat Nicola Schurr zeigte auf, dass es bereits Ende 2017 mit Amtsleiter Ralf Glück ein Gespräch gab, der wiederum im darauffolgenden Jahr gesagt habe: Er könne nicht viel machen, es gebe wieder einen neuen Betreiber.

Für Ulrike Heggen (Freie Wähler) ist vor diesem Hintergrund klar: Wenn es gegen diese Machenschaften keine Handhabe gäbe, dann solle man dies auch so ehrlich thematisieren. Offensichtlich sei, dass es "schwarze Schafe" in der Färberstraße gebe. Heggen: "Wenn wir der Sache nicht Herr werden, dann nimmt das Überhand!" Die Stadträtin machte außerdem deutlich, dass die Anwohner offensichtlich kein Sprachrohr hätten – die ins Rollen gebrachte Diskussion sei deshalb "super wichtig", um Lösungen anzustreben.

Dass sich die Anwohner nicht ernstgenommen fühlen, wie unserer Redaktion mehrfach bestätigt wurde, ließ Roth aber angesichts der Bußgeldverfahren nicht gelten. Fraglich ist in diesem Zusammenhang jedoch: Warum benennt die Stadtverwaltung die ganz offensichtlichen Probleme erst jetzt und möchte die Anwohner auch erst nach öffentlichem Druck ins Boot holen? So lud Roth in der Gemeinderatssitzung zu Gesprächen mit dem Bürgeramt ein, äußerte seine Hoffnung, die Betroffenen könnten dabei helfen, eine Lösung zu finden.

Stadt schweigt zu der Frage, seit wann die Probleme bekannt sind

Anwohner und Eigentümer beteuerten aber immer wieder, dass sie vom Bürgeramt abgewimmelt wurden und man auf telefonische Nachfrage die Probleme mit den Bars nicht bestätigte. Auch in der Vergangenheit verneinte die Stadtverwaltung bei Presseanfragen, dass sich jene Probleme nur auf spezifische Bars beziehen. 2016 sagte eine Sprecherin dem Schwarzwälder Boten: "Wir haben keine Information, dass es in der Färberstraße ein Brennpunktlokal gibt."

Ein Gastronom hatte, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet, auch Roth persönlich bereits im OB-Wahlkampf auf die aus seiner Sicht "illegalen Discothekenbetriebe" hingewiesen, die es nicht nur in der Färberstraße gäbe. Aus diesen würden sich negative Auswirkungen auf das Nachtleben ergeben.

Edgar Schurr (SPD) wollte deshalb ebenfalls wissen: Seit wann ist dieser Vorwurf der illegalen Discos bekannt? Doch weder Roth noch Glück konnten – oder wollten – hierzu Stellung beziehen, betonten nur, "das Bürgeramt ist seiner Aufgabe nachgekommen" und das Baurechtsamt prüfe derzeit die Gegebenheiten. Auf die Nachfrage von Heggen, seit wann das Amt diese Gegebenheiten prüft, gab es ebenfalls keine Antwort.

Das Wirken eines Clans, der laut Anwohnern und Eigentümern hier Einfluss nehmen soll, um eine Schließung der Lokalitäten zu verhindern, könne die Stadtverwaltung hingegen nicht bestätigen, hieß es. Roth sagt: Der Kriminalpolizei würden, laut dem Vize-Polizeipräsidenten, "keine Erkenntnisse vorliegen".

Aus den zahlreichen Mails und Anregungen, die die Freien Wähler nach der Antragsstellung von Betroffenen erhalten haben (Stadtrat Ummenhofer: "Die Resonanz auf den Zeitungsartikel war erschreckend, so etwas haben wir überhaupt noch nie erlebt!") habe sich herauskristallisiert, dass Rücksicht auf gewisse Personen genommen werde. "Das macht uns Sorgen", betont der Stadtrat. Auch die Aussage, die das mutmaßliche Clan-Mitglied gegenüber einem Gastwirt geäußert haben soll ("Uns gehört der Schwarzwald"), vermittle, "was diese Menschen für eine Denke haben".

Lob an restliche Wirte

Als Lösungsansatz präsentierte Roth sowohl die personelle Aufstockung des KOD als auch die Verlängerung der Sperrzeit. Diese Diskussion wollte aber Edgar Schurr ebenso wie sein Sohn Nicola gar nicht erst zulassen. Es sei deutlich geworden, dass "der Großteil der Gastronomen einen ordentlichen Job macht". Auch Ummenhofer betont: "Die Gastwirte haben es geschafft, das Image der Färberstraße auf ein gutes Niveau zu heben."

Doch dieses Image droht angesichts der Machenschaften beschädigt zu werden – und zwar nicht nur zum Leidwesen der weiteren Gaststätten, sondern auch zum Leid der Anwohner, die der für sie unhaltbaren Situation ausgesetzt sind.